• Rechts das erhaltenswerte alte Sekundarschulhaus, das umfassend saniert wird, links der grosse Neubau in Holz. Vorne der neu gestaltete Aussenraum. · Bild: zvg

04.06.2018
Emmental

Schulraumplanungs Showdown im September

Die Planung ist weitgehend abgeschlossen; am kommenden 23. September haben die Rüegsauer Stimmberechtigten für die Realisierung von Schulbauten über einen Gesamtkredit von knapp 18 Millionen Franken zu befinden. Wird der Kredit bewilligt, werden Steuererhöhungen unausweichlich sein.

Rüegsau · Ungefähr 70 Personen fanden sich am vergangenen Mittwoch in der Aula der Schulanlagen Rüegsauschachen ein, um an der sechsten Orientierungsversammlung endlich zu erfahren, was nun die seit mehr als fünf Jahren geplante Schulraumerweiterung definitiv kosten solle. Grosse Änderungen an der Gestaltung waren, gemäss den Erläuterungen von Gemeinde-Vizepräsident Andreas Hängärtner (SVP) und Architekt Hanspeter Bürgi, gegenüber der Information vom vergangenen März (wir berichteten) nur in Details erkennbar. So soll neu der Aus-senbereich aufgewertet werden.

Ein ansprechendes, aber auch kostspieliges Vorhaben
Wurde vor gut fünf Jahren in der ersten Planungseuphorie von Kosten in der Grössenordnung von rund acht Mil-lionen Franken ausgegangen, hat die weitere Planung ergeben, dass mit zirka 17 Millionen Franken gerechnet werden müsse. Nach der detaillierten Berechnung wird nun der Urnenabstimmung vom 23. September ein Realisierungskredit von 17,935 Millionen Franken beantragt. Davon entfallen auf die Sanierung des alten und erhaltenswerten Sekundarschulhauses rund 2,7 Millionen Franken und auf den Neubau mit Turnhalle 5,9 Millionen Franken (siehe Zusammenstellung. Der ebenfalls dringend notwendige Bau des Kindergartens wurde laut Andreas Hängärtner aus dem Projekt gestrichen und soll später mit einem separaten Kreditantrag der Gemeindeversammlung vorgelegt werden.
Mit diesem Geld sollen – grob zusammengefasst – folgende neuen Räume erstellt werden: 12 Klassenzimmer, 4 Gruppenräume, 2 Räume abteilungsweiser Unterricht, 5 Spezialräume, ein Lehrerinnen-/Lehrerbereich für alle Schulstufen, eine Turnhalle mit Nebenräumen, Garderoben und Duschanlagen. Im Kredit inbegriffen sind die Schulprovisorien in Containern während der anderthalbjährigen Bauzeit.

Finanzierung nur mit Steuererhöhung möglich
Weil der Finanzverantwortliche des Gemeinderats, Markus Mosimann (FDP), krankheitshalber nicht an der Orientierungsversammlung teilnehmen konnte, fiel Gemeindepräsident Fritz Rüfenacht (SVP) die «angenehme» Aufgabe zu, den Versammlungsteilnehmenden zu erklären, wie dieses Grossprojekt überhaupt zu finanzieren sei. Rüegsau hat nämlich noch andere Aufgaben zu finanzieren wie beispielsweise den auf der langen Bank liegenden Hochwasserschutz oder immer wieder zurück gestellte Strassensanierungen.
Die Aussage des Gemeindepräsidenten war deutlich: «Eine Finanzierung ohne Steuererhöhungen ist nicht möglich und es wird im Umfang des Baukredites eine deutliche Zunahme der Verschuldung geben.»
Aufgrund der aktuellen Zahlen rechnet der Gemeinderat, dass eine erste Erhöhung des heute günstigen und wirtschafts- und gewerbefreundliche Rüegsauer Steuersatzes von 1,59 auf 1,69 im Jahr 2019 erfolgen muss und der nächste Schritt von 1,69 auf 1,79 im Jahr 2021. Weitere Erhöhungen nicht ausgeschlossen, will er noch festgehalten haben.

Hohe Kosten geben Anlass zu Kritik
Doch wie steht es mit den Schulkostenbeiträgen der anderen Gemeinden (Hasle, Lützelflüh, Affoltern, Heimiswil), welche die Rüegsauer Schulanlagen mitbenutzen?
Laut Gemeindepräsident Rüfenacht schlagen rein für die Infrastruktur aktuell zirka 400 000 bis 600 000 pro Jahr zu Buche. Eine Zahl, die der ehemalige Gemeinderats- und Gemeindepräsident Fritz Dubach nicht akzeptieren konnte: «Für das Jahr 2016/17 stammten in der Sekundarschule von 176 Schülerinnen und Schülern deren 77 aus der Gemeinde Rüegsau. Der Rest von 99 Schülerinnen/Schülern, also 56 %, aus anderen Gemeinden. Die Gemeinden werden an die geplante Investition nicht mehrere 100 000 Franken bezahlen. Für einen Sekundarschüler beträgt das Schulgeld rund 10 000 Franken. Davon entfallen 6000 Franken auf die Lehrergehälter, rund 1000 auf den Schulbetrieb wie Bücher usw. so dass am Schluss noch 3000 Franken für die Schulanlagen gerechnet werden können. Die Hälfte entfällt dabei auf den laufenden Unterhalt. Letztlich ist bei 99 auswärtigen Schülern von gesamthaft rund 150 000 Franken pro Jahr auszugehen. Ein Almosen bei Investitionskosten in dieser Grössenordnung.» Wegen der Abwesenheit des für die Finanzen zuständigen Gemeinderats Mosimann erfolgte zu diesem Statement leider keine Stellungnahme von Seiten der anwesenden Gemeindevertreter.
Angesichts der guten Rechnungsabschlüsse in den letzten Jahren sah Gemeindepräsident Rüfenacht trotz den düsteren Wolken am Rüegsauer Finanzhimmel doch noch einige Sonnenstrahlen: «Dank dem guten Rechnungsabschluss 2017 könnten wir das Eigenkapital nochmals ein wenig äufnen, und das gibt mir doch etwas Zuversicht, dass es nicht so schlecht herauskommet.».
Sein Vorgänger Peter Dubach, der vor 20 Jahren zusammen mit dem damaligen Gemeinderat, Rüegsau aus einer finanziellen Schieflage führen musste, sah es dagegen anders: «Die vorgestellte Erhöhung der Steueranlage um zwei Zehntel wird kaum reichen, und wenn dieses Projekt zur Ausführung gelangt, wird die pro Kopf-Verschuldung in der Gemeinde Rüegsau auf über 5000 steigen, also die höchste im Kanton Bern. Eine Auszeichnung, auf die wir Rüegsauer eigentlich gerne verzichten möchten.»
Im Übrigen erklärte Dubach, dass er eine Sanierung und Erweiterung der Schulanlage als notwendig erachte, dass es aber bessere und günstigere Lösungen geben würde. Ihm fehlte von allem Anfang an ein klares Konzept und realistische, finanziell verkraftbare Zielvorgaben.
Nachdem die Rüegsauer Bürgerinnen und Bürger zur eigentlichen Projektgestaltung eigentlich nie etwas beitragen konnten – die bisherigen Orientierungen waren ja eher Kenntnisnahmen – haben sie am Wochenende vom 23. September Gelegenheit, ihre Meinung an der Urnenabstimmung kund zu tun. Man darf darüber gespannt sein, ob es vorher in den Befürworter- oder Gegnerkreisen noch zu Einzelak-tionen pro oder kontra kommen wird.

Von Ernst Marti