• Eine «historische» Generalversammlung der Emmentaler Schaukäserei (von links): VR-Präsident Kurt Nüesch, VR-Vizepräsident Josef Wyss und Geschäftsführer Frank Jantschik. · Bild: Leroy Ryser

23.06.2017
Emmental

Die Schaukäserei ist gerettet – Jetzt geht es mit Vollgas in die Zukunft

Die Aktionäre der Schaukäserei Affoltern haben grossmehrheitlich einem Kapitalschnitt sowie einer Kapitalbeschaffung zugestimmt. Dadurch werden die Bilanzverluste getilgt und die Grundlage für eine aussichtsreiche Zukunft gelegt. In den nächsten Monaten sollen nun Aktien im Wert von mindestens zwei Millionen Franken gezeichnet werden.

Affoltern · Nach der Generalversammlung vermeidet der Verwaltungsratspräsident Kurt Nüesch das Wort «gerettet» in Zusammenhang mit der Schaukäserei. Er hält sich bedeckt, spricht von einem sehr guten Weg und dem entscheidenden Schritt. Die Entscheide, die getroffen wurden, seien für die Schaukäserei von grosser Bedeutung. «Ich bin mit dieser Mission vor einem Jahr noch einmal als Präsident angetreten. Jetzt haben wir grünes Licht zur Realisierung», erklärt er mit Genugtuung und Freude.

Positiver Blick in die Zukunft
Rückblende: Vor rund fünf bis sechs Jahren hatten die Verantwortlichen der Schaukäserei AG eine Sitzung. Man könnte sie praktisch «Krisensitzung» nennen, kommentiert Nüesch heute. Die Zukunft des Betriebes war in Gefahr, ein Plan musste herausgearbeitet werden, um die Schaukäserei vor der drohenden Insolvenz zu retten. Dieser sah vor, dass sich die Sortenorganisation Emmentaler Switzerland finanziell stärker beteiligt, damit Investitionen in Produktion und Besucherführung getätigt werden können. Ebenfalls sollten sie sich in der Betriebsführung engagieren.
Nach zahlreichen Schwierigkeiten und Verzögerungen wurde am 20. April dieses Jahres der erste Grundstein für diese Beteiligung gelegt (Der «UE» berichtete). An der Delegiertenversammlung sprach sich die Sortenorganisation für diese Beteiligung aus. Was es jetzt noch brauchte, war die Zustimmung der Aktionäre der Schaukäserei, die einem Schnitt des Aktienkapitals sowie einer darauffolgenden Erhöhung zustimmen mussten. «Die heutige Ausgangslage», sagte Kurt Nüesch zum Start der dafür entscheidenden Generalversammlung vom vergangenen Mittwoch, «gibt uns die Möglichkeit, positiv nach vorne zu blicken. Wir sind auf einem sehr guten Weg.» Geschäftsführer Frank Jantschik sollte später sogar von einem historischen Moment für das Unternehmen sprechen.

Umsätze gestiegen
Bevor das entscheidende Traktandum sieben zur Verhandlung stand, wurden weitere Programmpunkte abgearbeitet. Es wurden das Protokoll der letzten GV, der Jahresbericht und auch die Jahresrechnung genehmigt. Bei der Jahresrechnung steht ein Jahresverlust von rund 116 000 Franken zu Buch. Kurt Nüesch betitelte die Rechnung auch deshalb als Wermutstropfen, weil die schwarze Null somit weiterhin nicht erreicht werden konnte. Im Vergleich zum Vorjahr konnte das operative Ergebnis jedoch verbessert werden. Weil damals das Gasthaus Löwen an die Gemeinde verkauft wurde, war einzig das Schlussresultat bessergestellt. «In den Bereichen Gastronomie, Besucher und dem Käsefachgeschäft konnten wir im Vergleich zum Vorjahr unsere Umsätze steigern», begründete Jantschik. Das dennoch negative Rechnungsergebnis wurde schliesslich ohne Wiederrede und Gegenstimmen dem Bilanzverlust zugeschrieben. Dieser betrug per 31. Dezember 2016 über 2,1 Million Franken.

«Korrektur» um 60 Prozent
Um diesen Verlust zu tilgen, beantragte der Verwaltungsrat unter dem siebten Traktandum einen Kapitalschnitt. Dieser sieht vor, den Nominalwert jeder Aktie um 60 Prozent von 500 auf 200 Franken zu kürzen. Faktisch hat die Aktie aber längst nicht mehr ihren ursprünglichen Wert, sodass dieser Schritt vielmehr einer Korrektur als einem Schnitt gleicht. In der Folge soll eine ordentliche sowie eine genehmigte Kapitalerhöhung durchgeführt werden. Erstgenannte dient zur Zeichnung von Aktien zwischen zwei und drei Millionen, damit die Schaukäserei an neues Geld gelangt. Weil bei der ordentlichen Kapitalerhöhung sämtliche Aktieninhaber erneut zeichnungsberechtigt sind, um ihren Anteil am Unternehmen gleich zu halten, könnte der Fall eintreffen, dass die neu stärker einsteigende Sortenorganisation Emmental Switzerland nicht genügend Aktien erwerben kann. Die insgesamt 1,5 Millionen Franken sollen nachher in einer genehmigten Kapitalerhöhung von maximal einer Million investiert werden. Dafür hat der Verwaltungsrat eine zweijährige Frist erhalten.
Faktisch gesehen fehlen für die Mindestmarke der Kapitalerhöhung von zwei Millionen noch 500 000 Franken, für welche Kurt Nüesch bei weiteren potenziellen Käufern «lose, aber nicht definitive Zusagen» erhalten hat. Maximal könnte die Schaukäserei mit diesem Schritt vier Millionen Franken an neuem Kapital erhalten, die Hoffnungsmarke steht aber eher bei 2,5 Millionen. Mit einer Statutenänderung sollte das Traktandum sieben schliesslich abgeschlossen werden.

Grossmehrheitliches Ja
Schritt für Schritt haben die Aktionäre den Vorhaben des Verwaltungsrates schliesslich zugestimmt. Im gut gefüllten Saal der Schaukäserei stimmten jeweils nur drei Aktionäre gegen die Anträge des VR, weitere drei enthielten sich. «Ich stelle ein grossmehrheitliches Mehr fest», kommentierte Kurt Nüesch zufrieden nach jedem Teilantrag, ehe er zum Schluss durchatmete und verkündete: «Das gibt uns die Voraussetzungen, um Vollgas für die Zukunft zu geben.» Wird die budgetierte schwarze Null auf der Jahresrechnung künftig konstant erreicht, so ist die Schaukäserei mit diesen Schritten langfristig gerettet. Die noch fehlenden 500 000 Franken an neuem Aktienkapital dürften kein unüberwindbares Hindernis sein, die Aufbruchsstimmung sowie die ständige Verbesserung der Jahresresultate tragen zu berechtigt positiven Hoffnungen für die Zukunft bei. Den Weg geebnet haben die Aktionäre, die darauf verzichten, ihre früher in die Schaukäserei investierten finanziellen Mittel zurückzuerhalten. Denn mit dem Kapitalschnitt haben sie sich den bereits stattgefundenen Wertverlust ihrer Aktie eingestanden und auf eine entsprechende Rückerstattung verzichtet.
Das ebnet einen weniger steinigen Weg für die Schaukäserei. «Dividenden werden wir in näherer Zeit wahrscheinlich noch nicht ausschütten», kommentierte Kurt Nüesch mit einem Lachen, ergänzte aber später, dass der Verwaltungsrat über ein Rabattsystem diskutiert, das den Aktionären auch als Dank ihres Einsatzes den Besuch der Schaukäserei entsprechend ihren Beteiligungen vergünstigen soll. Planungen werden bereits nächste Woche in einem entsprechenden Workshop vom Verwaltungsrat in Gang gesetzt. Vorerst lautet der Befehl aber anders: « Vollgas für die endgültige Rettung der Schaukäserei.»

Von Leroy Ryser