• Trotz Misstrauen der acht Frauen und gegenseitigen Schuldzuweisungen knisternde Atmosphäre. Bild: Patrick Pfeiffer

05.01.2019
Emmental

Acht Frauen ohne Alibi, aber mit Mord-Motiv

Seit Jahrzehnten verwöhnt die Emmentaler Liebhaberbühne Theaterfreunde mit ausgefeilten Produktionen auf hohem Niveau. Vor einem Jahr entzückte die Truppe um Regisseur Ulrich Simon Eggimann mit «Geld und Geist» von Jeremias Gotthelf. Diesmal beschreitet sie Neuland und tritt mit «8 Frauen», einem Mix aus Psychodrama und Kriminalkomödie, auf die Bühne. Das 1961

in Paris uraufgeführte, mehrfach preisgekrönte und verfilmte Stück des französischen Schriftstellers Robert Thomas garantiert Nervenkitzel und fordert das Publikum zum Rätselraten auf.

RÜTTIHUBELBAD · Extra zum weihnächtlichen Familientreffen aus England angereist kommt Suzanne (Sandra Rentsch), die ältere Tochter von Gaby, Gattin des Hausherrn Marcel. Am Bahnhof wird Suzanne von ihrer Mutter Gaby (Sabine Siegenthaler) abgeholt, während im abgelegenen Haus Suzannes jüngere Schwester Catherine (Yaël Wyss), Köchin Chanel (Sandra Schneider), Tante Augustine, Gabys Schwester (Katrin Haueter), Haushaltshilfe Louise (Lisa Eggimann) und die Grossmutter, Gabys Mutter (Elisabeth Schmidt), auf Suzanne warten. 

Messer im Rücken – kein Suizid 

Im Mittelpunkt steht eigentlich der reiche Städter, Familienoberhaupt Marcel, der in seinem von der Aussenwelt völlig abgeschnittenen Landhaus lebt – hier findet das Familientreffen statt – und den das Publikum nie zu Gesicht bekommt. «Er will nicht geweckt werden», heisst es. Ob er sich deshalb nicht blicken lassen will, weil ihm in letzter Zeit der schlechte Verlauf seiner Geschäfte zu schaffen machte? Als ihm Haushaltshilfe Louise das Frühstück aufs Zimmer bringen will, liegt Marcel mit einem Messer im Rücken blutüberströmt und regungslos im Bett. «Das Messer steckt im Rücken, also ist Selbstmord nicht möglich», ist man sich unter den Frauen rasch einig. Als Mörderinnen kommen alle acht Frauen in Frage, die sich hier zum Familientreffen versammeln. Keine hat ein Alibi, alle hätten ein Motiv, den Mord begangen zu haben. 

Alle beschuldigen sich gegenseitig

Verdächtige Fussspuren zur Villa sind keine auszumachen. Die Polizei zu rufen, ist unmöglich, weil das Telefonkabel durchschnitten ist und es in dieser entlegenen Gegend keinen Handyempfang gibt. Zudem ist das Eingangstor verriegelt, und das Auto springt nicht an. Das nächste Haus ist kilometerweit entfernt. Unrealistisch, bei so viel Schnee vom Haus wegzukommen. Catherine schliesst schon mal das Zimmer des Ermordeten ab. Niemand soll allfällige Spuren verwischen können. 

Überraschend trifft – alarmiert angeblich durch einen geheimnisvollen Anruf – Pierrette ein, die Schwester des Opfers (Marietta Rüegsegger). Tante Augustine jammert über Rheuma-schmerzen – auch Herz und Nieren würden ihr zu schaffen machen. Ob sie deshalb in der Mordnacht gleich fünfmal die Toilette aufgesucht hat? Beim Versuch der acht Frauen, die Mörderin zu überführen, kommt es zu Mutmas-sungen und wüsten Anschuldigungen. Immer mehr kommen Einzelheiten über das Leben – vor allem das Liebesleben und die Leidenschaften – der Frauen ans Licht. Gaby, Gattin des Ermordeten, muss sich die Frage gefallen lassen, weshalb sie und ihr Mann, angeblich glücklich verheiratet, getrennte Schlafzimmer hätten. Tatsächlich zeigt sich, dass Ehefrau Gaby eine Affäre mit dem Kompagnon ihres Mannes hat und deshalb schon die Koffern gepackt hatte, um ihren Gatten Marcel zu verlassen. 

Wenn aus Wein Essig wird 

Die acht Frauen beschuldigen sich gegenseitig, die Atmosphäre wird zunehmend giftiger. Immer mehr Details über den Charakter und den Lebenswandel der acht Frauen kommen ans Licht. Das Gifteln nimmt kein Ende: «Du kannst mich nicht ausstehen, gell?», fragte die eine. «Das ist es nicht, du bist mir einfach gleich», antwortet die andere. Das Publikum erfährt – bezogen aufs Liebesleben – im an Silvester ausverkauften, am Bärzelistag gut besuchten Saal ein Bonmot: «Wenn man feinen Wein nicht trinkt, wird Essig daraus.» Für Verwirrung sorgen verschwundene Aktien und Medikamente, ein Bücherzirkel und vor dem Haus mit Rattengift vergiftete Hunde. Wer hat Marcel in der Mordnacht letztmals gesehen? Daraus ergeben sich Theorien, die mal diese, mal jene Frau zur Mörderin machen. «Der Würfel ist gefallen», ruft eine der Frauen, die überzeugt ist, die Mörderin überführt und zudem sich selber aus dem Kreis der Verdächtigen katapultiert zu haben. Des Rätsels Lösung ist verblüffend. Zuletzt geniesst das Ensemble der Emmentaler Liebhaberbühne den kräftigen, lange anhaltenden Schlussapplaus des Publikums, das mit dieser von schnellen Dialogen geprägten berndeutschen Bühnenfassung von Ulrich Simon Eggimann vorzüglich unterhalten wurde. 

Von Hans Mathys