• Das Bobteam von Clemens Bracher während einer der ingesamt drei WM-Läufen im Eiskanal von Königssee. · Bild: Keystone

02.03.2017
Sport

Den Kopf nicht ganz frei bekommen

Viererbob-WM in Königssee – Die WM-Premiere von Bobpilot Clemens Bracher aus Wasen verlief durchzogen. Viel dafür konnte der 30-jährige Emmentaler aus Wasen allerdings nicht. Kurz vor dem WM-Start wurde ihm der beste Anschieber entzogen. Schliesslich beendete das Bracher Bobteam die Viererbob-WM auf dem 22. Rang. Das grosse Ziel, sich für die Olympischen Spiele 2018 in Südkorea zu qualifizieren, bleibt.

Bob · Es kam vor der Welttitelkampf-Premiere von Bobpilot Clemens Bracher aus Wasen gleich faustdick. Die grosse Vorfreude auf die Viererbob-WM in Königssee verwandelte sich in Frust und Enttäuschung.  Was war geschehen? Thomas Amrhein, der Stamm-Anschieber von Bobpilot Rico Peter – seine Wurzeln liegen in Luthern –, verletzte sich am Oberschenkel und fiel wenige Tage vor der WM aus. Bei der nötig gewordenen Rochade sprach der Schweizer Verband «Swiss Sliding» ein Machtwort. Auf Geheiss der Verantwortlichen musste der zweite Schweizer Pilot Clemens Bracher seinen besten Hintermann Michael Kuonen an das Team von Rico Peter abtreten. Dies sorgte für Wirbel – und Kopfschütteln im Team Bracher.

Die Geschehnisse nicht verdaut
«Rückblickend gesehen muss ich mir eingestehen, es nicht geschafft zu haben, den Kopf für das Rennen frei zu bekommen», sagt der 30-jährige Emmentaler, der erst seit der Saison 2014/15 als Pilot aktiv ist. «Ich konnte das Geschehene nicht ausblenden und so in der Bahn nicht 100-prozentig meine Leistung abrufen. Dies tut mir für mein Team leid.» Der gravierendste Fahrfehler unterlief Clemens Bracher, der anstelle von Michael Kuonen mit dem Holländer Bror van der Zijde aus dem Peter-Team antrat, bereits im ersten Lauf am Samstag. Die Einfahrt und auch Durchfahrt der heiklen Schlangengrube missriet komplett. Die vielen Schieber als Folge davon wirkten sich zeitlich negativ aus. «In allen sechs Trainingsfahrten habe ich diese Schlüsselstelle problemlos gemeistert. Ausgerechnet im Ernstkampf missriet sie mir komplett.»
Mit dem 24. Rang nach dem ersten Lauf war die WM für den Debütanten eigentlich bereits gelaufen. «Ich brach mir damit das Genick. Auf dem 20. Rang hätte ich im zweiten Lauf bei besten Eisverhältnissen als Erster in die Bahn können. So musste ich aber 23 Schlitten abwarten», bedauert Bracher.

Der zweite Lauf war gut
Mit dem zweiten Durchgang durfte Bracher allerdings zufrieden sein. Auf Rico Peter verlor Bracher bloss 0,13 Sekunden. «Dieser Lauf passte», sagt Bracher. Dafür folgte im dritten Durchgang am Sonntag wieder ein Fehler in den heiklen S-Kurven. Damit war die Chance, auch im vierten Lauf der 20 besten Schlitten noch dabei zu sein, dahin. Nach drei Läufen endete für den Emmentaler Piloten die Viererbob-WM-Premiere vorzeitig auf dem 22. Rang. Was in allen drei Läufen passte, war der Start. Dort war Bracher dem ersten Schweizer Schlitten praktisch ebenbürtig. «In Innsbruck bei meinem ersten Weltcuprennen ist mir fast alles gelungen. Nun an der WM hat etliches nicht gepasst. Ich muss aus dem ganzen Wirbel und dem an-
schliessenden Wettkampf an meinen ersten Welttitelkämpfen das Positive mitnehmen. Und ich kann an solchen Sachen nur wachsen», zieht Bracher Bilanz.

Verhältnis zu Rico Peter litt nicht
Trotz den unschönen Geschehnissen ist das Verhältnis mit Rico Peter ungebrochen gut. «Er kann nichts für den Entscheid des Verbandes. Wir haben es sehr gut miteinander. Im Sommer planen wir eine gemeinsame Vorbereitung auf die Olympiasaison», verrät Bracher. Obwohl das Bobteam Bracher diese Saison keine Wettkämpfe mehr bestreitet, gibt es noch Bobfahrten. Mit einem zweiwöchigen US-Trip und Testfahrten auf den Bahnen in Whistler und Lake Placid beginnt am Sonntag bereits die Vorbereitung der Saison 2017/18. Anschliessend gibt es nur wenige Wochen Pause, ehe die Männer von Clemens Bracher mit dem harten Athletic- und Krafttraining starten. Es gilt, die Olympiasaison bestmöglich vorzubereiten. Und Clemens Bracher möchte in Pyeong Chang für die Schweiz an den Start gehen. Dafür tut er alles. Er schluckt sogar mehr als fragwürdige Entscheide von oben.   

Auszug aus der Rangliste: Viererbob-WM (32 Klassierte): 1. Francesco Friedrich, Deutschland, und Johannes Lochner, Deutschland, beide 3:14,10; 3. Nico Walther, Deutschland, 3:14,26; 15. Rico Peter, Schweiz I, 3:15,67; 22. Clemens Bracher, Schweiz II, 2:27,43 (nur drei Fahrten). Vergleich: Rico Peter nach drei Fahrten 2:26,50.

Von Stefan Leuenberger