• Auf dem ZAR-Areal in Aarwangen haben rund 100 Personen an der Übung zum Thema Erdbeben teilgenommen. · Bilder: Leroy Ryser

  • Begonnen hat die Übung mit einem ersten Abspracherapport bei der Einsatzzentrale.

  • Innert Kürze wurden dann schon die ersten Figuranten befreit und betreut.

  • Für die Rettung brauchte es manchmal auch die grosse Ausrüstung der Feuerwehr.

  • Ein Blick in die Einsatzzentrale zeigte: Hier laufen alle Informationen zusammen.

26.04.2024
Langenthal

100 Personen bei Erdbeben-Übung im Einsatz

Unter der Leitung des Rettungsdienstes vom Spital Region Oberaargau SRO haben die Blaulichtorganisationen mit weiteren Partnern eine umfassende Übung im ZAR in Aarwangen durchgeführt. Aufgrund eines Erdbebens stürzten Gebäude ein, was dazu führte, dass mit Figuranten, Übungsleitern und der eingesetzten Mannschaft über 100 Personen vor Ort waren.

Aarwangen · Der Mann ist leuchtend gelb gekleidet, auf seinem Gilet sind reflektierende Flächen und auf dem Kopf trägt er einen Helm mit einem überdeutlich sichtbaren Orange. Er greift zum Funkmikrofon. «Ich habe hier einen ‹Roten› auf dem Turm.» Die Antwort kommt prompt aus der Einsatzzentrale: «Verstanden, roter Patient auf dem Turm.» Der Mann, der in einer Rettungssanität-Montur gekleidet ist, geht unbeirrt weiter. Der Patient, den er gefunden hat, lässt er liegen – und dies, obwohl sich später herausstellt, dass «rote» Patienten jene mit der höchsten Verletzungsstufe sind. Was also, wenn der Patient schon tot ist, wenn der nächste Rettungssanitäter ihn auffindet? Könnte theoretisch passieren, bestätigt Thomas Giger, Leiter Rettungsdienst im Spital Region Oberaargau SRO und erklärt dies genauer: «Wir sind hier in einer Extremsituation. Das Wichtigste ist, dass wir uns zuerst einen Überblick verschaffen. Das heisst, wir müssen möglichst alle Patienten erfassen, anschauen und danach entscheiden, zu welchen wir zuerst gehen. So können wir uns einen Überblick verschaffen, mit welchem wir sicherstellen, unsere Ressourcen bestmöglichst einzusetzen.» Das passiert dann in der Einsatzzentrale. Dort laufen die Informationen ständig zusammen. Der  Einsatzleiter weiss also, welche Teams vor Ort sind, was die können und welche Patienten in welchen Zuständen – rot, gelb und grün – und wie sie erreichbar sind.

Nein sagen – ein harter Job
Im oben skizzierten Fall braucht es eine Autodrehleiter und somit die Feuerwehr, um den Patienten überhaupt zu erreichen. Also teilt der Einsatzleiter sogleich ein Feuerwehrteam mit einem Rettungssanitäter-Team für diesen Patienten ein, alsbald diese verfügbar sind. Gerade bei den Rettungssanitätern hatten aber andere Einsätze noch höherrangige Prioritäten. Denn: Wer einfacher zu erreichen ist, aber ebenso rot eingestuft wird, erhält vorher Hilfe. «Dies sind zwei knallharte Aufgaben. Vor allem jene Person, die als erste verfügbare Person das ganze Areal absuchen und den ersten Kontakt zu den Patienten herstellen muss, hat einen schwierigen Job», weiss Thomas Giger. Ihre «Retter» wieder gehen zu lassen, fällt den Verletzten verständlicherweise oft schwer. «In dem Moment zu sagen: Nein. Ich kann dir nicht helfen, ich muss weiter gehen – obwohl man offensichtlich Rettungssanitäter-Klamotten trägt und wohl auch helfen könnte, ist hart. Aber es dient der ganzen Organisation.»
Dieses realistische Szenario hat sich am vergangenen Montagabend im «ZAR» Ausbildungszentrum in Aarwangen abgespielt und wird sich am kommenden Montag erneut abspielen. Der Anlass dazu ist eine Übung, geleitet vom Rettungsdienst des SRO. Trainiert wird der Ernstfall, gleich ein grosser dazu. Ein Erbeben soll stattgefunden haben und hat in Aarwangen – folglich beim ZAR – Gebäude einstürzen lassen und Personen verschüttet. Aufgeboten werden die Feuerwehren Aarwangen und «Bipp», die Samariter S+, die Kantonspolizei, der Zivilschutz Langenthal und natürlich der SRO Rettungsdienst, ausserdem helfen auch Personen vom ZAR mit. Mitsamt Figuranten, Übungsleitern und Schiedsrichtern sind rund 100 Personen auf dem Areal vor Ort und erledigen die ihnen zugewiesenen Aufgaben.

Mit Lähmungserscheinungen
Das Ziel der gesamten Übung? Prüfen, ob bei einem aussergewöhnlichen Ereignis die Abläufe und Prozesse stimmen und ob die Zusammenarbeit mit den verschiedenen Organisationen einwandfrei funktioniert. Da darf auch der eine oder andere Fehler gemacht werden, um diesen dann im Ernstfall zu vermeiden. Beispielsweise wurde eine Autodrehleiter im ersten Versuch zu nahe ans Gebäude gefahren, bis die Übung lanciert war, stockte es auch in gewissen Momenten ein wenig – aber plötzlich lief alles wie geplant, bis hin zum Abtransport der Verletzten.
Apropos Verletzte: Die rote Patientin vom Szenario zu Beginn des Berichts hat es mehr oder weniger heil nach unten geschafft. Mit der Drehleiter wurde sie abtransportiert und in ein Fahrzeug des SRO eingeladen. Lähmungserscheinungen hatte die Frau, die an diesem kalten, nicht witterungsfreien Montagabend im Sinne der Übung beharrlich am Boden lag und auf ihre Retter wartete. Alle fiktiven Personen haben das geübte Erdbeben zwar nicht überlebt, nach fast drei Stunden üben konnten die Verantwortlichen jedoch wichtige Erkenntnisse gewinnen, um für einen möglichen Ernstfall noch besser vorbereitet zu sein.

Von Leroy Ryser