• Beat Jäggi kurz vor Schulschluss im Lehrerzimmer des Oberstufenschulhauses Hofmatt, auf dem Bildschirm ein Foto seiner ersten Sekundarklasse im Jahr 1980. Auf Ende Schuljahr ging der Vollblutlehrer in Pension. Bild: Elsbeth Anliker

28.07.2017
Huttwil

«Man muss fordern, um zu fördern»

Nach 37 Jahren als Vollblutlehrer an der Schule in Huttwil geht Beat Jäggi in Pension. Dass er sich ein halbes Jahr früher

pensionieren liess, hängt nicht etwa mit Frust oder Überlastung zusammen. Mit einem dankbaren Blick zurück

«nimmt er den Hut» und geht.

«Es ist der richtige Zeitpunkt», sagt Beat Jäggi an diesem Abend kurz vor seinem letzten Schultag. Er lächelt und stellt zwei Espresso auf den Tisch in der Schul-Cafetería im Oberstufenschulhaus Hofmatt und betont: «Ich bin hier sehr gerne Lehrer gewesen.» Es sei aber schön, dann gehen zu können, wenn es gut laufe. Jäggi blickt mit Freude und Genugtuung zurück. «Ich würde im Grossen und Ganzen alles wieder genauso machen», sagt der 64-Jährige zufrieden. 

 

Sport ist eine gute Grundschule

Beat Jäggi aber wählte nach dem Gymnasium nicht den direkten Weg zum Sekundarlehrer. Er, der einst neben anderen Sportarten wettkampfmässig und leidenschaftlich Leichtathletik betrieben hatte, entschied sich, Sportlehrer zu werden – was er bis heute nicht bereut hat. «Sport ist ein dankbares Schulfach – und eine gute Grundschule», sagt er. 

Gut mag Beat Jäggi sich noch daran erinnern, wie er als 21-jähriger, frisch ausgebildeter, ideenreicher Sportlehrer seine erste Stelle an der Volksschule in Langenthal antrat. Er turnte auch mit Studenten und Erstklässlern – und gab das Lehrlingsturnen an der Berufsschule Langenthal, als dort das Fach Sport eingeführt wurde. War die Turnhalle besetzt, gingen sie kurzerhand in den Schnee, in den Singsaal oder gar in den Kohlenkeller. «Es war eine strenge – aber spannende und schöne Zeit», schwärmt er fast ein bisschen. Dabei leuchten seine Augen. Beat Jäggi absolvierte anschliessend ein Sekundarlehrerstudium. Nach Praktika und Aushilfen in Huttwil ist er dort im Jahr 1980 angestellt worden – und hat die Sekundarklassen als Klassenlehrer in Mathematik, Geografie und Sport unterrichtet. 

Übrigens, seine Frau Margrit kennt Beat Jäggi seit seiner Jugendzeit, «besuchten wir doch beide in Kleindietwil die gleiche Sekundarklasse», verrät der gebürtige Rohrbacher schmunzelnd. Beat Jäggi hat viele Neuerungen im Schulwesen erlebt – «allerdings ist in der Praxis nicht alles unbedingt umsetzbar gewesen», erzählt er mit einem Lächeln. So hätten sie einmal dem Schulinspektor geschrieben: «Diese Phase überspringen wir.» 

 

Streng, aber gerecht

Der passionierte Lehrer amtete auch als Schulleiter – und seine Worte waren manchmal unbequem. Denn er hat sich nie gescheut, seine Meinung offen zu vertreten, auch wenn er damit schon mal die «Obrigkeit» geärgert hat. Und wenn er von Schülern oder Eltern hörte, er sei zwar streng, aber gerecht – so hat ihn das gefreut. 

Seit zwei Jahren besuchen die Huttwiler Sekundarschülerinnen und -schüler das erste Jahr des Gymnasiums wieder in Langenthal. Das bedauert Beat Jäggi. Als Ende der 1990er-Jahre die Quarta in Huttwil eingeführt wurde, war er Klassenlehrer der ersten Klasse. «Das war eine spannende Sache sowohl für Schüler wie auch für Lehrer.» Und Lehrer Jäggi lockte seine Schüler immer gerne aus der Reserve. Sein Credo: «Man muss fordern, um zu fördern.» 

 

Parallelen ziehen

Beat Jäggi zieht für den Unterricht Parallelen zum Sport: «Ein Eishockeyspieler muss Techniken wie Schlittschuhlaufen, Passen und Schiessen immer wieder trainieren, um im Spiel unter Druck richtig handeln zu können.» Genauso sei es in der Mathematik. «Grundlegendes muss begriffen und genügend geübt werden, damit es gefestigt und immer wieder abrufbar ist.» Seine Aufgabe als Lehrer sah er darin – vor allem in den letzten Jahren – den Schülern dieses Grundgerüst zu geben. In der Menge aller Informationen, mit denen Jugendliche heute berieselt werden, sei es auch immer wichtiger, Zusammenhänge aufzuzeigen, erklärt er. So könne Gelerntes auf neue Situationen übertragen werden – im Sinne des Malers Anton Graff. Er hat schon im 18. Jahrhundert festgestellt: «Gebildet ist, wer Parallelen sieht, wo andere etwas völlig Neues zu erblicken glauben», zitiert Beat Jäggi den Maler. 

Von einem geordneten Schulalltag nun ins Seniorenleben umzusteigen, bereitet Beat Jäggi keine Mühen. Er entwerfe auch keine grossen Pläne für die Zukunft. Gerne aber bereisen die Jäggis ferne Länder, und das Fotografieren ist eine Leidenschaft von ihm. Der vierfache Vater schmunzelt und meint: «Für den Sport werde ich allmählich zu alt.» 

Dafür aber mag er Quizspiele sehr und testet gerne sein Wissen. Und vielleicht findet Beat Jäggi nun Zeit, einmal live im Fernsehen an einer gros-sen Quizshow mitzumachen. Elsbeth Antiker