• Hans-Ueli Müller ist von der Leistungsfähigkeit der Mopac überzeugt und will das Unternehmen auf wirtschaftlichen Erfolg ausrichten. · Bild: Leroy Ryser

27.01.2017
Emmental

Neue Mopac Wasen AG: «Ich habe klare Vorstellungen, wie man effizienter werden kann.»

Mit der Übernahme unter anderem der FL Metalltechnik AG in Sumiswald 1993 und 2010 der Papierfabrik in Deisswil rettete der Banker und Unternehmer Hans-Ueli Müller schon Hunderte von Arbeitsplätzen. Seit anfangs Jahr liegt auch die neue Mopac Wasen AG in seiner Hand. 60 Arbeitsplätze bleiben mit der neuen Strategie erhalten. Jetzt sucht er nach Nutzungsmöglichkeiten für die Mopac-Liegenschaft in Eriswil – der «Unter-Emmentaler» im Interview mit Hans-Ueli Müller.

Wasen / Eriswil · Liselotte Jost-Zürcher im Gespräch mit Hans-Ueli Müller, Unternehmer und Leiter bei Swiss Partnerships bei der Credit Suisse.

«Unter-Emmentaler»: Was reizt Sie daran, immer wieder grössere KMUs zu übernehmen, die ins Schlingern geraten sind?
Hans-Ueli Müller, Unternehmer: Bei der Mopac ist es ähnlich wie damals bei der FL Metalltechnik. Ich sah, dass diese Firma sehr gut arbeitet, dass sie auch Aufträge hat; mit anderen Worten: Sie muss nicht untergehen, sie hat eine Zukunft. Hinzu kommen die Leute, die so viel geleistet haben, die sehr motiviert sind und viel können. Schliesslich ist es für mich auch immer motivierend, mit einem Team einen Wandel einzuleiten, für den es auch ein bisschen Mut braucht. So hat in Sumiswald damals das ganze Team konsequent den unternehmerischen Blick eingenommen, das heisst, nicht an die eigenen Bedürfnisse, sondern an Märkte, an Kunden, an Trends  gedacht und sich auf diese eingerichtet.  

Schon zum zweiten Mal haben Sie in der Gemeinde Sumiswald eingegriffen; vor über 20 Jahren bei FL Metalltechnik AG und nun bei der Mopac. Wie ist es zu dieser erneuten Firmenrettung auf Sumiswalder Boden gekommen?
Zuerst war ich zurückhaltend. Dann habe ich mich entschieden, mir alles einmal genauer anzusehen. Ich sah das Potenzial und die Energie. Und es wurde deutlich, wie man durch strategische Entscheidungen zu einer günstigeren Kosten- und Margenrechnung kommen kann. Wohlgemerkt: Die Entscheidungen sind, gerade was die Grösse der Belegschaft betrifft, sehr einschneidend und schmerzhaft. Ich bin zwar überzeugt, dass das Unternehmen mittelfristig wieder wachsen kann. Zuerst muss es aber wieder auf einer soliden Basis arbeiten können.

Die neue Mopac Wasen AG ist eine Verpackungsherstellerin. Wie kann sie gegen das tiefe Preisniveau im Ausland konkurrieren?
Wir können dort den Unterschied machen, wo wir deutlich besser sind, wo Innovation drinsteckt und wo der Kunde weiss, warum er für ein Produkt der Mopac mehr zahlt. Es gibt Geschäftsbereiche, wo das allerdings kaum möglich ist – diese Bereiche werden jetzt heruntergefahren.

Wie gross ist der Anteil der Exporte?
Der Anteil liegt klar unter 50 %. Dies kann sich jedoch in Zukunft ändern.

Gibt es für die rund 130 Mopac-Mitarbeitenden, die entlassen werden mussten, einen Sozialplan?
Für die Gekündigten haben wir Begleit- und Unterstützungsmassnahmen in enger Zusammenarbeit mit der öffentlichen Arbeitsvermittlung des Kantons Bern vorbereitet. Die Gekündigten werden von einer Outplacement-Beratung geschult und unterstützt. Zudem haben verschiedene Unternehmen in der Region Interesse an einer Einstellung der entlassenen Mitarbeitenden bekundet.

Können in Wasen alle Mopac-Liegenschaften weiterhin genutzt werden?
Ja, so wie es heute aussieht, benötigen wir alle Liegenschaften. Allenfalls werden nach der Umdisponierung Flächen frei für die Vermietung, zum Beispiel an ein KMU.

Braucht es innerhalb der Infrastrukturen Anpassungen?
Wenn wir mittelfristig wieder wachsen wollen, geht das nur mit Innovation und infrastrukturellen Anpassungen. In welchem Ausmass das der Fall sein wird, kann ich heute noch nicht sagen.

Sie übernehmen die Firmen stets mit einem klaren Konzept. Einerseits bezüglich der Wirtschaftlichkeit ...
Ja, ich habe klare Vorstellungen, wie man effizienter werden kann. Auch wie man Emotionen in ein Produkt bringen kann, zum Beispiel mit einem speziellen, auf einen Trend ausgerichteten Design. Diesbezüglich kann ein kleines Detail unheimlich viel bewegen. Meine Mitarbeiter haben gezeigt, dass sie diese Vorstellungen teilen.

...  anderseits bezüglich der Mitarbeiterschulung. Dazu haben Sie sogar eine eigene Institution gegründet. Können Sie dies näher erklären?

Ich möchte mich hier nicht mit falschen Federn schmücken. Die Institution wurde von der Mobiliar ermöglicht. Es handelt sich dabei um das Mobiliar Forum Thun, eine einzigartige Innovations-Werkstatt auf dem Schlossberg Thun. Innerhalb von zweieinhalb Tagen werden an professionell moderierten Workshops erlebbare, handfeste Prototypen entwickelt und für den Transfer ins Unternehmen vorbereitet. Zur Zielgruppe gehören Schweizer KMU aller Branchen. Das Resultat sind gute Ideen, gestärkte Methodenkompetenz für den Innovationsprozess sowie ein motiviertes Team. Der Ansatz der Innovations-Workshops stammt ursprünglich aus dem Silicon Valley und wurde von der Standford Universität entwickelt. Die Mobiliar hat zusammen mit der ETH die «Stanford Methode» weiterentwickelt und sie den spezifischen Bedürfnissen von Schweizer KMU angepasst.

Wie kann die Mopac davon profitieren?
Gemeinsam mit 18 Mitarbeitern der Mopac Wasen AG habe ich erst kürzlich den zweieinhalbtägigen Workshop besucht, und mir wurde dabei vor allem wieder einmal gezeigt, was in diesen Leuten aus dem Emmental alles steckt. Auch von den teilnehmenden Mitarbeitern erhielt ich nur positive Feedbacks und bin dadurch überzeugt, dass jeder dieser Mitarbeiter bereits ein Träger der Gesamtidee ist. In den letzten 15 Jahren habe ich mit der FL Metalltechnik AG nicht nur mit den Emmentaler Mitarbeitern positive Erfahrungen gemacht, sondern auch mit der Kaizen Methode, die wir nun auch bei der Mopac Wasen AG anwenden wollen.
 
Wie funktioniert das Prinzip Kaizen?
Kaizen kommt aus Japan. Es geht darum, kontinuierlich besser und effizienter zu werden. Dabei zentral ist der Einbezug der Mitarbeitenden. Diese bringen Ideen ein, wie Prozesse effi-zienter gestaltet, wie Produkte verbessert werden können. Durch viele kleine Schritte im Perfektionieren sind auch grosse Schritte der Innovation und des Wachstums möglich.

Können Sie kurz das Erfolgserlebnis FL Metalltechnik AG umschreiben?
Ich kann beschreiben, was für mich in der Phase des Neuanfangs, in der ich mich sehr stark beteiligte, das Erfolgserlebnis war. Es bestand darin, dass ein ganzes Team aufgefordert war, einen Schritt in eine neue Zukunft zu wagen, ohne dass der Erfolg schon garantiert war. Ich habe die Leute sehr explizit darauf angesprochen. Wir arbeiteten mit dem Bild des Schiffes, mit dem man das sichere Ufer verlässt, um neue Ufer zu erreichen. Das war sehr bewegend, hat viel ausgelöst und am Ende sehr viel Energie freigesetzt. Ich machte den Mitarbeitenden aber auch bewusst, dass niemand auf dem Schiff bleiben soll, der die Reise nicht mitmachen möchte. Er hätte ein Rettungsboot bekommen, um wieder ans bekannte Ufer zu gelangen. Niemand wollte ein Rettungsboot.

Darf ich Sie kurz zitieren? In einem Referat vor gut zwei Monaten sagten Sie: «Gschydi Lüt u tüüri Lüt cha me überau choufe. Aber Lüt mit Charakter mues me zersch finge. U d Ämmitaler, d Lüt vo hie, sy äbe söttigi Charakterlüt.» Wie beschreiben Sie die hiesigen «Charakterlüt»?

Die Sumiswalder, die ich damals kennenlernte, haben sich nicht gefragt, was ich hören möchte, sondern was sie überzeugt. Ihre Fragen und ihre Ideen waren sehr konkret. Sie hatten einen Stolz auf das, was sie konnten, und das war nicht wenig. Es sind Leute, auf die man sich verlassen kann. So erlebe ich auch die Wasener der Mopac. Mit ihrer Loyalität und Einsatzbereitschaft verkörpern sie die Mentalität der Schweizer KMU, sie wissen: «Vo nüt chunt nüt.» Man muss begreifen, dass man zuerst dienen muss, bevor man verdienen kann.
 
Was ist Ihr erster Eindruck nach dem Start der noch sehr jungen neuen Mopac Wasen AG?
Wir haben erst begonnen. Nun gibt es viel zu tun. Alle sind sehr gefordert. Das Gefühl ist gut und ein sehr ähnliches wie damals in Sumiswald bei der FL Metalltechnik AG. Wir sind zufrieden, wie der Betrieb in Wasen angelaufen ist. Die Moral ist gut, doch es ist ein langer Weg. Viele Herausforderungen warten auf uns, und ich bin zuversichtlich, mit diesen tollen Mitarbeitenden den Turnaround für die Mopac zu schaffen.

Noch ist unklar, was mit der Mopac-Liegenschaft in Eriswil geschieht. Sie sagten in einem Vortrag, alte Gebäude würden Sie begeistern. Was ist es denn, das Sie an einer Liegenschaft wie der alten Mopac in Eriswil besonders fasziniert?
Die Liegenschaft der alten Mopac hat eine lange Geschichte und Tradition. Persönlich faszinieren mich alle Gebäude, bei denen man spürt, dass hier Generationen gearbeitet und etwas hergestellt haben. In diesen Mauern steckt viel Herzblut, viel Geschichte, von der man sich inspirieren und aus der man eine Zukunft spinnen kann. Mich fasziniert die Symbiose von Alt und Neu.

Wie kann man sich diese Räumlichkeiten vorstellen?
Die Räumlichkeiten haben bereits bessere Zeiten erlebt. Aber man muss immer das Potenzial von Räumlichkeiten sehen. Ich glaube, dass diese geschichtsträchtigen Gemäuer mit genügend Arbeit wieder in altem Glanz erstrahlen können und nicht gleich abgerissen werden müssen.
Wo welche Arbeiten lohnenswert sind, nehmen wir mit einer kleinen Delega-tion unter die Lupe.

Welche Infrastrukturen wären für eine allfällige Nutzung vorhanden?
Die Produktionsanlage, die Lagerhalle und auch die leerstehenden Büroräumlichkeiten bieten alle auf ihre Art neue Nutzungsmöglichkeiten. Nicht zu vergessen sind die schöne Umgebung und der Umschwung, den man durchaus in eine Nutzung einbeziehen könnte.

Wurde in den letzten Jahren in die Gebäude investiert?
So wie ich das sehe und der jetzige Zustand es vermuten lässt, wurde nur investiert, was unbedingt nötig war. Doch das Innenleben der Liegenschaft macht in vielen Räumen einen freundlichen Eindruck. Treppen, Hallen, die Fenster und viele Nebenräume sind sehr charakteristisch. Und Gebäudeteile wie etwa das Lager im Erdgeschoss sind sehr massiv gebaut, was natürlich tolle Nutzungsmöglichkeiten zulässt.

Sie möchten die Eriswilerinnen und Eriswiler oder die umliegende Bevölkerung in neue Nutzungsmöglichkeiten integrieren. Selbst haben Sie ja auch schon einige Vorstellungen, wie die Gebäude weiter genutzt werden könnten?

Theoretisch könnte man die Produktionsanlage als Materiallager weiternutzen. Oder aber man packt die Chance und nutzt das Gebäude um. Ich stelle mir ein Dreieck vor, das ich «Dreieck der Freude» nenne: Erstens einen Ausstellungsraum mit Lounge für Oldtimer, ein Treffpunkt für Oldtimerfans aus der Region, wo auch Dienstleistungen wie Pflege oder Reparatur angeboten werden könnten. Zweitens eine Workspace Area für Freelancer, Studierende und kleine Firmen. Drittens eine flexibel nutzbare Eventhalle mit kleiner Bühne, Musikanlage und Beleuchtung.
Das Mopac-Areal soll nicht zuletzt ein Ort der ungezwungenen Begegnung, der Freude und des Geniessens sein. Wie Sie schon sagten, bin ich offen und interessiert, gemeinsam mit den Eriswilern und vor allem den direkten Nachbarn weiterzudenken. Denn für mich ist klar, dass ein solches Unterfangen nur gelingen kann, wenn die Bevölkerung von Eriswil hinter dem Projekt steht und wir alle zusammen an einem Strick ziehen.

Könnten Sie es sich vorstellen, bei einer künftigen Nutzung auch die Geschichte der Liegenschaft wieder aufzunehmen?

Die Geschichte zu respektieren und mit diesem ehrwürdigen Bau sorgfältig umzugehen ist für mich sehr wichtig. Sollte es gegebenenfalls sogar eine Option geben, die Geschichte in einer künftigen Nutzung wieder aufzunehmen, so werden wir dies sicher prüfen.

Wie geht es aktuell mit der Mopac-Liegenschaft in Eriswil weiter? Das heisst, ab wann könnte das Gebäude oder könnten Gebäudeteile genutzt werden?
Mit der strategischen Neuausrichtung der Mopac wird der Produktionsbetrieb von Eriswil nach Wasen verlegt. Der Dialog zur Nutzung des Gebäudes in Eriswil wird im März beginnen. Ziel ist es, ab Herbst 2017 nach und nach Teile des Gebäudes wieder zu nutzen.

Wie sieht es mit Umschwung, Parkplätzen und der Erreichbarkeit mit dem ÖV aus?
Parkplätze sind genug vorhanden. Der Umschwung – ja, da liesse sich viel Schönes und Attraktives daraus machen. Das Mopac-Gelände ist mit dem ÖV recht gut erreichbar. In den Stosszeiten fährt der Bus von und nach Huttwil halbstündlich, sonst stündlich, ausser am Vormittag und am Nachmittag, wo je ein Kurs ausfällt. Morgens fährt der Bus zirka um 6 Uhr, abends der letzte zirka um 20 Uhr. Die Mopac ist ab Bushaltestelle Station in wenigen Minuten zu Fuss erreichbar.