• Schneespuren auf dem Weiher in der Sumiswalder Steinweid: Die Natur schläft, und mit ihr die Geburtshelferkröten, welche zurzeit in der Winterstarre verharren. Vor Jahren wurde der Weiher aufgewertet um für diese Krötenart neuen Lebensraum zu schaffen. · Bild: ljw

20.01.2017
Emmental

Neuer Lebensraum für den «Glögglifrösch»

Seit 2007 sind Pro Natura Bern und die karch gemeinsam daran, im Emmental und nun auch im Oberaargau den Lebensraum für die Geburtshelferkröte, den «Glögglifrösch», zu verbessern und zu fördern. Eben läuft in der Gemeinde Madiswil, im Ortsteil Kleindietwil, eine Baubewilligung für den Bau eines Amphibienweihers. Solche Weiher ersetzen teilweise auch verschwundene oder nicht mehr geeignete Gewässer wie zum Beispiel zugeschüttete oder zu Fischteichen umfunktionierte Feuerwehrweiher.

Emmental/Oberaargau · 2002 wurde im Rahmen eines Inventars festgestellt, dass der Bestand der Geburtshelferkröte innerhalb von rund 30 Jahren um 35 % zurückgegangen war. Das Emmental und der Oberaargau gehören zu den wichtigsten Verbreitungsgebieten dieser Amphibienart, die in Mundart auch unter «Glögglifrösch» bekannt ist. Im Emmental haben über Jahrzehnte oder Jahrhunderte hinweg Feuerweiher einen grossen Teil der stehenden Gewässer ausgemacht. Viele aber sind verschwunden; sie wurden durch Hydranten ersetzt. Andere wurden umgenutzt zu Enten- oder Fischteichen und haben so für die meisten Amphibienarten ihren Wert verloren – Fische und Enten fressen gerne Laich und Larven von Grasfrosch, Molch und von der Geburtshelferkröte. In einem ersten Projekt zwischen 2007 und 2010 wurden von Pro Natura Bern und der karch im Emmental Lebensräume aktueller Populationen der Geburtshelferkröten aufgewertet, isolierte Standorte mit neuen Nachbarlebensräumen in besiedelbarem Abstand ergänzt und miteinander vernetzt.

Gute Zusammenarbeit
Daneben wurde aber auch Öffentlichkeitsarbeit geleistet, um dem Verlust von noch mehr Feuerwehrweihern oder Gartenweihern entgegenzuwirken oder den Unterhalt der bestehenden zu optimieren. Die Zusammenarbeit mit Land- und Liegenschaftsbesitzern war fast überall sehr erfreulich – der «Glögglifrösch» ist beliebt.
Der ideale Abstand zwischen den Gewässern liegt unter einem Kilometer, um eine Zuwanderung der Geburtshelferkröten zu gewährleisten. «Der Austausch ist für die meist kleinen Populationen lebenswichtig. Ein solcher Austausch kann nur mit einer geschickten Vernetzung der Lebensräume stattfinden. Findet ein solcher nicht statt, kann dies zum Aussterben einzelner Populationen der Geburtshelferkröte führen», so Jan Ryser von Pro Natura Bern im Gespräch mit dem «Unter-Emmentaler».
Leider habe nicht nur der Lebensraum für den «Glögglifrösch» als solcher, sondern, bedingt durch die intensive Landnutzung, auch dessen Qualität abgenommen.

Viel erreicht
Während der Projektdauer von 2007 bis 2010 wurden an insgesamt 81 verschiedenen Standorten in 36 Gemeinden, darunter auch Sumiswald, Lützelflüh und Rüegsau, Aufwertungen realisiert. Das heisst, neue Weiher an geeigneten Standorten angelegt oder bestehende saniert und in einen funktionierenden Lebensraum für den «Glögglifrösch» umgewandelt. Einer dieser Standorte ist beispielsweise der grosse Weiher in der Sumiswalder Steinweid. Insgesamt liegen die Standorte mehrheitlich auf Landwirtschaftsland (beispielsweise auf vernässten Flächen auf  Weiden), im Wald, auf Waffenplätzen, in Gärten, Naturschutzgebieten, Auen oder in einem Steinbruch.
Zudem wurden in der Umgebung von Gewässern Sandsteinriegel angelegt oder steile Böschungen ausgelichtet, denn die Geburtshelferkröte hat spezielle Ansprüche an ihren Landlebensraum. Sie lebt nicht im Gewässer; dieses benützt sie nur für das Laichen, also für ihre Vermehrung. Ihr Lebensraum erfordert warme, bodenfeuchte Verstecke unter Steinplatten, in Steinhaufen oder Erdlöchern. In der Regel liegen die Verstecke in der Nähe von stillen Gewässern.
In der Projektphase von 2007 bis 2010 sei viel erreicht worden, blickt Beatrice Lüscher von karch, Regionalvertretung Bern, im Gespräch mit dem «Unter-Emmentaler» zurück. Doch gleichzeitig habe sich weiterer Handlungsbedarf aufgezeigt. Bei nationalen Erfassungen sei 2011/2012 weiterhin ein starker Rückgang der Geburtshelferkröte festgestellt worden.
Seit 2014 ist nun ein Folgeprojekt im Gange, welches bis 2018 dauert. Ziel von Pro Natura Bern und der karch ist es, im Emmental und vermehrt auch im Oberaargau an mindestens 30 Standorten neue Fortpflanzungsgewässer für Geburtshelferkröten – wie eben aktuell in Kleindietwil – zu erstellen, und wo es sinnvoll ist auch die zugehörigen Lebensräume aufzuwerten. Es werden keine «Glögglifrösche» ausgesetzt. Die neuen Standorte für Weiher werden mit einem maximalen Abstand von 1,5 km zu einer bestehenden Population gewählt, damit die Chance gut ist, dass die Tiere den Weg selbständig finden.
Rund 50 % der Lebensraum-Aufwertungen für die Geburtshelferkröte sind im Oberaargau vorgesehen, 25 % in weiteren, im Vorgängerprojekt eher vernachlässigten Regionen wie etwa Trub. Nur rund ein Viertel der Massnahmen wird auf Regionen ausgerichtet sein, wo von 2007 bis 2010 bereits eine grössere Dichte an Lebensräumen entstanden ist.
Bei neuen Weiherbauten wird von Pro Natura vorgängig die Einwohnergemeinde zur Abklärung allfälliger Baubewilligungsverfahren kontaktiert, je nach Standort auch andere Behörden wie die Waldabteilung, das Fischereiinspektorat, Tiefbauamt oder Abteilung Naturförderung (ANF). Zuweilen ist kein Bewilligungsverfahren notwendig. Aufwertungsmassnahmen werden mit Vereinbarungen gesichert, welche auch die Folgepflege ein-schliessen. In den meisten Fällen übernehmen die Landbewirtschafter die Pflege des Weihers, teils gegen eine kleine Entschädigung, die ihnen durch die Einwohnergemeinde oder den Kanton (ANF) ausgerichtet wird.

Infos:www.karch.ch / www.pronatura-be.ch

Von Liselotte Jost-Zürcher