• Das Dorftheater überraschte mit spannenden Szenen und erfreute die vielen Besucher mit den Akteuren (von links) Kathrin Leibundgut, Michael Meyer, Patrick Sommer, Christine Meyer, Andreas Meyer, Bernhard Müller, Angelika Wermelinger und Erika Meyer. · Bild: Rolf Bleisch

19.02.2018
Oberaargau

Lustvolle Dorfkultur mit dem Männerchor

Aus Bestehendem Bestes zu ernten, war der Auftrag des Männerchors, und er traf auch auf das Theater «Liebi mit Blächschäden» zu. Beides fügte sich zu einem genüsslichen Abend im Reisiswiler Kulturzentrum zusammen.

Reisiswil · Das 185 Seelendörfchen Reisiswil kann auf eine lange Dorfgeschichte zurückschauen, denn der heute noch landwirtschaftlich geprägte Ort wurde erstmals schon im Jahre 1194 unter dem Namen Richolsiswiller urkundlich erwähnt. Ob schon damals gesungen wurde, ist nicht offiziell bekannt. So weiss man auch nicht genau, wann der Männerchor Reisiswil gegründet wurde. Faktum ist aber, dass der Chor seit 56 Jahren vom ehemaligen Dorflehrer Jakob Willimann geleitet wird und ihm für dessen Klangfarbe noch 14 engagierte Sänger zur Verfügung stehen, die gewillt sind, die traditionsreichen Männerchorkompositionen zu pflegen.
Einem deutlich über der Gürtellinie liegenden und dennoch unterhaltsamen Volkstheater verpflichtet sich auch seit langem die Theatergruppe des Männerchors unter der Leitung von Erika Meyer. Die schon mehrjährige Gemeindepräsidentin und Verantwortliche für das Kulturgeschehen im Dorf engagiert sich mit Erfolg für eine überzeugende Laientheaterkultur und sorgte in der Rolle als Haushälterin für reichlich Spannung auf dem «Tannenhof». Als gemeinsames Werk umschrieb sie denn auch die Regieaufgabe, die von allen Mitbeteiligten getragen wird.
Dass Erika Meyer es geniesst, Führungsarbeit zu übernehmen, bewies sie schon als Moderatorin des Männerchorkonzertes und ging in kurzen und prägnanten Fakten auf den Inhalt der vom Chorleiter gewählten Werke ein. Den treuen Konzertbesuchern widmete sie ein schottisches Dankeslied. Der Chor nahm diesen Auftrag bestens an und überraschte die Gäste mit warmen Klängen aus den Kehlen der 14 Männer. Auch Mendelssohn Bartholdy schaffte unvergessliche Chormusik, aus der die Sänger das bekannte Werk «Jäger Abschied», das noch besser unter den Eingangsworten «Wer hat dich du schöner Wald …» bekannt ist. Mit viel Sangeskraft ertönte denn auch die im Eingang des Liedes gestellte Frage. Doch auch in den ruhigeren Takten des Werkes folgte der Chor dem Wunsche des Dirigenten zu sanften Klängen. Der Chor schenkte dem Rhythmus des Werkes grosse Beachtung, denn die Moderatorin umschrieb das mit einem flotten Marsch im Dreivierteltakt. Im klaren Dreivierteltakt stand dann auch das Lied «Bächlein im Schwarzwald» von Karl Heinz Steinfeld. Frühlingsgefühle rund um das Mühlerad trugen weiter zur Attraktivität dieses Liedes bei, das der Chor mit viel Inbrunst vortrug. Weniger frühlingshaft verhielt sich aber am Konzertabend das Wetter mit Regen und Schnee. Trotzdem durfte sich der Chorpräsident Andreas Meyer über die grosse Schar von Konzertbesuchern, bei denen auch die jungen Gäste gut vertreten waren, erfreuen.  Das Konzertthema Abschied und Rückkehr kam dann auch im Wanderlied von E. Honegger voll zur Geltung, und der Chor sang das «Lebewohl» in beinahe Tränen erfüllter Weise. Doch auch dieses Werk fragte nicht nur nach Emotionen, sondern war eine gelungene Herausforderung des Chores in Stellen mit fugenähnlichem Charakter. Auf all die Trauer um den Abschied folgte aber ein festlicher Abschluss. «Ade Frau Müllerin» führte das Abschiedsthema weiter. Noch trauriger gings im Schlusslied mit «Kein Tröpflein mehr» von W. Baumgartner weiter und die Männer fanden nur noch Trost beim kühlen Wein des Klosters. Als Zugabe hielt die Fremde Einzug. Das war ein ebenso trauriger Abschied von zu Hause. Die Sänger beendeten ihren Auftritt aber doch mit freudigen Klängen, in Erwartung einer Rückkehr in die Heimat.

Wozu ein Blechschaden führen kann
Gefühle nach Wehmut, Kränkung und letztlicher Freude schafften die je vier Männer und Frauen auf den Brettern, die zumindest für die Geschichte um «Liebi mit Blächschaden» für einige Momente die Welt auf der Bühne Reisiswil bedeuteten. Und dazu trugen die Schauspieler mit unverwechselbarem Mimikspiel bei. Das bezog sich sowohl auf die erfahrenen Bühnenheldinnen und -helden, wie etwa dem teils verwirrten Toni Hintermann, gespielt von Bernhard Müller, wie bei der starken Nachwuchskraft Babsy, überzeugend gespielt von Kathrin Leibundgut. Mit ihr und Toni begann schliesslich auch die Geschichte um den Blechschaden am neuen Mercedes. Auch Tonis Bühnenpartnerin Marianne litt unter dem seltsamen Verhalten ihres Tonis und fand Trost bei ihrer Schwester Greti. Eine glänzende Rolle spielte auch Hintermanns Sohn Bert, der sich rührend der in pubertärem Stolz wandelnden Babsy annahm. Max, der «Bären»-Wirt, kümmerte sich um den leidgestraften Toni, und der Garagist Fritz Hämmerli, ehemals verliebt in Greti, kümmerte sich des Nachts um die Wiederherstellung des leidlich beschädigten Mercedes. Seine Haushälterin Käthi verfolgte das Geschehen mit äusserst wachen Augen, bis sich die Sache um den Mercedes klärte und die Richtigen sich zu einem glücklichen Ende fanden. Dass der «Bären»-Wirt nichts von der Haushälterin wissen wollte, war aber auch ein Fakt
des unterhaltsamen und gut gespielten Theaters auf der Bühne in Reisiswil. Dorfkultur in schönster Form schafften damit der Chor und die Theaterleute.

Weitere Aufführungen
Morgen Mittwoch, 21. Februar, und Freitag, 23. Februar, jeweils 20 Uhr.

Von Rolf Bleisch