• Natascha Mathys (links) mit ihrem werdenden Ausstellungsstück, ein Weingestell. Die Frontseite wird mit dem keltischen Lebensbaum gestaltet. Rechts ihre Berufskollegin und «Mitstiftin» Stefanie Jordi. · Bild: Liselotte Jost-Zürcher

05.03.2019
Oberaargau

Junge Menschen und ein tiefgründiges Thema

Stefanie Jordi und Natascha Mathys stehen kurz vor den Lehrabschlussprüfungen. Beide sind bei Loosli Küchen AG in Wyssachen in der Ausbildung. Für ihre gemeinsam erarbeitete Vertiefungsarbeit «Allgemein Bildung» haben sich die beiden jungen Frauen dem Thema «Die Herausforderungen eines Bestatters» gewidmet. Im Gespräch mit dem «Unter-Emmentaler» erzählen sie ihre Beweggründe, ein so sensibles Thema anzugehen.

Wyssachen · Letzte Woche wurde in der Berufsschule Langenthal der vom Lions Club Langenthal dotierte Preis für die beste Vertiefungsarbeit (VA) der Lernenden in den gewerblich-industriellen Bereichen und in den Gesundheitsberufen verliehen (der «Unter-Emmentaler» berichtete). Im Vorfeld der Preisverleihung präsentierten die Nominierten ihre Arbeiten, unter ihnen auch Stefanie Jordi und Natascha Mathys.
Da staunten die Besucherinnen und Besucher nicht schlecht, als sie beim Betreten des Schulraumes vor einem offenen, fertig ausstaffierten Sarg «zum Probeliegen» sowie vor Urnen und weiteren Utensilien rund um Bestattungszeremonien standen. Noch viel mehr aber waren sie von den beiden jungen Frauen mit ihrem freimütigen Referat und dem vorgängigen unerschrockenen Recherchieren beeindruckt.

Kompromisslos
Natascha Mathys wählte das Thema nicht von ungefähr. Ihre Mutter will sich auf den kommenden Sommer hin in dieser Tätigkeit selbständig machen. Die Lernende möchte nach Ausbildungsende, also ebenfalls im kommenden Sommer, eine Stelle antreten, in der sie auch bestatten kann. Nebenbei will sie ihre Mutter bei deren Arbeit unterstützen. «Das passt», strahlt sie. Ihrer «Mitstiftin» Stefanie Jordi liess sie keine Wahl, sagte schon vor über einem Jahr: «Wenn du die VA mit mir zusammen machen willst, musst du auch das ‹Bestatten› wählen.»
Stefanie Jordi wollte: «Eigentlich Natascha zuliebe. Aber ich war ja wirklich einverstanden damit. Es ist ein wichtiges Thema, über das nicht jeder redet. Beide hatten wir zudem Menschen und auch Tiere im Umfeld, die wir verloren haben. Darum habe ich gerne mitgemacht», sagt sie gegenüber dem «UE».

Kultur, Ethisches und Rechtliches
Das Konzept umfasste das geschichtliche Entstehen des Bestatter-Berufs, Rechtliches, psychische und ethische Aspekte, das Herstellen einer Urne, Interviews sowie eine Umfrage. Eine erste Herausforderung war schon mal das Fabrizieren der Urne. Stefanie Jordi wollte eine mit Ton modellieren – sie hatte sich einst auch mit einer solchen Berufsrichtung befasst. Nun wollte sie ihrem geliebten Hund Lucky, der vor vier Jahren starb, selbst eine Urne herstellen. Dabei half ihr die Kleindietwiler Keramikerin Christine Burch. Das Resultat wurde so schön, dass sich Stefanie Jordi inzwischen entschieden hat, die Urne mit Luckys Asche nicht zu begraben. Deshalb wird sie für ihren verstorbenen vierbeinigen Freund eine sichtbare letzte Ruhestätte suchen. Natascha Mathys hat ihre Urne mit Hilfe eines einstigen Drechslers gedrechselt. Was sie damit machen will, weiss die angehende Schreinerin noch nicht: «Wir werden sehen …»
Spannend haben die jungen Frauen in ihrer Arbeit den Wandel vom einstigen Leichenbitter und Zeremonienmeister zum Bestatter beschrieben, der mit dem Schreinerberuf vielfach einen engen Zusammenhang hat. Sie streiften bei ihren Recherchen – national und international – verschiedene auch alte Kulturen, Zeremonien und die in Westeuropa üblichen Bestattungsarten, gaben in ihren Aufzeichnungen zudem den Sterbe- und Trauerbegleitungen Raum.
Ebenso spannend waren für die beiden angehenden Schreinerinnen die Interviews mit zwei Bestattungsunternehmen, eines bei der Schreinerei Graf in Huttwil, das andere bei Wilma Lauber, Bestatterin in Oensingen. Im Rahmen der Swiss Skills in Bern gelang es ihnen sogar ungeplant, Polizisten zum Thema zu interviewen – eine weitere für sie eindrückliche Erfahrung. Mittels eines ausgeklügelten Fragebogens befragten Stefanie Jordi und Natascha Mathys 100 Teilnehmende zu deren Umgang mit dem Tod, mit der Trauer, mit einem Suizid, die Art des Abschiednehmens, Vorstellungen bezüglich des eigenen Ablebens und andere. Der grössere Teil der befragten Personen war unter 55, einige auch über 56 Jahre alt.
Zu ihren Aufgaben machten es sich die beiden auch, eigene Trauerphasen niederzuschreiben sowie trauernde Personen in ihrem Umfeld über mehrere Wochen und Monate hinweg zu beobachten, wie diese die Trauerverarbeitung angehen.
«Uns ist aufgefallen, dass das Thema ‹Bestatten› doch nicht so tabu ist, wie wir es am Anfang dachten. Wir waren ziemlich überrascht von den individuellen Antworten der Befragten und von unseren gemachten Beobachtungen», stellen die beiden fest.
Aufzeichnungen hatten sie nach fünf Stunden Interviews, unzähligen Recherchen, Beobachtungen und Selbsterfahrung nun viele – alles zusammenzustellen war für die «Praktikerinnen» eine happige Aufgabe, die sie aber hervorragend meisterten. In ihrer VA zeigten sie eindrücklich die Herausforderungen einer Bestatterin / eines Bestatters auf, vorab die psychische Stärke und die Feinfühligkeit, die sie oder er benötigen.

Aufwand hat sich gelohnt
Ihre intensive Arbeit habe sich gelohnt: «Ich finde es super, dass wir dieses Thema gewählt haben, denn es brachte mich weiter und hat mich darin bestätigt, nach meiner Ausbildung Bestatterin zu werden», so Natascha Mathys. Für sie würden die sensible Betreuung der Hinterbliebenen und der Respekt gegenüber den Toten im Vordergrund stehen. Und Stefanie Jordi: «Für mich wäre dies nichts», sagt sie klar. Aber auch sie fand das Thema spannend und lehrreich. Es habe sie weitergebracht.
«Es war eine grossartige Erfahrung und auch eine super Zusammenarbeit mit Natascha. Es war eine sehr intensive und arbeitsreiche Zeit, welche ich aber auch genossen habe.» Ausserdem hätten die beiden sehr viel Hilfe und Unterstützung bei ihren Recherchen erhalten. «Das schätzen wir sehr.» Beide bedauern allerdings, dass es nicht möglich war, bei einem reellen «Fall» dabeizusein.
Zu einem vom Lions Clubs Langenthal verliehenen Preis hat es ihnen zwar nicht gereicht. Aber mit ihrem Thema und dem zielbewussten, aufwändigen und sehr freimütigen Vorgehen haben sie beeindruckt.

Berufsstolz
Viel mehr Freizeit als während dem Erstellen der Vertiefungsarbeit – es gab ja immerhin gute zwei Wochen zusätzlichen Arbeitsaufwand – werden die jungen Frauen auch in der nächsten Zeit nicht haben.
Sie beteiligen sich am Kantonalen Schreinerlehrlings-Wettbewerb, fertigen ausserhalb der Arbeitszeit im Lehrbetrieb ein anspruchsvolles Möbelstück an und werden dieses vom 18. bis 23. März in der Berufsfachschule Langenthal ausstellen. Dazu kommen Prüfungen, das Herstellen eines Prüfungsmöbelstücks … «Längwilig wirds üüs nid», schmunzeln Stefanie Jordi und Natascha Mathys. Sie behalten trotz dem gegenwärtigen Non-stop-Programm ganz offensichtlich ihre gute Laune und fühlen: «Wir haben den richtigen Beruf gewählt und sind stolz darauf, angehende Schreinerinnen zu sein.»

Von Liselotte Jost-Zürcher