3. Rang fühlt sich wie ein Sieg an
Mountainbike-Weltcup 2021, 1. Rennen in Albstadt – Was für eine tolle Show des 32-jährigen Leimiswiler Mountainbikers Mathias Flückiger beim Weltcupauftakt auf der schwäbischen Alp. In Albstadt trat «Math» nicht ganz fit an und wurde nach langer Führungsarbeit und einem Defekt in der Schlussrunde trotzdem glänzender Dritter.
Radsport · Was für ein Spektakel zum Weltcup-Start der Mountainbiker in Deutschland am vorsommerlichen Sonntag. Während 80 Rennminuten zeichnete vor allem auch der regionale Topbiker Mathias Flückiger aus Leimiswil dafür verantwortlich. Clever genug aus vielen Jahren Rennerfahrung ging er die horrende Startpace der Mitfavoriten Mathieu van der Poel (Holland) und Henrique Avancini (Brasilien) nicht mit.
Rückstand nach 10 km wettgemacht
Aus guter fünfter Position gestartet, lag Flückiger schnell einmal eine halbe Minute zurück auf dem 20. Rang. Nach 4,5 km betrug der Rückstand von «Math» noch 23 Sekunden (14. Rang). Nervös wurde der Oberaargauer nie. Im Gegenteil. Nach etwas über 18 Rennminuten kam es zum Zusammenschluss. Und für die übereifrigen van der Poel (7. Schlussrang) und Avancini (10. Schlussrang) waren die Siegchancen damit schon weg. Zuviele Körner hatten sie während der unüberlegten Startoffensive liegen gelassen. «Ich fühlte zu Rennbeginn auch noch meine Erkältung, die ich seit dem misslichen Wetter an der Tour de Romandie auskuriere. Je länger das Rennen dauerte, umso besser fühlte ich mich», bilanziert Flückiger seine Weltcuppremiere 2021. In der Tat: Nach 7 km lag Flückiger nur noch vier Sekunden hinten (10. Rang) und nach 9,7 km hatte Flückiger zur Spitzengruppe aufgeschlossen.
Flückiger setzt Nadelstiche
Just als der britische Shootingstar Thomas Pidcock durch eine falsche Routenwahl aus den Pedalen steigen musste und einige Sekunden verlor, griff Flückiger in der Steigung resolut an und führte das Rennen an. Fortan waren Flückiger, der Churer Mountainbike-Überflieger Nino Schurter (32 Weltcupsiege) sowie der Franzose Viktor Koretzky an der Rennspitze zu sehen. Und Flückigers Tempoverschärfung sorgte dafür, dass dem von der 100. Startposition wie der Wirbelwind nach vorne gefahrene Pidcock zuviel Kraft investieren musste und darum nicht ganz um den Tagessieg mitfahren konnte (5. Schlussrang mit 29 Sekunden Rückstand).
Defekt verhindert Siegfahrt
Während Mathias Flückiger jede Zeitmessung als Leader passierte, betrug der Rückstand des grossen Talents aus Grossbritannien nach 23,8 km bereits 25 Sekunden. Durch schnelle Antritte konnte «Math» immer wieder Löcher aufreissen. «Dies gab mir zusätzlichen Dampf. In der letzten Runde wollte ich den finalen Angriff lancieren», erklärt der gebürtige Ochlenberger. Als Führender griff er im ersten Anstieg der letzten Runde wie geplant an. Sofort bemerkte er aber, dass ihn ein technischer Defekt hindert. «Das Kabel, welches es mir ermöglicht, mittels Hebel meine Sattelstütze automatisch rauf und runter zu bewegen, war gerissen. Der Sattel blieb unten.» Dieser Zwischenfall zwang Flückiger, die gesamte letzte Runde stehend zu fahren, weil der Sattel sitzend viel zu tief war. «Mit der Zeit verkrampften meine Beine total, weshalb ich das Duo Schurter/Koretzky ziehen lassen musste.» Trotz dieses energieraubenden Handicaps konnte der 32-Jährige den Tschechen Ondrej Cink im Kampf um den 3. Rang bis ins Ziel auf kleiner Distanz halten.
«Wie ein Sieg»
«Gemessen an allen Zwischenfällen fühlt sich dieser 3. Rang wie ein Sieg an. Ich bin mit dem gesamten Wochenende mehr als zufrieden. Nach meiner kurzfristigen Anreise am Freitag wusste ich noch nicht einmal, ob ich beim Short-Race überhaupt starten werde, weil meine Erkältung immer noch präsent war. Dann schaffte ich nach viel zu kurzer Streckenbesichtigung mit nicht kompletter Leistungsfähigkeit den tollen 5. Rang», freut sich Flückiger. «Und am Sonntag habe ich mir selber bewiesen, dass ich selbst bei nicht 100-prozentiger Fitness um einen Weltcupsieg fahren kann. Ich bin mit dem Rennwochenende hochzufrieden. Und es motiviert mich für die nächsten Einsätze ungemein. Mal schauen, was ich wieder ganz fit und ohne Defekt liefern kann. Mein Form ist sehr gut.» Bereits am kommenden Sonntag findet im tschechischen Nove Mesto das nächste Weltcuprennen statt.
An der Rennspitze kam es aus Schweizer Sicht zu einem bitteren Ausgang. Nino Schurter brachte seinen finalen Angriff nicht bis ins Ziel. Der Franzose Victor Koretzky, welcher keinen Meter Führungsarbeit leistete und die ganze Zeit über am Hinterrad von Schurter klebte, feierte als lästiger «Windschätteler» dank mehr Sprintkraft im Finish seinen ersten Weltcupsieg.
Auszug aus der Rangliste: Elite Männer (142 Klassierte): 1. Victor Koretzky, Frankreich, 1:20:23; 2. Nino Schurter, Schweiz/Chur, 1:20:25; 3. Mathias Flückiger, Schweiz/Leimiswil, 1:20:46; 4. Ondrej Cink, Tschechien, 1:20:48; 5. Thomas Pidcock, Grossbritannien, 1:20:52; 39. Marcel Guerrini, Schweiz/Ufhusen, 1:25:45; 50. Lukas Flückiger, Schweiz/Wynigen, 1:26:31.
Von Stefan Leuenberger