• Die Huttwilerin Irmgard Bachmann auf dem Bett, in welchem ihr Enkel Ski-Weltmeister Luca Aerni jeweils übernachtete. · Bild: Stefan Leuenberger

27.02.2017
Sport

Das stolze Grosi des Ski-Weltmeisters

Irmgard Bachmann, Huttwil – Irmgard Bachmann wohnt in Huttwil und ist das Grosi von Skifahrer Luca Aerni (Grosshöchstetten), der an der Ski-WM in St. Moritz sensationell Kombinations-Weltmeister wurde. Die 79-Jährige ist aber auch das Grosi von Kevin Heiniger (Schwarzenbach), einem der besten Sportkletterer der Schweiz. Der «UE» besuchte das Grosi, das vor Stolz förmlich platzt.

Ski · «Stolz ist nur der Vorname. Was Luca geleistet hat, ist sagenhaft», frohlockt Irmgard Bachmann. Die 79-jährige Huttwilerin ist das Grosi des Überraschungsweltmeisters von St. Moritz. Der 23-jährige Luca Aerni stand nie auf einem Weltcuppodest. An der WM in St. Moritz fährt er in der Abfahrt auf den 30. Rang – und anschliessend mit einem gigantischen Slalomlauf zum Weltmeistertitel in der Kombination. «Dieses Slalomrennen vergesse ich niemals. Ich war daheim vor dem Fernseher keine Sekunde ruhig. Mit jedem Fahrer, der an Lucas Zeit scheiterte, wurde ich noch kribbeliger.» Und dann stand es fest: Greenhorn Luca Aerni aus Grosshöchstetten im Berner Mittelland ist Sensations-Weltmeister in der Kombination, da selbst der Kronfavorit Marcel Hirscher aus Österreich um eine Hundertstelsekunde scheiterte. «Ich konnte es kaum fassen. Ich war so stolz und so glücklich für Luca. Aber einen solchen Krimi darf er nicht mehr bieten, dies halte ich nicht aus. Und ich möchte doch 100 Jahre alt werden», witzelt das «Huttu»-Grosi vom Weieracker-Quartier, welches an unzähligen Junioren- und FIS-Rennen von Luca am Skipistenrand mitfieberte. Nicht aber an der WM in St. Moritz bei seinem bisher grössten Triumph. «Altershalber. Und weil ich den Rummel und viele Leute auf engem Raum nicht so vertrage.»

Sportliche Vorfahren
Seit jeher verfolgt Irmgard Bachmann das Leben und insbesondere die Sportkarrieren ihrer insgesamt sechs Grosskinder. Überall in ihrer Wohnung hängen Fotos und Poster. Sie sammelt jeden Zeitungsartikel, der über den erfolgreichen Nachwuchs verfasst wird. Stolz zeigt sie die unzähligen Schnipsel. «Es wäre doch nicht normal, wenn ich diese Andenken nicht sammeln würde.» Die sportlichen Fähigkeiten wurden vererbt. «Sie haben den Sport in die Wiege gelegt bekommen», sagt Bachmann. Ihr Vater, der Urgrossätti der Kids, war eine Sportskanone. Eugen Göggel wurde 1943 Deutscher Meister im Kunstturnen. Irmgard Bachmann ist gebürtige Deutsche. In der Westschweiz lernte sie ihren späteren Ehemann Heinz kennen, ein gelernter Webermeister. 1970 zügelte das Ehepaar nach Huttwil. Allerdings konnte nur Irmgard Bachmann, die als Hausfrau und später als Verkäuferin im Huttwiler Schuhhaus Hügli tätig war, die Grosskinder der drei Töchter Monika, Silvia und Yvonne aufwachsen sehen. Ihr Ehemann verstarb 1976 an einem Herzinfarkt. «Eine schwere Zeit.» Ihre Töchter standen ihr bei. Irmgard Bachmann fasste neuen Lebensmut. Zwölf Jahre später fand sie in Werner Burkhalter einen wunderbaren Lebenspartner. «Er teilt meine Interessen. Als Luca Weltmeister wurde, hatte Werner einen Termin beim Augenarzt. Ich informierte ihn per SMS darüber. Er dachte, ich sei übergeschnappt», lacht Bachmann.

Schöne gemeinsame Erlebnisse
Irmgard Bachmann besuchte Aernis erst in Crans-Montana, wo sie bis 1997 lebten, und dann in Grosshöchstetten oft. «Luca war stets ein aufgestellter Bursche.» Und der am 27. März 1993 geborene Sohn von Silvia  Aerni (früher Skilehrerin, heute Sportlehrerin) und Jean-Charles (früher Bergführer- und Skilehrer) freute sich stets, wenn er bei seinem Grosi sein konnte. «Er war oft hier in Huttwil zu Besuch. Es war eine schöne Zeit», erinnert sich sein Grosi. Gesellschaftsspiele wie «Eile mit Weile» oder Spazier- und Abenteuergänge in den nahen Wald standen oft auf dem Programm. Die Augen der aktiven und noch sehr rüstigen «5-Uhr-Turnerin» im TV Huttwil – dies seit genau 43 Jahren –  leuchten, wenn sie die Kindheit von Luca Aerni aufleben lässt. «Wenn Luki, wie ich ihn oft nannte, ein Pferd sah, rief er immer «Gosi es Oss», weil er den Buchstaben R noch nicht aussprechen konnte.» Natürlich waren auch Lucas Geschwister Damiano und Fabia oft bei ihrem Grosi. Wie auch Nicole, der Nachwuchs der ältesten Tochter Monika Späti aus Sumiswald. Oder Kevin und Jana Heiniger, die Kinder der in Schwarzenbach bei Huttwil wohnhaften Tochter Yvonne Heiniger. «Auch den Werdegang von Kevin habe ich mit Freude genau mitverfolgt. Es ist beeindruckend, wie er es in dieser Filigran-sportart an die Spitze schaffte», freut sich das stolze «Huttu»-Grosi. Kevin Heiniger ist wie sein Cousin Luca Aerni 1993 geboren, Mitglied der Schweizer Nationalmannschaft im Sportklettern und mehrfacher Schweizermeister. «Luca mag das Klettern auch sehr. Beim gemeinsamen Bouldern in der Natur – die beiden Jungs verstehen sich blendend – kann Kevin viel von seinem Können an Luca weitergeben», erzählt Irmgard Bachmann. Mittlerweile sind die Grosskinder flügge geworden. «Dies ist auch gut so. Trotzdem sehen wir uns an Familienfesten wie Geburtstagen oder Weihnachtsfesten oder eben an Sportanlässen regelmässig. Oder wir stehen per SMS oder Telefonat in Kontakt.»

Umarmung wichtiger als Goldmedaille
«Ich bin wahnsinnig stolz auf die beiden Topsportler. Aber eigentlich ist es mir egal, ob sie im Sport Bäume ausreissen oder nicht. Ich hab sie einfach gerne – genau gleich wie alle anderen Grosskinder auch.» Was das «Huttu»-Grosi mit dieser Aussage meint, zeigt das Beispiel vom grossen Weltmeister-Empfang in Grosshöchstetten. «Ich war da. Es war ein wunderbarer Empfang. Ich wollte aber nicht die Goldmedaille – die ich bis heute noch nicht vor Augen bekommen habe – sehen. Ich war glücklich, Luki endlich in den Arm nehmen zu können», erklärt die Strahlefrau. Zuvor musste Irmgard Bachmann mit der heutigen Technik Vorlieb nehmen. Nach dem Triumph nahm sie ihr Handy und verfasste  eine SMS: «Heya liebe Luca. Das hast du ja super gemacht. Ich gratuliere dir ganz herzlich zum Weltmeister. Bin fest stolz auf dich. Bis bald. En liebe Gruess vom Grosi.» Eine Botschaft von Herzen. 

Von Stefan Leuenberger