• Pirat vor Sensenmann – Regierungsratskandidat Alfred Blaser posiert im heimischen Dorf für Wahlwerbung. · Bild: Leroy Ryser

09.02.2018
Emmental

«Lützelflüh-Pirat» will in den Berner Regierungsrat

Alfred Blaser ist der einzige Regierungsratskandidat aus dem Verbreitungsgebiet des «Unter-Emmentaler» – und dazu noch ein aussergewöhnlicher. Der Lützelflüher kandidiert nämlich für die noch wenig bekannte Piratenpartei und will damit deren Anliegen besser publik machen.

Lützelflüh · Viele Chancen rechnet sich Alfred Blaser wahrlich nicht aus. Möglich scheint zwar alles, realistisch gesehen wird er wohl aber nicht mit einem Sieg aus seinem persönlichen politischen Abenteuer hervorgehen. «Ich hoffe aber dennoch, dass ein Pirat gewählt wird», sagt der 41-Jährige. Gerade aber weil mit Jorgo Ananiadis noch ein bekannterer und auf der Liste besser platzierter zweiter Kandidat ins Rennen steigt, dürfte Blaser viel eher zum allgemeinen Stimmen-Sammeln beitragen. Und trotzdem: Einfach nur schweigen will er, wenn es um Politik geht, schon lange nicht mehr. «Alles andere wäre Stammtisch-Gejohle. Das richtige Politisieren beginnt erst, wenn man ein politisches Amt innehat», sagt er, der sich selbst als «links-grün» einschätzt. Auch deshalb kandidiert der Lützelflüher nicht nur für den Regierungsrat, sondern auch für den Grossrat.

Von links bis rechts
Einen Ertrag sollen die Wahlen aber sowieso bringen. Die noch unbekannte Piratenpartei soll in der Schweiz – und in der Region – besser wahrgenommen werden. Schliesslich wollen die Piraten «richtig» politisieren und dafür brauche es Bekanntheit, die zu Sitzgewinnen führen kann. Ohne entsprechende Mandate sei das viel schwieriger. Dabei sei die Partei von links bis rechts wählbar und vertrete wichtige Meinungen. «Wir sind eher in der linken Flanke einzuordnen, aber wir können auch rechte Positionen vertreten, wenn es Sinn macht – im Gegensatz zu anderen Parteien.» Damit vielleicht doch noch das eine oder andere Mandat abgestaubt wird, wirbt die Piratenpartei mit Flyern, Marktbesuchen und Giveaways und benutzt die sozialen Medien.
Gerade mit Facebook, Youtube und Co. sind die Piraten wegen dem Sammeln privater Daten auf Kriegsfuss. Ganz allgemein gehört das Internet mit seinen Tücken deshalb zu den Kernthemen der erst neunjährigen Partei. «Wir sind generell gegen Regulierungen, und gerade im Internet sind sie sinnlos, weil sie dennoch umgangen werden können. Da wird Geld verlocht», erklärt Blaser. «Wir sind für ein freies Internet, stehen aber gegen den Datenklau von diversen Konzernen ein.» Dieser diene nur der Gewinnmaximierung. Beispielsweise Werbung bringt immer Ertrag, Google aber sammelt Daten, um die Werbung zu personalisieren und den Gewinn mit Werbung dadurch zu steigern. «Wir gehen diese Deals ein, weil wir nicht anders können, wenn wir diese Dienste nutzen wollen. Und damit sind wir nicht glücklich.» Diese Erfahrung macht die Partei derweil schweizweit. Die Sitzungen, die alle 14 Tage auf nationaler Parteiebene stattfinden, werden auf Youtube gestreamt. Der Profit durch die bessere Reichweite überwiegt in diesem Falle dem angeprangerten
Datenklau.

Kirche und Staat trennen
Einstehen wollen die Piraten während dem Wahlkampf auch bei weiteren Themen. Eines, das auch Blaser am Herzen liegt, hängt mit Religion und Tradition zusammen. «Wir sind der Meinung, dass man Kirche und Staat trennen muss», erklärt der 41-jährige Velomonteur. Das habe nicht etwa damit zu tun, dass die Parteimitglieder die schweizerischen Werte nicht verteidigen wollen. Sie finden aber, dass getrennt werden muss, was nicht zusammengehört. «Wir wollen nicht etwa die Kirche abschaffen. Aber das ist Privatsache und soll nicht vermischt werden.» Aktuell sei der Staat ein Geldeintreiber für die Kirche, weshalb beide einander beeinflussen. Eine Trennung wäre, so Blaser überzeugt, eine zweiseitige Befreiungsaktion, die gut tun würde.

Mittlerweile 120 Prozent Pirat
Für die potenziellen Wähler hat die Piratenpartei schon länger eine Website eingerichtet, auf der getestet werden kann, wie stark Pirat man ist (www.bin-ich-pirat.ch). Besucher beantworten fünf Fragen und erhalten zuletzt ein Resultat, das prozentual zeigt, wie viel Pirat in einem steckt. Die süffisant geschriebenen Antwortmöglichkeiten führen wohl bei den meisten Teilnehmern zu einem positiven Resultat, womit gerade nach PR-Aktionen neue Mitglieder angelockt werden können. «Ich war damals vor ein paar Jahren fast 90-Prozent-Pirat», erinnert sich Alfred Blaser. Mittlerweile hat er einen Förderverein für Piraten gegründet, engagiert sich ehrenamtlich und läuft nicht selten mit Piratenpartei-T-Shirt und -Flyern durchs Emmentaler Dorf Lützelflüh. «Heute bin ich 120 Prozent Pirat», sagt er lachend. Für eine Kandidatur für die Regierungs- und Grossratswahlen ist es daher der richtige Zeitpunkt.

Von Leroy Ryser