• Dank einer Änderung des Organisationsreglementes kann Heinrich Jörg an der Fusion mit Langenthal weiterarbeiten. · Bild: Hans Mathys

09.06.2017
Oberaargau

Optimismus trotz Fragezeichen

Obersteckholz will mit Langenthal fusionieren. Die Haltung der örtlichen Wassergenossenschaft verhindert dies bisher. Wie weiter? Darüber informierte Langenthals Stadtpräsident Reto Müller an der Obersteckholzer Gemeindeversammlung.

Obersteckholz · Die Gemeinde Obersteckholz zählt aktuell 326 Stimmberechtigte. 74 von ihnen (22,7 Prozent) folgten der Einladung zur Teilnahme an der Gemeindeversammlung in der Mehrzweckhalle. Es ist vor allem das Traktandum 5, «Orientierungen Stand Fusion», das interessierte. Die Gemeindefusion, per 1. Januar 2018 vorgesehen, scheiterte aber an der Wasserfrage (der «Unter-Emmentaler» berichtete).
Gemeindepräsident Heinrich Jörg hatte eine kleine Figur auf sein Rednerpult gestellt – mit Engelsflügeln und einem Wassereimer in der rechten Hand. Dieses symbolträchtige Maskottchen, es handle sich um Wasserjoggi aus Heiligenbühl, habe er geschenkt erhalten. Überall, wo man hinkomme, werde man auf die bisher gescheiterte Fusion angesprochen, belächelt und bedauert, leitete Heinrich Jörg das brisante Traktandum «Fusion» ein. Es sei nicht so, dass die Gemeinde letzthin in Sachen Fusion untätig gewesen sei. Vielmehr habe sie sich auf Empfehlung des Amtes für Gemeinden und Raumordnung (AGR) von einem Rechtsanwalt beraten lassen. Nach diversen Aufforderungen aus dem eigenen Lager habe die Wassergenossenschaft Obersteckholz (WVGO) am 18. Mai eine ausserordentliche Versammlung abgehalten. Von den 33 Genossenschaftern hätten sich deren 20 dafür ausgesprochen, Wasser und Leitungen weiterhin zu nutzen. «Ein rechtlicher Beschluss liegt also nun vor», so Heinrich Jörg, der jetzt das Wort für ein Statement nur zu gerne einem Genossenschafter erteilt hätte. Es fand sich aber keiner. Selbst deren Präsident Markus Steffen blieb der Versammlung fern.So bat der Obersteckholzer Gemeindepräsident nun den Langenthaler Stadtpräsidenten Reto Müller für eine persönliche Stellungnahme zur Fusion ans Rednerpult.
Dieser schilderte vorerst die Ausgangslage: «Die Machbarkeitsabklärungen der Gemeinderäte Obersteckholz und Langenthal hatten klar gemacht, dass die Obersteckholzer Wasserversorgung im Falle einer Fusion in der bisherigen Struktur nicht beibehalten werden kann. Alle Wasserbezügerinnen und Wasserbezüger in Obersteckholz – so die Forderung der Studie – sind an eine gemeinsame öffentliche Wasserversorgung anzuschliessen, um eine flächendeckend sichere und rechtsgleiche Versorgung mit Trink-, Brauch- und Löschwasser in Obersteckholz auch nachhaltig finanzieren zu können. Ein Alleingang der Genossenschafter mit einem parallelen Leitungsnetz und einem eigenen Gebührensystem wurde als nicht hinnehmbarer Nachteil bezeichnet, welcher einer Fusion klar entgegensteht. Entsprechend hatten das Obersteckholzer Stimmvolk und der Langenthaler Stadtrat im Juni 2016 einer Fusion zwischen den beiden Gemeinden im Grundsatz zugestimmt. Doch vor der definitiven Fusionsabstimmung sollte die Übertragung des Wasserversorgungsauftrages zusammen mit dem Leitungsnetz von der WVGO auf die Gemeinde Obersteckholz rechtlich sichergestellt sein.»

Keine Heirat zum Nulltarif
Ohne offizielle Stellungnahme der WVGO sei es schwierig, konkrete weitere Schritte einzuleiten, sagte Reto Müller. Drei Fragen stellten sich: Ist die WVGO bereit, den öffentlichen Wasserversorgungsauftrag an die Gemeinde zurückzugeben? Gibt es Genossenschafterinnen und Genossenschafter, welche die WVGO zur Selbstversorgung weiter betreiben wollen – und wenn ja, wie viele? Wie viele jetzige Genossenschafter und Wasserbezüger möchten sich lieber zum Zeitpunkt einer Fusion an eine neue öffentliche Wasserversorgung anschliessen?
Geplant werden solle, so Müller, eine neue Versorgung mit neuen Leitungen für Obersteckholz. Das würde dann aber auch bedeuten, dass man entgegen dem ursprünglich gefällten politischen Entscheid eben doch ein paralleles Leitungsnetzt bauen würde.
«Die Langenthaler Politik und die Bürgerinnen und Bürger werden zur Kenntnis nehmen müssen, dass eine Fusion aus den Gründen der Wasserversorgungsfragen in Obersteckholz nicht zum Nulltarif zu haben ist. Entweder heiraten wir nämlich zum Zeitpunkt der Fusion eine überschuldete Partnerin – falls sie ein Projekt zur Wasserversorgung auf Kosten von Steuergeldern bereits ausführen liess – oder wir heiraten einen Partner, der im Verhältnis zum bisherigen Beitrag extrem hohe Forderungen zu Lasten unserer Spezialfinanzierung Wasser stellen wird. Auch wenn wir jetzt und heute sagen, dass es mit der Fusion aus Gemeindepräsidenten-Sicht weitergehen soll, wird das Projekt wohl letztlich nebst all den Chancen auch nach den Kosten beurteilt. Ab welcher Schmerzgrenze der Langenthaler Gemeinderat, der Stadtrat und das Stimmvolk dann das Gefühl erhalten würden, es sei nun zu viel des Guten, kann ich heute nicht abschliessend beurteilen. Es ist sicher noch einige Überzeugungsarbeit zu leisten.» Der ursprünglich vom Gemeinderat und Stadtrat verlangte Zustand die Wasserversorgung betreffend könne wahrscheinlich nicht ganz erreicht werden, vermutet Müller.

Hoffen auf ein gutes Ende
Müller abschliessend: «Aus meiner Sicht ist es nun aber nach all den Zeiten der Schwierigkeiten und Differenzen der richtige Zeitpunkt, wieder  aufeinander zuzugehen und es gar mit einem Hosenlupf zu versuchen. Wir beantragen den Gemeinderäten, im Projektausschuss weiterzufahren, die Sistierung der Fusionsverhandlungen aufzuheben – egal was die WVGO macht – und wir versuchen, es mit der Fusion zu einem Ende zu bringen. Ich hoffe, dass wir auch die letzte Abstimmung in dieser Sache gewinnen können und es ein gutes und gemeinsames Ende wird.»
Ins gleich Horn blies  bei der anschliessenden Diskussionsrunde Hannes Kuert: «Gehen wir aufeinander zu – nicht auseinander.» Andere Votanten wiesen nochmals darauf hin, wie sehr ihnen das Verhalten der Wassergenossen missfällt. Ob man diese finanziell belangen könne, weil alle Obersteckholzer infolge dieser Verzögerungstaktik weiterhin wesentlich mehr Steuern bezahlen, als sie dies bei einer Fusion mit Langenthal tun müssten. Weiter wurde kritisiert, dass niemand von der WVGO anwesend war um zu informieren. Eine Wassergenossin gab zu bedenken, dass fälschlicherweise alle Genossenschafterinnen und Genossenschafter in den Topf der Volldeppen geworfen würden – auch jene, die dem Gemeinderat den Rücken stärken.   

Gewinn von fast 37 000 Franken
Bei so viel Brisanz in Sachen Fusion blieben die übrigen Traktanden nahezu Nebensache. Dies betraf auch die von Elisabeth Berchtold  letztmals erläuterte Jahresrechnung 2016. Sie hat per 30. Juni 2017 gekündigt. Der Gesamthaushalt schliesst mit einem Gewinn von 36 800 Franken ab. Budgetiert war ein Minus von 136 800 Franken. Die Besserstellung von 173 600 Franken begründete sie primär mit höheren Steuereinnahmen. Nach zusätzlichen Abschreibungen ergibt sich beim allgemeinen Haushalt bei einem Ertrag von 1,43 Millionen Franken ein Gewinn von 8100 Franken. Die Versammlung genehmigte diese Rechnung einstimmig. Ebenso einstimmig erfolgte die Teilrevision des Organisationsreglements. Die Amtszeit der Präsidentin oder des Präsidenten ist neu auf vier Amtsdauern beschränkt. Zuvor waren es deren drei. Dies ermöglicht es Heinrich Jörg, nach seinen drei Amtszeiten zu vier Jahren wegen der Fusion noch ein Jahr anzuhängen. «Das macht Sinn. Es wird aber wirklich mein letztes Jahr sein», betonte er.
Nach der Demission des für die Finanzen zuständigen Vize-Gemeindepräsidenten Stefan Wacker galt es, einen neuen Gemeinderat zu wählen. Dazu stellte sich Stefan Hostettler (1974) zur Verfügung, der von der Versammlung mit Applaus gewählt wurde. Gleichermassen zum neuen Vize-Gemeindepräsidenten gewählt wurde das bisherige Gemeinderatsmitglied Marco Burkhalter.

Von Hans Mathys