• Nicole Heimgartner in der kleinen, blühenden Magerwiese vor ihrem Daheim: Sie hat schon Tausende von Schmetterlingen in die Freitheit entlassen. · Bild: Elsbeth Anliker

25.09.2018
Region

Augenschein in der Schmetterlingsoase

Sie sucht die Eier, zieht Raupen auf und schenkt achttausend Schmetterlingen pro Jahr die Freiheit. Sie gibt Kurse und erzählt von ihren Kenntnissen: Nicole Heimgartner aus Gondiswil setzt mit Leidenschaft dem langsamen Verschwinden der faszinierenden Insekten einen Gegenpunkt.

Gondiswil · Gleich vor dem Haus – dort, wo die kleine verwitterte Holzbank steht, blühen orangen die Ringelblumen, blau der Lavendel, rosa die Malven und viele Pflanzen mehr in der Herbstsonne. Hier hat Nicole Heimgartner eine kleine Magerwiese angelegt. «Es dürfen nur einfache Blüten sein», erklärt sie, «denn in die gefüllten Blüten kommen die Schmetterlinge nicht hinein.» Viele Schmetterlingsarten sind in der Schweiz vom Aussterben bedroht. Ihr ist wichtig, gerade Kinder für dieses Thema zu sensibilisieren. «Ich möchte nicht, dass meine Enkel dereinst diese faszinierenden Insekten nur noch aus Büchern kennen lernen», sagt sie. Zusammen mit ihrem Mann Simon und den Kindern Gian Marco, Meja und Björn lebt die 35-Jährige auf dem Stutz in Gondiswil.

Ein kleines Wunder

Nicole Heimgartner erzählt, wie ihre Liebe für den Schmetterling begann: Vor neun Jahren sei es gewesen. Das Ehepaar lebte damals in einem Stöckli auf einem Bauernhof im Emmental. «Nach der Rüebliernte entdeckte ich auf dem Kraut im Kompost zwei wunderschöne Raupen – die musste ich einfach herausnehmen und aufziehen.» Und im Frühling darauf schlüpften tatsächlich zwei Schwalbenschwänze. «Das Gefühl, als ich die farbenprächtigen Schmetterlinge losfliegen sah, war unbeschreiblich – und dieses kleine Wunder hat mich bis heute nicht mehr losgelassen», erzählt sie beim Gang durch den herbstlichen Garten, wo Schafgarben, Sonnenhut und Fenchel gedeihen – Schwarzdorn, Haselstrauch und Weiden. Gleich beim Gartenzaun wachsen Brennnesseln. «Viele Schmetterlinge mögen diese Pflanzen sehr.» Im Sommer hat es an den Nesseln über 30 verschiedene Raupenarten. «Denn wer Schmetterlingen helfen will, muss die Umgebung so gestalten, dass ein Ökosystem entsteht.» So hat es im Garten neben Pflanzen und Blumen auch Sandhaufen für Wildbienen und ein Tümpel mit Molchen und Fröschen. Und sogleich wird deutlich: Hier fühlen sich kleine Tiere, Pflanzen und Gärtnerin gleichsam wohl.

Arbeit und Leidenschaft

Nicole Heimgartner zeigt auf einen Gewürzfenchel – an dessen Stengel klebt eine junge Raupe. Behutsam legt sie diese in ihre Hand. «Es ist wohl eine der letzten in diesem Jahr», sagt sie lächelnd und bringt das kleine Lebewesen in einen Netzbehälter, ein sogenanntes Aerarium. Darin hat es an Fenchelzweigen bereits Raupen des Schwalbenschwanzes. «Bis der erste Frost kommt, sind alle verpuppt und überwintern so.» Im Sommer hat Nicole Heimgartner 25 Netzbehälter aufgestellt, in denen sie viele verschiedene Arten von Raupen aufzieht und schützt. «Rund drei Stunden Arbeit investiere ich in der Hochsaison in mein Hobby.» Die Maschen des Behälters müssen enger sein als bei einem Mückennetz, damit die Eier und später auch die Raupen und Puppen vor Parasiten geschützt sind. Jeweils am Abend geht sie durch ihren Garten und sucht nach Eiern und Raupen. Zum Beispiel setzen die Schwalbenschwanz-Weibchen ihre Eier gerne auf Gewürz- und Knollenfenchel ab. «Sie mögen aber auch Dill, Petersilie, Rüebli, wilde Möhre und Maggikraut.» Die Eier sammelt sie sorgsam ein und legt sie in eine mit Haushaltpapier ausgekleidete Schale. Dazu gibt sie ein bisschen Fenchelkraut. Sobald die Raupen geschlüpft sind, stellt sie einen Topf mit Fenchel hinein und ersetzt ihn regelmässig – das ist das Futter. Je nach Art des Schmetterlings können es auch Blätter von Brennnesseln, Eichen oder Weiden sein. Das zunächst schwarze Räupchen des Schwalbenschwanzes schlüpft nach sechs bis acht Tagen aus und wächst. Die Raupen häuten und verpuppen sich nach zwei bis drei Wochen. Erst nach mehreren Häutungen bekommen sie ihre typische Farbe: grün, mit schwarzen Querbändern und orangenfarbenen Flecken. «Nun braucht es noch etwa zehn Sonnentage, bis die Schmetterlinge schlüpfen», erzählt Nicole Heimgartner. 

Sie zählt jeden Schmetterling

Sie weiss ziemlich genau, wie viele Schmetterlinge sie in den letzten neun Jahren betreut, aufgezogen und in die Freiheit hat fliegen sehen. Allein in der letzten Saison haben 8000 ihren Flug ins Sonnenlicht angetreten. Für jeden, der losfliegt, macht sie einen Strich. «Und jedes Mal ist es für mich aufs Neue ein kleines Wunder. Wenn nämlich ein Schwalbenschwanzweibchen in der Natur ohne Schutz um die 200 Eier legt, entstehen daraus nur zwei Schmetterlinge.» Ein Glück, dass dank Nicole Heimgartner viele mehr überleben. Sie zieht Tagpfauenauge, Ad-miral, Zitronenfalter, Landkärtchen, Brauner Bär, Kleiner und Grosser Fuchs, diverse Nachtfalter und auch Schwalbenschwänze auf. «Das Schönste aber ist, wenn ich sie in die Freiheit entlassen kann», freut sie sich. 


Viele Feinde warten 

Der Schwalbenschwanz kann kilometerweit auf sogenannte Balzhügel fliegen, um sich zu verpaaren und danach den Weg wieder zurückfinden in den Garten von Nicole Heimgarnter, wo er seine Eier für die nächste Generation absetzt. Doch Schmetterlinge haben viele Feinde wie Vögel, Spinnen oder Wespen. Der grösste Feind aber ist der Mensch. Einige der Schmetterlinge sind besonders bedroht. Während zum Beispiel das Tagpfauenauge vor allem von der roten Schlupfwespe befallen wird, finden Schwalbenschwänze und andere Arten zu wenig Nahrung. «So verschwinden immer mehr Schmetterlinge und Insekten; in den letzten Jahren wurde ein Rückgang von 75 Prozent verzeichnet», sorgt sich die «Schmetterlingsmutter». 


Ihr liebster Schmetterling

Ihr seien viele Schmetterlinge vertraut, «doch den Zitronenfalter mag ich am liebsten», sagt Nicole Heimgarnter. So heisst denn auch die «Dusse»-Spielgruppe in Gondiswil «Zitronefauter»; deren Initiantin und Leiterin sie ist. Der Zitronenfalter überwintere als Schmetterling draus-sen, manchmal sogar im Schnee und sei im Frühling der erste, der wieder umherfliege. «Das passt zu unserer Spielgruppe, da auch wir immer draussen sind.» 


Wissen weitergeben
Das Aufziehen von Schmetterlingen ist seit neun Jahren die Leidenschaft von Nicole Heimgartner und mittlerweile ist sie auch so etwas wie eine Schmetterlings-Botschafterin. «Ich möchte meine Erfahrungen weitergeben, damit alle Leute Pflanzen säen und wachsen lassen, von denen sich Schmetterlinge ernähren, wie etwa die Brennnesseln – und dass sie Raupen nicht für Schädlinge halten und sie töten oder wegwerfen. Denn was nützt es, Schmetterlinge aufzuziehen, die dann keinen Lebensraum finden.» Sie gibt Kurse für Erwachsene, erzählt Schulklassen von ihren Beobachtungen und pflegt eine Facebook-Gruppe, wo sie ihr Wissen weitergibt. Ihr Ziel ist: «Dass es meine Arbeit einmal nicht mehr braucht.» 

Von Elsbeth Anliker

Weitere Informationen zur Schmetterlingsaufzucht: Nicole Heimgartner, Stutz, Gondiswil; Telefon 079 482 35 71 / nicole.heimgartner@gmx.ch / Homepage: 1000und1fluegelschlag.ch (Spielgruppe Zitronefauter, Stutz, 4955 Gondiswil.)