• Zwei Kursteilnehmer versuchen, die (gespielte) Situation zu deeskalieren. · Bilder: Irmgard Bayard

11.09.2017
Langenthal

Richtig reagieren, kann deeskalieren

Wie soll man reagieren, wenn man auf eine Schlägerei trifft, Zeuge von Sachbeschädigung ist oder jemand bedrängt wird? Beispiele zeigt der «StattGewalt-Rundgang» auf.

Für Beatrice Grebe ist klar, was sie vom «StattGewalt-Rundgang» erwartet: «Für mich mehr Sicherheit und zu erfahren, wie ich mich als Frau richtig verhalte.» Die 69-Jährige ist eine der 19 Personen unterschiedlichen Alters, welche an diesem späten Nachmittag am Projekt der Berner Erklärung teilnimmt.
Dieses ist in Langenthal vom Trägerverein offene Kinder- und Jugendarbeit Oberaargau (ToKJO) und der reformierten Kirche organisiert worden. Drei Schauspieler des Forumtheaters Konfliktüre (Bern) spielen drei Szenen. «Es ist alles wie echt. Wenn Ihr das Gefühl habt, jetzt etwas machen zu wollen, dann ruft Stopp und greift ein», animiert Moderator Andi Greu des Instituts NCBI und Projektleiter des «StattGewalt-Rundgangs» die Teilnehmenden.

Schlägerei mit eskalierender Situation
In der ersten Szene geht es um eine Schlägerei, wobei einer der Beteiligten äusserst aggressiv ist. Wie schwierig das Eingreifen sein kann, erlebt ein Kursteilnehmer, als er die Situation mit einem Gespräch entschärfen will und selber angegriffen wird. «Mit dem Betroffenen reden ist in Ordnung, aber nur auf Distanz», sagt Andi Greu. Sein Rat in dieser Situation: «Ruhig bleiben, den Polizei-Notruf 117 anrufen und versuchen, das Opfer aus der Situation rauszuholen.»
Szenenwechsel. Die drei Schauspieler stellen betrunkene Randständige im Park dar. Sie werfen Gegenstände herum und beschmieren eine Bank, einer fährt mit einem offensichtlich gestohlenen Velo herum.
In dieser Situation versucht eine Rundgangteilnehmerin, die drei zur Ruhe zu bringen, indem sie ihnen Gipfeli verspricht. Ein anderer bietet Zigaretten an. «Ich würde einfach die Polizei rufen», sagt jemand. Andere finden, sie würden, da ja von diesen Randständigen keine Gefahr ausgehe, gar nicht eingreifen. Tatsächlich mache eine Intervention in diesem Fall nur Sinn, wenn man Zeit für ein Gespräch mit den Beteiligten habe und sie nach den Gründen für ihr Verhalten fragen könne. «Interessieren Sie sich für die Personen, aber verhalten Sie sich respektvoll und richten sie nicht», rät der Moderator.
Die dritte Szene spielt in einem Bus. Zwei leicht angesäuselte Geschäftsherren bedrängen eine Frau. Ideen aus dem Publikum sind, die Frau aus dem Schussfeld zu nehmen, indem man so tut, als kenne man sie. «Ich würde auf jeden Fall aufstehen und nicht sitzenbleiben», findet ein weiterer Teilnehmer. «Und die Aufmerksamkeit auf einen Gegenstand lenken.» Diese Taktik wird vom Moderator begrüsst. Sicher nicht falsch sei es, Aufmerksamkeit in die Szene zu bringen, sodass es den beiden «Tätern» peinlich werde. «Meine Erwartungen sind erfüllt. Ich fand den Rundgang sehr gut», äussert sich Beatrice Greber nach knapp zwei Stunden.
«Ich habe unter anderem gelernt, Abstand zu halten», so Alice Spichtin, 80-jährig, aus Roggwil. «Sehr interessant», sagt Sina Renggli (20) aus Langenthal zum Rundgang. Sie hatte sich einige Male eingemischt und die Gegenreaktion gespürt. «Ich weiss nun, dass ich am besten andere Leute hinzunehme.» Er sei selber schon in solchen Situationen gewesen, erzählt Stefan Schulthess aus Huttwil. «Nun weiss ich, wie reagieren», so der 53-Jährige. Ihm ist jedoch klar, was Moderator Andi Greu bestätigt: «Es gibt kein wirkliches Patent-Rezept. Die Reaktion muss immer situationsbedingt erfolgen.»

Von Irmgard Bayard