• Von links: Walter Gerber (Präsident HIV Burgdorf-Emmental), Regula Gloor (CEO Gebrüder Gloor AG, Burgdorf); Roland Loosli (CEO Albiro AG, Sumiswald). · Bild: Ernst Marti

19.05.2017
Emmental

Berufslehre als Einstieg zu Führungsposition

Auch mit einem Berufslehrabschluss besteht später die Möglichkeit, in einem Unternehmen eine leitende Position einzunehmen. Wie, das zeigt der Handels- und Industrieverein Burgdorf-Emmental in seiner soeben gestarteten Kampagne zur Stärkung und Förderung der Berufslehre auf. Er will damit dem zunehmenden Mangel an Lehrlingen entgegen wirken, der in den letzten Jahren einigen Betrieben der Region zu schaffen macht.

Burgdorf · In den letzten Jahren gab es immer mehr regionale Betriebe, die Mühe hatten, ihre freien Lehrstellen zu besetzen. Das betraf vor allem die handwerklichen Berufe, die darunter zu leiden hatten, weniger jedoch solche, die mit der Informatik zu tun hatten. Und da die Berufsbildung für den Handels- und Industrieverein Burgdorf-Emmental (HIV) einen hohen Stellenwert hat, lancierte er dieser Tage anlässlich einer Pressekonferenz eine Kampagne zur Stärkung und Förderung der Berufslehre. Immerhin zählt der Verein aktuell über 500 Mitglieder mit mehr als 15 000 Beschäftigten und ist in den Betrieben daran interessiert, auf allen Stufen über motivierte und gut ausgebildete Mitarbeitende zu verfügen, erklärte HIV-Präsident Walter Gerber.

Vom Handwerker- oder KV-Lehrling zum CEO
«Die Berufslehre ist heute sicher etwas anders gestaltet als vielleicht noch vor 30 Jahren», stellte Regula Gloor, CEO der Burgdorfer Firma Gebrüder Gloor AG und Vorstandsmitglied des HIV, einleitend fest. Mit der Berufsmatur und den verschiedenen Fachschulen stehen den jungen Fachleuten viel mehr Weiterbildungsmöglichkeiten als früher offen. So heisst es heute nicht zu Unrecht, «kein Abschluss ohne Anschluss». Früher war das anders, stellte Regula Gloor fest: «Wenn ein junger Schreiner beispielsweise die Lehre als Schreiner abschloss, ging man im Normalfall davon aus, dass dieser auch als Schreiner pensioniert wurde. Heute hat man nach einer Berufslehre wirklich alle Chancen, sich weiter zu entwickeln». Und wenn man den Werdegang von sechs HIV-Vorstandsmitgliedern betrachtet, zeigt sich das nur allzu deutlich: Reto Reist, CEO der Sumiswalder Moser-Baer AG, startete seine Karriere als Polymechaniker-Lehrling in Huttwil. Der Automechaniker-Lehrling Stefan Affolter ist heute Geschäftsführer der Alpabern AG. «Eigentlich wollte ich zuerst Lokomotivführer werden, doch da ich leider zwei linke Hände habe, begann ich halt eine kaufmännische Lehre», erklärte der an der Presskonferenz teilnehmende CEO der Albiro-Gruppe, Roland Loosli. Am Anfang des Berufslebens vom CEO der Louis Stuber stand eine Lehre als Maschinenzeichner, und der heutige CEO der Aebi Burgdorf startete seine Berufskarriere mit einer Lehre als Lastwagenmechaniker. Kambly-CEO Hans Martin Wahlen begann seinen beruflichen Werdegang sogar als Molkerist-Lehrling in der Verbandsmolkerei Thun.
Die sechs Führungspersönlichkeiten haben eben «keinen Abschluss ohne Anschluss gelebt» und nach einer erfolgreich abgeschlossenen Berufslehre die zahlreichen Weiterbildungsmöglichkeiten genutzt.
Natürlich können es nicht alle Berufsabgänger zum CEO bringen, dazu wäre schliesslich der Bedarf zu klein. Was aber benötigt wird, sind Fach- und Führungskräfte auf allen Stufen. In der Aus- und Weiterbildung steht die Schweiz mit ihrem dualen Bildungssystem ja hervorragend da.

Falschen Vorurteilen gegenüber einer Berufslehre entgegenwirken
«Mit unserer Initiative wollen wir uns vor allem an Schülerinnen und Schüler wenden, die noch nicht wissen, welchen Berufsweg sie einschlagen möchten», sagte Regula Gloor, die damit keineswegs den gymnasialen Ausbildungsweg konkurrenzieren möchte. In der Diskussion kam jedoch klar zum Ausdruck, dass eine Berufslehre zumindest so anspruchsvoll sei wie der Weg über das Gymnasium. Der eine Weg ist einfach mehr praxisbezogen, während der andere mehr theoretischer Natur sei. Am einen Ausbildungs-Zwischenende steht die Lehrabschlussprüfung, am anderen die Matura. Um weiterzukommen, muss man so oder so etwas für die Weiterbildung tun.
Die nun lancierte Kampagne zur Stärkung und Förderung der Berufslehre will laut HIV-Präsident Walter Gerber den noch viel zu oft vorhandenen falschen Vorurteilen gegenüber einer Berufslehre entgegenwirken. Das soll in erster Linie über die Verbandsmitglieder, aber auch einzelne gezielte Aktionen und die Homepage erfolgen. «Wir wollen die Jugendlichen, aber auch deren Eltern, über möglichst viele Kanäle erreichen, so zum Beispiel auch über die Schulen und die Be-rufsberatung», sagte der HIV-Präsident. Sowohl die demnächst statt-findende Oberemmentalische Gewerbe- und Landwirtschaftsausstellung OGA wie die im August stattfindende Lehrstellenbörse im Tigersaal des Ilfisstadions werden weitere Anlässe sein, an denen die Jugendlichen erreicht werden sollen.
Und dass eine abgeschlossene Berufslehre den Start zu einem erfolgreichen Berufsleben darstellen kann, zeigen nicht nur die sechs Männer aus der Broschüre des HIV, sondern immer wieder unzählige Beispiele aus dem täglichen Berufsleben.

Von Ernst Marti