• Urs Duppenthaler (Präsident), Kurt Baumann (Kassier), Peter Leuenberger (Sekretär) und Heinz Duppenthaler (Beisitzer) im Heizungsgebäude. Es fehlt Hans Duppenthaler (Geschäftsführer). Bild: Patrik Baumann

26.07.2019
Oberaargau

22 000 Kubikmeter Holzschnitzel in zehn Jahren verbrannt

Seit zehn Jahren versorgt die Schnitzelheizung am Sagiweg in Melchnau 30 Liegenschaften und Gewerbebetriebe mit Wärme. Gegründet wurde der Wärmeverbund aus der Not heraus, heute schliessen die vier Gesellschafter noch immer neue Häuser an.

 

MELCHNAU · Am Fusse der Grünenbergruine wird seit über 175 Jahren die Milch aus dem Dorf und der Umgebung zu Käse verarbeitet. Die Produktion benötigt seit jeher grosse Mengen an Wärme, um die Milch auf die nötige Temperatur zu erhitzen. Als 2008 ein Ausfall der Ölheizung drohte, schaute sich der damalige Vorstand nach möglichen Alternativen um. Eine Mehrheit der Genossenschafter stellte sich gegen eine Investition in eine Schnitzelheizung. So schafften vier Mitglieder der Käsereigenossenschaft die heutige Lösung selbst, in dem sie den Wärmeverbund Sagiweg gründeten, eine Schnitzelheizung bauten und bereits im Jahr darauf die Käsereigenossenschaft mit Wärme versorgten. «Die Wärme, die wir verkaufen, ist noch immer etwas teurer als Wärme aus einer Ölheizung, dafür produzieren wir CO2-neutral und verbrennen Schweizer Nassschnitzel», erklärt der heutige Geschäftsführer Hans Duppenthaler. 

Strom und Wärme aus Sonnenenergie 

Bereits beim Bau der Anlage war klar, dass nicht nur Holz verbrannt werden sollte, sondern auch die Sonnenenergie ein grosses Potenzial bietet. So verschickten die Gründer ein eher aussergewöhnliches Flugblatt und baten um Unterstützung. Unterstützende konnten sich einen Quadratmeter Sonnenkollektoren «kaufen», in dem sie ein Darlehen zur Verfügung stellten. Im Gegenzug bezahlt der Wärmeverbund bis heute seine Zinsen mit einem jährlichen 100-Franken-Gutschein der Käserei. So werden auf den Dächern der Heizzentrale und der benachbarten Garage jährlich 35 000 Kilowattstunden (kWh) Heizenergie produziert. 2011 stand das nächste Sonnenenergieprojekt vor der Tür: Zwei Bauernfamilien bauten im Gjuch einen Laufstall für 50 Milchkühe und schnell erkannte der Wärmeverbund das Potenzial des 915 Quadratmeter gros-sen, gegen Süden ausgerichteten Daches. «Wir installierten damals mit grossen Eigenleistungen 540 Photovoltaikmodule, mit denen wir jährlich zirka 118 000 kWh Strom produzieren können», erläutert der Sekretär Peter Leuenberger. Die produzierte Energie reicht aus, um den Strombedarf von über 20 Haushalten zu decken. 

700-kW-Ofen und Notfallszenarien

«Würde der Wärmeverbund nicht mehr liefern, so müssten die 40 angeschlossenen Haushalte frieren, die Produktion der Käserei wäre unterbrochen und weder im Alters- und Pflegeheim Schärme, der Schule oder dem Gasthof Löwen käme noch Wärme an», weiss der Geschäftsführer Duppenthaler. Damit dieser Fall verhindert werden kann, wurden zwei Speicher mit je acht Kubikmeter Speichervolumen eingebaut. Sollte der Holzofen dennoch ausfallen, so würden automatisch drei Ölfeuerungsanlagen im Verbundgebiet hochgefahren, welche so jederzeit in die Bresche springen könnten. Neben den jährlichen Revisionen, vor denen der 700-kW-Ofen jeweils mehrere Tage auskühlen muss, kommen immer wieder Herausforderungen auf den Wärmeverbund zu. Eine Rauchgas-Waschanlage reinigt nicht nur die Dampffahne von Abgasen, sondern kann mit einem integrierten Wärmetauscher weitere Energie aus der Abluft entnehmen. In den nächsten Jahren stehen die ersten grösseren Sanierungsmassnahmen im Investitionsplan, denn die über 22 000 Kubikmeter verheizten Schnitzel hinterliessen ihre Spuren an der Anlage.

Energiestadt dank Wärmeverbund
Dennoch, die Investitionen lohnen sich langfristig. Jährlich werden über 170 000 Liter Heizöl eingespart und durch den Verbrauch einheimischen Holzes kann Holz, das nicht als Bauholz ausreicht, dennoch verwendet werden. Die Heizzentrale war ausserdem ein wichtiger Grund, weshalb Melchnau 2018 mit dem Energiestadtlabel ausgezeichnet werden konnte, denn fast 25 Prozent des Wärmebedarfes der Gemeinde wird durch die drei Wärmeverbünde wie demjenigen am Sagiweg gedeckt. 

Weitere Infos: www.waermeverbund-melchnau.ch

Von Patrik Baumann