• Wm Stefanie Zollinger erteilt Soldat Hakan Kiren und Hund «Jewel» die Befehle. · Bilder: Leroy Ryser

  • Gehorsam und Konzentration werden hier bei Soldat Stucki und «Ice Cream» getestet.

10.10.2017
Langenthal

Spielerisches Vorbereiten auf den Ernstfall

In Langenthal weilt seit dieser Woche die einzige Hundeführerkompanie der Schweizer Armee. An den Ausbildungsstandorten in Wangen an der Aare und Niederbipp trainieren die Angehörigen der Armee ihre Schutz- und Rettungshunde für den Ernstfall. Der dreiwöchige Wiederholungskurs gipfelt in der letzten Woche in einem Einsatztest.

 

Eine Frau im Militärtenü kniet neben ihrem Hund. Es scheint, als würde sie dem Australian-Shepherd etwas ins Ohr flüstern. Dann hebt sie die Hand und gibt ihm einen deutlichen Befehl. Der Hund geht pfeilschnell los und wuselt über einen Trümmerhaufen. Nach kurzem Hin und Her erfasst er die Witterung des Menschen durch die Betonplatten hindurch und beginnt zu Scharren und bellt laut. Mehrmals. So lange, bis das Frauchen bei ihm ist und ihn lobt. Der Figurant wird aus dem Versteck befreit, während der Hund ein Spielzeug erhält. Die Belohnung des Hundes ist ein paar Sekunden herumtollen mit Frauchen.

Die Szene spielte sich diese Woche im Übungsdorf in Wangen an der Aare ab. Dort trainiert derzeit die einzige Hundeführerkompanie der Schweizer Armee den Ernstfall. Die in Langenthal stationierte Einheit verfügt aktuell über 63 Hundeführer im Dienst, die im Ernstfall zu Rettungs- und Schutzzwecken eingesetzt werden können. «Unsere Kompanie besteht zu zwei Dritteln aus Schutzhunden und zu einem Drittel aus Rettungshunden», erklärt Kompaniekommandant Major Ralph Lutz. Während Schutzhunde bei Personen- und Fahrzeugkontrollen oder auch als Zwangsmittel eingesetzt werden können, helfen Rettungshunde bei der Ortung von verschütteten Personen. 

Jene, die zur Langenthaler Kompanie gehören, werden derweil nicht bei Schneelawinen, sondern auf Trümmerhaufen eingesetzt. «Das Ziel der Truppe ist es, die Einsatzfähigkeit zu erlangen», erklärt Major Lutz. Die besten Schutzhundeführer werden jährlich beim WEF eingesetzt, andere Hunde-Mensch-Teams, welche die Einsatzfähigkeit erlangt haben, werden bei sonstigen Aufträgen eingesetzt, und jene, welche noch in der Ausbildung stehen, absolvieren jährlich Wiederholungskurse, genannt WK. Wer erst kürzlich die RS absolviert hat, wird im WK eingesetzt, um die Fähigkeiten von Hund und Mensch in Trainings zu verbessern.

 

Zielstrebig ohne Ablenkung

Entsprechend unterschiedlich sind die Leistungen der Rettungshunde im Übungsdorf in Wangen an der Aare während dem diesjährigen WK. 

Einzelne Hunde werden von Zuschauern rascher abgelenkt, andere weniger. «Ein Hund muss fähig sein, die Arbeit zu verrichten, wenn nebenan mit Presslufthämmern gearbeitet wird», sagt Ralph Lutz. Als Beispiel nimmt Oberwachtmeister Kuster seinen Hund Chaya aus dem Fahrzeug und lässt einen Figuranten das Versteck im Trümmerhaufen aufsuchen. Das Schauspiel dauert dann nur wenige Sekunden. Die einsatzfähige Malinois-Hündin rennt um den Trümmerhaufen herum, ist sehr zielstrebig und lässt sich auch vom Fotografen, der gleich daneben Bilder knipst, nicht beindrucken. Sofort bellt sie laut und deutlich und scharrt am Ort, wo sich der Figurant versteckt hält. Solche Hunde können Menschen, die in mehreren Metern Tiefe verschüttet sind, orten und anzeigen. Während die Rettungstruppen der Armee vor dem Einsatz der Hunde das Gelände mit speziellen Mitteln absuchen und versuchen, Personen zu orten, kümmern sich die Vierbeiner um noch lebende Personen, die nicht sicht- oder hörbar sind. Die Witterung von anderen, nicht verschütteten Menschen im Einsatzraum ignoriert er derweil. 

«Um den Stand der Einsatzfähigkeit zu erreichen, müssen Hundeführer ausserhalb vom Militärdienst wöchentlich mit dem Hund arbeiten. Letztlich sind Fähigkeiten im Bereich Konzentration und Gehorsam nötig. Dafür wird die Eignung vom potenziellen Hundeführer schon vor der Rekrutierung abgeklärt», so der Kompaniekommandant weiter. 

 

Erhöhte Bereitschaft nötig

Als Truppe, die vor allem in Ernstfällen zum Einsatz kommt, wird die Hundeführerkompanie ab dem 1. Januar 2018 auch eine erhöhte Bereitschaft sicherstellen müssen. Zwar gibt es einen Durchdienerverband der Rettungstruppen, der die erste Leistung vor Ort erbringen muss, für die weitere Ortung von Verschütteten wird aber die Kompanie von Major Ralph Lutz garantieren, wenn es ernst wird. In einem solchen Fall muss die Truppe möglichst rasch aufgeboten werden, danach wird Material gefasst und die Einsatzfähigkeit von Mensch und Schutzhund getestet, während Rettungshunde direkt in das Einsatzgebiet beordert werden. Für den Hund ist diese Situation aber nur ein Spiel. Trainiert wird deshalb mit Spielzeug. «Wir wollen den Beuteinstinkt von Hunden fördern. Deshalb erhalten sie immer, wenn sie etwas finden, ihr Spielzeug als Belohnung.» Um sicher zu gehen, wird im Ernstfall jeweils ein zweiter oder sogar ein dritter Hund losgeschickt. Wenn alle Hunde am gleichen Ort auslösen – also bellen und scharren – dann werden die Rettungstruppen die verschütteten Personen versuchen zu bergen.

 

Zwei bis drei WK zur Einsatzfähigkeit

Ein bisschen ernst wird es für die Kompanie der Hundeführer auch im diesjährigen WK. In der zweiten Woche werden Rettungshunde, welche das entsprechende Niveau haben, eine Katastrophenhundeprüfung ablegen. Derweil werden die Schutzhunde in der dritten Woche eine Einsatzprüfung absolvieren. Ausserdem findet in dieser dritten Woche ein Helikoptertraining für die Rettungshunde statt, nicht selten werden die Hunde nämlich mit einem Fluggerät an den Einsatzort gebracht. «Nach zwei oder drei WK erlangen die meisten Teams ihre Einsatzfähigkeit und werden dann auf die jeweiligen Einsätze verteilt.» Besonders geeignet für den Einsatz als Schutz- oder Rettungshund sind Belgische Schäferhunde, daneben werden aber auch Labradore oder Deutsche Schäferhunde eingesetzt. Nur selten werden dafür private Hunde mit in die Rekrutenschule gebracht, meist erhält ein angehender Hundeführer einen bereits ausgebildeten Hund nach fünf Wochen in der RS, die er daraufhin mit dem Vierbeiner als Team absolviert.

In Wangen a.A. wird derweil fleis­sig weiter geübt. Zuerst werden Konzentrationsübungen gemacht, danach wird für den Hund ein einfacher Anreiz gesetzt. Ein Figurant setzt sich hinter eine Holzabdeckung und nimmt das Spielzeug des Hundes gleich mit. Weil der Hund dies sieht und bereits weiss, wo sich das Versteck befindet, geht es schnell. 

Befehl geben, ein Sprint zum Versteck, scharren, bellen und spielen. Daraufhin begehen Hund und Hundeführer drei verschiedene Trümmerhaufen, überall ist ein Figurant mit Spielzeug versteckt. Während der Ernstfall – und somit auch die Prüfung – Stunden oder gar Tage dauern kann, geht hier alles ziemlich schnell. Hin und wieder lassen sich die Hunde zwar ablenken, einmal gar wird ein Falschalarm ausgelöst. Dennoch finden sie innerhalb von wenigen Minuten das Ziel. In den nächsten zwei Wochen werden ähnliche Prüfungen für Hund und Mensch folgen. Damit sollen sie alle ihrem Ziel, der Einsatzfähigkeit, näherkommen.

Gut zu wissen: Am Samstag, 14. Oktober, 10 Uhr, findet in der Langenthaler Marktgasse beim «Choufhüsi» eine Vorführung der Hundeführerkompanie statt.

Von Leroy Ryser