• Dieter Sigrist blättert in seinem neusten Werk, dem Bilderbuch «Sumiswald in alten Ansichten». · Bild: Yanick Kurth

28.06.2017
Emmental

Hohe Auszeichnung – Dieter Sigrist ist Ehrenbürger

Erstmals wurde in der Gemeinde Sumiswald das Ehrungsbürgerrecht verliehen: Der heute 63-jährige Dieter Sigrist wurde an der Sumiswalder Gemeindeversammlung zum Ehrenbürger ernannt. Nie im Traum hat der pensionierte Lehrer mit einer solchen Auszeichnung gerechnet. Die Freude war beim Rentner jedoch nicht von Anfang an präsent.

Sumiswald · Gute Laune ist angesagt – und das aus gutem Grunde. Dieter Sigrist wird zum ersten Ehrenbürger in der Gemeinde Sumiswald ernannt. «Ehrenbürger sein ist eine rein emotionale Angelegenheit», so der Gemeindepräsident von Sumiswald, Fritz Kohler. «Der Ehrenbürger erhält eine Urkunde und Sumiswald als seinen neuen Heimatort.» Die Ehrenbürgerschaft bringe für den Ehrenbürger jedoch keine finanziellen Vorteile.
Die Steuerrechnung muss Dieter Sigrist also trotzdem immer noch selbst bezahlen. Über Jahrzehnte hinweg hat sich der pensionierte Lehrer mit viel Herzblut für das Gemeinwohl engagiert und ist auch heute noch aktiv in der Gemeinde tätig. Dies war der Hauptgrund für die Auszeichnung. In seiner Laudatio hob Fritz Kohler die Verdienste des Geehrten hervor, der sich in besonderer Weise um seinen Wohnort Sumiswald und die gesamte Gemeinde verdient gemacht hat. Es ist die höchste Auszeichnung, die eine Gemeinde vergeben kann.

Vierzig Jahre an Sumiswalder Schule
Dieter Sigrist ist in Balsthal geboren und in Ostermundigen und Ittigen aufgewachsen. Ab 1975 arbeitete er als Klassenlehrer an der Mittel- und Oberstufe im Primarschulhaus Sumiswald. Von 2005 bis zu seiner Pensionierung im Jahr 2014 war er Klassenlehrer in der Realstufe Sumiswald. Vier Jahre waltete er zudem als Schulleiter.
«Vier Jahrzehnte an der gleichen Schule entsprachen meiner Arbeitsauffassung und wohl auch meiner Philosophie der Verbindlichkeit.Ich habe es geschätzt, Kinder und Eltern nicht bloss oberflächlich zu kennen, Einfluss zu nehmen und die Schule und die Unterrichtsformen mitentwickeln zu können», erzählt Dieter Sigrist gegenüber dem «Unter-Emmentaler».

Salü Ehrenbürger …
Angefangen hat alles im letzten Jahr. Ein paar Bürgerinnen und Bürger setzten sich dafür ein, dass Dieter Sigrist zum Ehrenbürger ernannt werden sollte. An der Gemeindeversammlung im Dezember wurde dieser Antrag als «erheblich» behandelt. Anschliessend musste sich der Gemeinderat damit befassen. Von der Sumiswalder Gemeindeversammlung wurde Dieter Sigrist nun offiziell zum Ehrenbürger ernannt. Trotz grosser Freude hatte Dieter Sigrist im Vorfeld auch einige Bedenken. «Von Anfang an war ich nicht sicher, ob ich dies auch wirklich verdient habe. Meine Gedanken rotierten.» Hinzu kam: Es ist die erste Ehrungsbürgerschaft in der Gemeinde Sumiswald. Nicht wissend, was ein Ehrenbürger überhaupt genau ist, recherchierte der pensionierte Lehrer im Internet. Hauptsächlich Bundesräte und ranghohe Politiker werden ausgezeichnet.
Etwas Bammel hatte der 63-Jährige vor der Ernennung zum Ehrenbürger schon. «Fritz Kohler übergab die Urkunde jedoch in einem für mich angenehmen Rahmen.»
Seither wird er auf der Strasse viel angesprochen. «Salü Ehrenbürger» oder «Komm wir gehen gemeinsam ein Kaffee trinken – ich konnte noch nie einem Ehrenbürger etwas bezahlen.» Auch zahlreiche Mails und Karten sind beim Rentner eingegangen. «Die Gemeinde machte dies, um mir eine Freude zu bereiten. Es ist ein unglaublich grosses Geschenk, welches ich mit viel Freude entgegennehme».

Oft im Garten anzutreffen
Seit seiner Pension ist er häufig im Garten anzutreffen und viel auf Reisen unterwegs. «Im Garten ist meine Frau Silvia die Chefin – ich bin Mitarbeiter, füge mich und lasse mich gerne einsetzen.» Nach vier Jahrzehnten fühlt sich der frischgebackene Ehrenbürger hier in Sumiswald zu Hause. Nach seiner Pensionierung brachte er zusammen mit der Gemeinde Sumiswald einen Bildband heraus: «Die Gemeinde Sumiswald in alten Ansichten». Vor 35 Jahren hat Rudolf Schneider-Edelmann unter dem Titel «Sumiswald in alten Ansichten» ein Büchlein mit Ansichtskarten und Fotos aus der Geschichte der Gemeinde zusammengestellt. Es erschien in einem holländischen Verlag und ist inzwischen nur noch antiquarisch erhältlich.
Ende Oktober 2016 ist nun ein Nachfolgewerk erschienen, das Interessierte mit über 200 Fotografien zu einem Rundgang durch die ganze Gemeinde Sumiswald einlädt. Zur Hauptsache stammen die zum Teil noch nie veröffentlichten Aufnahmen aus dem Zeitraum von 1890 bis 1940. «Das Bilderbuch habe ich in anderthalb Jahren erarbeitet, aber auch in diesem Fall mit kürzeren oder längeren Unter-brüchen.»
Das Suchen, Recherchieren, Grübeln und Sortieren hat dem 63-Jährigen bisher immer Spass gemacht, das Schreiben und «In-die-richtige-Form-bringen» sowieso. Für die Zeiteinteilung war er immer selbst verantwortlich und in diesem Sinn nie unter Druck. Das Bilderbuch soll beim Betrachten Freude bereiten und Gespräche auslösen – und vielleicht bei den einen oder andern den Wunsch wecken, selber wieder einmal im familiären Umfeld auf Foto-Entdeckung
zu gehen.

«Chlyni Büni» geht zu Ende
Im Jahr 1982 hat Dieter Sigrist zusammen mit seiner Ehefrau Silvia die  «Chlyni Büni» in Sumiswald ins Leben gerufen. Es galt, die Kultur nach Sumiswald zu holen. Bis heute wurden dort über 300 Anlässe verzeichnet. Same time, same place, same band – beinahe auf den Tag genau 35 Jahre nach dem allerersten Anlass verabschiedet sich die «Chlyni Büni» aus der Sumiswalder Kulturszene. Nicht einfach so, sondern mit einem feinen Jazz-Brunch im grossen Festsaal des Sumiswalder Bären. «35 Jahre sind genug – die Sache ist sehr zeitaufwändig», erzählt Sigrist.
Die Longstreet Jazzband aus Bern wird nochmals auftreten. Speziell: Genau sie war es, die Ende August 1982 an der Premiere der «Chlyne Büni» ihre Songs zum Besten gab. Finanziert wurde das Projekt «Chlyni Büni» von Hunderten von Gönnerinnen und Gönnern. So kam das kulturbegeisterte Ehepaar Sigrist über die Runden. «Wir waren kein Verein und erhielten keine Gemeindebeiträge.» Im Moment zählen noch 245 Mitglieder zu ihren treuen Gönnern. Dieter Sigrist wird seinen Gönnern empfehlen, dass sie sich neu der Kulturei Region Sumiswald anschlies-sen können, wenn sie möchten. Diese besitzen neu einen Leistungsauftrag und erhalten Gelder von der Gemeinde. «Eine richtig tolle Sache», so Dieter Sigrist.

«Streiflichter» wurde zum Renner
Im Jahr 2006 wurde das Gemeindebuches «Streiflichter» herausgegeben. Das Interesse für das Fach Geschichte als solches hält sich bei Dieter Sigrist in Grenzen. Die Lokalgeschichte dagegen fasziniert ihn sehr, weil sie näher, greifbarer und «erlebbarer» sei. Vieles sei direkt nachvollziehbar, man habe eine Beziehung dazu. Als Lehrer befasste er sich schon bald mit der Lokalgeschichte, der Siedlungsgeschichte und der Entwicklung der Gemeinde. Dabei ist ihm aufgefallen, dass die Gemeinde zwar über zahlreiche, sehr gute schriftliche Quellen verfügt – alle sind sie aber sachbezogen und auf ein bestimmtes Thema beschränkt. Die «Streiflichter» entstanden aus dem Bedürfnis heraus, das vorliegende Material umfassend in einem Buch zu vereinen.
Bei der Arbeit am Gemeindebuch «Streiflichter» waren für den Ehrenbürger zahlreiche und gute Illustra-tionen ein wichtiges Anliegen. Das Gemeindebuch erfüllt seinen Zweck als umfassendes Nachschlagewerk mit dem Wichtigsten aus Sumiswalds Vergangenheit. Wer mehr wissen möchte, kann dank der Quellenangaben selber weiterforschen. Mitgearbeitet haben zahlreiche Autorinnen und Autoren. «Am Gemeindebuch habe ich jahrelang gearbeitet – übrigens mit Hilfe einiger ebenfalls interessierter Frauen und Männer, die zu einzelnen Kapiteln recherchiert und getextet haben.»

Langweilig wird es dem Ehrenbürger auch in Zukunft nicht
Zwei weitere Projekte hat der nun zum Ehrenbürger ernannte Sumiswalder im Zusammenhang mit Sumiswalds Vergangenheit noch «im Hinterkopf».
Die einmalige und wunderbare Foto-Reportage von Walter Studer und Fredo Meyer-Henn aus den 1960er-Jahren müsste endlich – so wie es die beiden Fotografen ja geplant hatten – in Buchform erscheinen.
Pfarrer Rudolf Fetscherins «Versuch einer Topographie der Gemeinde Sumiswald von 1826» ist eine herrliche und detailreiche Beschreibung der Gemeinde Sumiswald. Diese sollte spätestens zum 200-Jahr-Jubiläum in gut verständlicher Sprache vorliegen. Dieter Sigrist wird auch in Zukunft weiter aktiv für die Gemeinde Sumiswald tätig sein und dabei Stück für Stück Geschichte schreiben – genau wie ein Ehrenbürger eben.

Von Yanick Kurth