• Sie prägten mit ihren Referaten den Anlass der Regionalkonferenz Emmental: André Holenstein (links) und Manuel Haas. · Bild: Walter Ryser

23.10.2017
Emmental

Integration braucht einen langen Atem

Mit dem Thema Integration befasste sich der Herbstanlass der Regionalkonferenz Emmental. «Integration benötigt einen langen Atem. Im Schnitt dauert es zehn Jahre bis ein Migrant oder Flüchtling in unserem Arbeitsmarkt vollständig integriert ist», lautet das Fazit von Manuel Haas, Abteilungsleiter im Sozialamt des Kantons Bern.

Oberburg · Josef Jenni, Geschäftsleiter Jenni Energietechnik AG in Oberburg, war Gastgeber des diesjährigen Herbstanlasses der Regionalkonferenz Emmental. Bei seiner Grussbotschaft an die zahlreich erschienenen Gemeinde- und Firmenvertreter griff Jenni das Thema des Abends: «Integration – Nutzen und Grenzen für die Emmentaler Wirtschaft» gleich auf. Jenni gab zu bedenken, dass wir Europäer an der aktuellen Flüchtlings-Situation nicht unschuldig sind. «Das hat nicht zuletzt mit unserer Gier nach Rohstoffen zu tun.». Der «Solarpapst», wie man Jenni auch nennt, glaubt sogar, dass die aktuelle Migrations-Bewegung «nur der Anfang eines richtig grossen Sturms» ist. Man müsse sich bewusst sein, dass wir in einem privilegierten Teil der Welt leben würden. «Gleichzeitig sollten wir uns auch immer wieder vor Augen halten, dass auch wir zu Flüchtlingen werden können.» Die aktuelle  nukleare Bedrohung, aber auch Naturkatastrophen könnten uns dazu machen. Jenni wollte mit diesen Aussagen die Anwesenden gleich zu Beginn für das Thema Migration und Integration sensibilisieren und Verständnis für die Lage der Flüchtlinge wecken.

Anhaltend hohe Einwanderung
Anschliessend gewährte Professor Dr. André Holenstein vom Historischen Institut der Universität Bern einen interessanten Einblick in die Schweizer Migrations-Geschichte. Er wies darauf hin, dass die Geschichte unseres Landes auch eine Geschichte der Migration sei, nicht erst seit dem 20. Jahrhundert, sondern schon immer eine gewesen sei. Holenstein betonte, dass Völkerwanderungen stets am Anfang von zukunftsträchtigen Entwicklungen stünden. «Das starke Wachstum im 19. Jahrhundert in unserem Land wäre ohne ausländische Einwanderer nie möglich gewesen», hielt Holenstein weiter fest. Er riet deshalb zu einem entspannteren Umgang mit dem Thema Migration und gab abschlies-send zu bedenken: «Ohne Einwanderung wären wir heute gar nicht mehr in der Lage, unser hochentwickeltes Land auf diesem Level weiter betreiben zu können.»
Wie im Kanton Bern die Integration von ausländischen Personen in den Arbeitsmarkt funktioniert, erläuterte Manuel Haas, Kantonaler Integrationsdelegierter und Abteilungsleiter im Sozialamt des Kantons Bern. Integration finde nicht in seinem Amt statt, erwähnte er zu Beginn seines Referats. Integration geschehe stets in den Schulen, am Arbeitsplatz, im Wohnquartier, «einfach überall dort, wo sich Menschen begegnen.» Haas wies darauf hin, dass man auch im laufenden Jahr eine hohe Einwanderung verzeichne. Im ersten Halbjahr 2017 habe man bereits 63 830 Personen registriert. Aktuell seien in der Schweiz rund zwei Millionen Personen mit einem ausländischen Pass beheimatet (rund 25 Prozent der gesamten Schweizer Bevölkerung). Damit verfüge die Schweiz im europäischen Vergleich über einen recht hohen Wert.

Zusammenarbeit mit der Wirtschaft stärken
Haas skizzierte danach die Ausgangslage für den Kanton Bern im Bereich von Migranten und Flüchtlingen und gab zu verstehen, dass man eine möglichst rasche Arbeitsintegration sowie eine längerfristige wirtschaftliche Selbständigkeit von Sozialhilfebezügern, vorläufig Aufgenommenen und anerkannten Flüchtlingen anstrebe. Erreichen wolle man diese ambitiöse Zielsetzung mit einer verstärkten Zusammenarbeit mit der Wirtschaft, aber auch mit einer möglichst frühen Arbeitsmarktintegration sowie der Nutzung von Synergien aller Angebote im Bereich der Arbeitsintegration. Bei der Umsetzung stehe man allerdings vor grossen Herausforderungen, betonte Haas, der darauf hinwies, dass Sozialhilfebezüger in der Regel tief-qualifiziert und teilweise langzeitarbeitslos seien oder gesundheitliche Einschränkungen aufwiesen. «Personen im Flüchtlingsbereich dagegen verfügen oft über wenig fachliche Kompetenzen und dazu über geringe Sprachkenntnisse.» Bei 71 Prozent der Flüchtlinge habe man im Bereich des Sprachniveaus eine Ausgangslage, die bei nahezu null Kenntnissen liege. Für Haas ist deshalb klar: «Um die Menschen in unseren Arbeitsmarkt zu integrieren, benötigen wir einen langen Atem. Im Schnitt dauert es rund zehn Jahre, bis eine Person vollständig in unseren Arbeitsmarkt integriert ist, erwähnte Manuel Haas. Deshalb wolle man die Zusammenarbeit mit der Wirtschaft stärken. Die Arbeitgeber sollen künftig noch besser informiert und vermehrt unterstützt werden bei der Information ihrer ausländischen Arbeitnehmer. Das Verfahren für Unternehmen im Bereich der vorläufig Aufgenommenen und Flüchtlinge müsse vereinfacht werden. Aus diesem Grunde habe man die temporäre Arbeitsgruppe «Arbeitsintegration mit der Wirtschaft» gebildet, die seit September aktiv sei.
Eva Jaisli, CEO PB Swiss Tools, Wasen, und Thomas Binz, Geschäftsführer der Aeschlimann Sanitär AG in Burgdorf, schilderten abschliessend ihre Erfahrungen bei der Integration von ausländischen Migranten und Flüchtlingen in den Arbeitsmarkt. «Für uns war von Anfang an klar, dass wir zu wenig Leute aus der näheren Umgebung rekrutieren können», erläuterte Jaisli die Beweggründe, Flüchtlinge für ihr Unternehmen zu rekrutieren. Dabei habe sie sich von sozialen Beweggründen leiten lassen.  «Es ist meiner Meinung nach ganz wichtig, dass wir in diesen Zeiten zueinander schauen und füreinander da sind.»
Thomas Binz wiederum schilderte, wie man in seinem Betrieb einen Eritreer sowie einen Serben integriert habe. Dabei stelle er fest, dass sich die beiden oft stärker mit dem Betrieb identifizieren würden als einige langjährige Mitarbeiter. Er könne diese Form der Integration nur empfehlen, beide Seiten hätten profitiert. «Auf alle Fälle haben wir dabei nichts verloren oder eingebüsst», betonte Thomas Binz. Bei der Integration von Migranten und Flüchtlingen sei eine Vorgehensweise zentral, betonte Eva Jaisli zum Schluss: «Es geht hier nicht um geschützte Arbeitsplätze. Bei uns wird niemand geschont. Im Gegenteil, wir haben gewisse Erwartungen an diese Menschen und diese müssen erfüllt werden.»

Von Walter Ryser