• In Zukunft soll die schönere Seite des alten Dorfspychers zur Strasse hin zeigen. · Fotomontage: zvg

05.10.2020
Emmental

Die alte Glocke soll wieder läuten

Anlässlich der Hauptversammlung des Gönnervereins Dorfspycher wurde über das bevorstehende 875-jährige Jubiläum der Gemeinde Affoltern informiert. Ein eigens dafür gegründeter Trägerverein möchte zum Jubiläum nicht nur ein Fest veranstalten, sondern eine bleibende Erinnerung schaffen. Dabei soll die älteste Kirchenglocke, welche seit über 80 Jahren vor der Kirche steht, wieder zum Läuten gebracht und der alte Dorfspycher um 180 Grad gedreht werden.

Affoltern im Emmental · Die ansonsten gewohnt kurze Hauptversammlung des Gönnervereins Dorfspycher Affoltern dauerte dieses Mal etwas länger. Roland Ryser, OK-Präsident des «Trägervereins 875 Jahre Affoltern im Emmental» informierte gegen Ende der Versammlung die Anwesenden über die geplanten Festivitäten des bevorstehenden hohen Jubiläums, bei denen der alte Dorfspycher um 180 Grad gedreht und für die alte Kirchenglocke ein Campanile aufgestellt werden soll.

Offizielles Gemeindewappen
Der Name Affoltern tritt zum ersten Mal im Jahr 1146 in einer Schenkungsurkunde an das Kloster Frienisberg auf. Er stammt aus dem althochdeutschen affoltera, apfolter und bedeutet Apfelbaum. Durch einen Gemeinderatsbeschluss vom 28. April 1945 wurde als Gemeindewappen ein «ausgerissener grüner Apfelbaum mit roten Früchten auf silbernen Grund» offiziell angenommen.
Die alten Feuereimer sowie die Schützenfahne von 1822 zeigten einen rechtsschräg geteilten Schild mit einem Stern in der oberen Schildhälfte. Beide Wappen, der Apfelbaum wie der Schild mit dem Stern wurden bereits im 12. und im 13. Jahrhundert von den Freiherren von Affoltern geführt. Nach der Überlieferung hatten diese ihren Wohnsitz «beim Hofe Widen» südlich des Dorfes. Ob sie mit den Zürcher Rittern (Affoltern am Albis), welche ähnliche Wappen führten, verwandt waren, ist nicht bekannt.

Dorfspycher wird gedreht
Der Dorfspycher «Ausserhof» wurde 1617 erbaut. Er diente ursprünglich zur Aufbewahrung von Getreide, Fleisch, Dörrfrüchten, Kleidern, Geld, Vorräten an Tuch und Garn sowie von Schriften und Kleinodien. Heute kann er für Ausstellungen und Anlässe gemietet werden.
1983 musste der erhaltenswerte Spy­cher der Strassenkorrektur weichen. Die Stiftung Dorfspycher Affoltern i.E. übernahm daraufhin die Aufgabe, das Haus in seiner ursprünglichen Form wiederaufzubauen. Die Renovation wurde im Frühjahr 1984 beendet.
Nun soll anlässlich des 875-jährigen Jubiläums der alte Dorfspycher am 29. Mai um 10 Uhr gedreht werden. Zukünftig soll die schönere Seite des Spychers zur Strasse hinzeigen. Damit ist die Treppe beim Eingang im Winter nicht mehr dem Salzwasser und dem aufgestossenen Schnee des Pfluges ausgesetzt. Ein offizielles Dorfspy­cherfest soll dann am Wochenende vom 26. und 27. Juni 2021 stattfinden.

Alte Glocke soll wieder läuten
Obwohl Affoltern bereits 1146 zum ersten Mal geschichtlich erwähnt wurde, gab es erst 1275 einen quellengestützten Hinweis auf das Bestehen einer einfachen Kapelle oder Kirche. Dabei sollte eine allgemeine Kirchensteuer für den vom Papst gewünschten Kreuzzug ins Heilige Land erhoben werden. Es gibt jedoch Hinweise, dass die kleine Kirche, die dem heiligen Erzengel Michael geweiht wurde, bereits vorher Bestand hatte. Im Jahr 1408 folgte eine grössere Kirchenrenovation. Es wird angenommen, dass in diesem Zusammenhang der Glockenturm erbaut und die erste Glocke von Affoltern darin aufgehängt wurde. 1938 musste diese bei einer gründlichen Renovation vier neuen Glocken weichen. Sie wäre beinahe einer Glockengiesserei zum Opfer gefallen, hätten nicht einige Bürger sich dagegen gewehrt und sie dank einer Petition an den Kirchgemeinderat und einer Spendenaktion gerettet. Seither wacht die unterdessen 612 Jahre alte Glocke auf dem Rasen vor der Kirche. Sie soll anlässlich der 875-Jahr-Feier neben der Kirche in einem frei stehenden Glockenturm, einem sogenannten Campanile, wieder zum Läuten gebracht werden. Der Campanile wird zum Erntedankfest am 3. Oktober 2021, feierlich eingeweiht.
Eine kleine Ausstellung mit Text, Bild und Film zur Geschichte von Affoltern aus der Glockenperspektive runden den Anlass ab. Eine jährliche Erinnerungsfeier soll sorgen, dass die Geschichte der ersten Glocke nicht mehr in Vergessenheit gerät.

Von Marion Heiniger