7633 Zugvögel über Hinterarnialp gezählt
In der über 20-jährigen Statistik des Natur- und Vogelschutzvereins (NV) Wasen findet man keine solchen gigantischen Aufzeichnungen von den alljährlichen Zugvogeltagen, wie sie am ersten Oktoberwochenende gemacht wurden.
Emmental · Zum 29. Mal machte der NV Wasen anlässlich des EuroBirdWatch, des europaweiten Zugvogelwochenendes, an dem die Zugvögel auf ihrem Flug in den Süden beobachtet und gezählt werden, mit. Die Nahrungsgrundlage für viele Vögel ist bei uns in den kalten Monaten nicht mehr vorhanden und so ziehen sie von ihren Brutgebieten südwärts in wärmere, nahrungssicherere Überwinterungsgebiete. Insgesamt gab es 53 Beobachtungsstände schweizweit. Der Beobachtungsstand auf der Hinterarnialp gilt als idealer Punkt, um die Zugvögel in einem 360 Grad Rundumblickfeld auszumachen und zu sehen. Wenn man sie durch Feldstecher und Fernrohre im Norden erblickt, kann man sie verfolgen, bis sie in Richtung Süden verschwinden.
Fantastischer Sonntag
Am Samstag betrug die Sicht auf 1200 Meter über Meer zeitweise nur gerade 50 Meter. Dies bedeutete schlechten Vogelzug. Der Sonntag entschädigte für den schlechten Samstag. Nach einer mehrtägigen Schlechtwetterstaulage der Zugvögel, an denen die Vögel rasten und auf gutes Flugwetter warten, begann am Sonntagmorgen ein Vogelzug wie ihn die Mitglieder des NV Wasen in den zurückliegenden Jahren noch nie erlebt hatten: Ununterbrochener Vogelzug soweit die Augen und die Feldstecher sehen konnten. Überschwänglich die Freude bei allen Anwesenden. Alle Daten wie Anzahl Vögel, die drei am meisten gesichteten Vogelarten, Anzahl Arten und Besuchende müssen am Sonntagabend an BirdLife Schweiz gemeldet werden.
Hinterarnialp beliebt
Laut Meldeblatt von BirdLife Schweiz zählte der Stand des NV Wasen auf der Hinterarnialp mit 300 Besuchern zum meistbesuchten Stand der Schweiz, der Bekanntheitsgrad des Beobachtungsstandes am Zugvogeltag des NV Wasen und dem dazugehörenden Rahmenprogramm reicht weit in andere Kantone hinaus und so besuchten Interessierte auch aus anderen Kantonen den Anlass. Das Interesse machte sich auch beim Beobachtungsstand bemerkbar, an dem Vereinspräsident Martin Leuenberger und Vereinsmitglied und Biologe Christian Roesti und vielen anwesenden Vogelkennern viele Fragen zum Vogelzug und der Vogelwelt allgemein gestellt wurden. Der ununterbrochene Vogelzug am Sonntag war auch für sie und alle Mitglieder des NV Wasen ein noch nie dagewesenes Erlebnis an einem BirdWatch. Die Seiten in der Statistikführung füllten sich zunehmens. Es blieb kaum Zeit, eine Sichtung bis weit nach Süden zu verfolgen, wurden von Norden herkommend bereits die nächsten Arten von den Vogelkennern angekündigt.
Bestes Jahr seit Aufzeichnung
Gross war die Freude an vielen Schwärmen von Ringeltauben, Buchfinken oder den vorbeiziehenden über hundert gesichteten Kormoranen in ihrem Formationsflug. Eine enorme Anzahl südwärtsziehender Schwalben war ebenfalls auszumachen, zur grossen Verwunderung in einer Schwalbengruppe zudem noch ein Mauersegler, der bei uns im Oktober längst nicht mehr vorkommt und der sich aus Norden herkommend den Schwalben angeschlossen hatte. Ebenfalls zwei Alpensegler waren in einer Schwalbengruppe mitziehend. Als Highlight galt die Sichtung eines Rotkehlpiepers. Dieser Zugvogel bewohnt die nördliche Taiga und die Strauchtundra in Eurasien und Alaska und überwintert in den Tropen Afrikas und Asiens. Bei den Greifvögeln war eine Rohrweihe zu sehen, welche ebenfalls über die Schweiz in ihr Überwinterungsgebiet in West- und Zentralafrika fliegt. Ziehende Rotmilane, welche von Nordskandinavien herkommen, wurden ebenfalls notiert, wie auch sehr viele Mäusebussarde, welche überwiegend Teilzieher sind. Dank der enorm guten Fernsicht und dem weiten Blickfeld konnten insgesamt 51 Vogelarten erkannt werden. Am meisten wurden Buchfinke, Mehlschwalben und Ringeltauben gezählt. Dazu noch einige Admiral Schmetterlinge, welche ebenfalls südwärtsziehen. Total wurden 7633 Vögel gezählt, soviele wie noch nie in den letzten 29 Jahren. Einzig in Adelboden wurden im Vergleich zum Hinterarni knapp 900 Individuen mehr gezählt.
Der Specht im Guschtistall
Seit vielen Jahren wird jeweils im Oktober unter BirdWatch OK Präsident Martin Pfister im leeren Guschtistall eine Festwirtschaft und eine Naturausstellung errichtet. Dieses Jahr war die Ausstellung dem «Specht – Zimmermann des Waldes» gewidmet. Spechte gehören zu den bekanntesten waldbewohnenden Tierarten. Bei Präparaten des Bunt-, Schwarz-, Grau- und Grünspechts konnte man diese wunderbaren Vögel ganz nah betrachten. Mit Literatur, Dokumentationsmaterial und einem Tonfilm wurde den Besuchern dieser Höhlenbrüter näher vorgestellt. So war im Guschtistall immer wieder das Klopfen des Spechts zu hören.
Chilbibetrieb
Im Rahmenprogramm spielten am Samstag «Erika, Fritz und Ursula» musikalisch auf und unterhielten die Abendbesuchenden in geselliger Runde. Am Sonntag musizierte das «Trio Schwalbengruess» im vollbesetzten Guschtistall und es wurde um Lebkuchen und Blumen gezwirbelt, man konnte sein Glück beim Schätzwettbewerb versuchen oder Feines aus «Kuri´s Küche» oder dem Kuchen- und Tortenbuffet geniessen. Die ganze NV Wasen-Vereinsfamilie hilft stets tatkräftig bei diesem Anlass mit.
Von Barbara Pfister