• Der 32-jährige Mountainbiker Mathias Flückiger aus Leimiswil befindet sich in der Form seines Lebens und hat dementsprechend hohe Ziele. · Bilder: Keystone

  • Wie 2019 machte Mathias Flückiger auch 2021 einen Abstecher an die Tour de Romandie. Das Strassenprojekt von «Math» wurde aber vom schlechten Wetter negativ beeinflusst.

06.05.2021
Sport

«Alle Fahrer müssen mich zuerst hinter sich lassen»

Interview: Stefan Leuenberger im Gespräch mit Mathias Flückiger, Mountainbiker aus Leimiswil – Der 32-jährige Leimiswiler Mountainbike-Profi Mathias Flückiger befindet sich in der Form seines Lebens. Sportlich und auch privat läuft es «Math» wie geschmiert. Der «UE» unterhielt sich mit dem Mitfavoriten auf Olymipa-Gold an den Olympischen Spielen in Tokio.

Radsport · Mit Siegen in den prestigeträchtigen Bike-Rennen in Italien und Österreich, bei denen Sie mitunter die Schweizer Bike-Überfigur Nino Schurter zweimal hinter sich gelassen haben, verbuchten Sie einen optimalen Start in die Saison 2021.
Absolut. Diese Steigerung erfolgte aber kontinuierlich. Ich habe mich jedes Jahr ein bisschen verbessert, machte in den Rennen ständig Ränge gut. Nun habe ich erreicht, was ich mir mit harter Arbeit vorgenommen hatte: Ich kann in jedem Rennen um den Sieg mitfahren.

Hochprofessionelle Leistungstests in Magglingen im April haben ergeben, dass Sie sich in der Bestform Ihres Lebens befinden.
Tatsächlich ist dies so. Natürlich sind solche Feststellungen nur Momentaufnahmen und entstanden zum Saisonbeginn. Aber ich freue mich natürlich sehr darüber, weil ich genau weiss, wieviel Schweiss ich reingesteckt habe, um solche Ergebnisse zu erreichen.

Nicht nur sportlich läuft es Ihnen, es stimmt auch privat wieder. Nach ganz schweren Monaten mit Motivationsproblemen nach der Trennung von Ihrer langjährigen Partnerin ist der Liebeskummer weg. Sie haben eine neue Liebe gefunden.
Seit letztem Herbst habe ich eine neue Partnerin. Es passt mit Lisa ausgezeichnet. Wir sind sehr glücklich zusammen.

Es pedalt sich besser, wenn es in der Liebe stimmt.
In der Tat. Es fällt einfacher, sich zu fokussieren, wenn man glücklich ist. Dass ich auf den langen Trainingsfahrten nicht ständig ins Grübeln komme, hängt aber auch mit meiner mentalen Arbeit zusammen. Ich habe enorm an mir gearbeitet. Dies ist auch ein Mosaikstein, der dazu beigetragen hat, dass ich jetzt jederzeit Rennen gewinnen kann.

Zum zweiten Mal nach 2019 haben Sie in der Vorbereitung einen intensiven Abstecher auf die Strasse eingebaut. Wie fällt Ihr Fazit nach den sechs Renntagen an der Tour de Romandie aus?
Gerne würde ich so freudig antworten wie bei meiner erstmaligen Teilnahme. Doch diesmal war es anders. Ich konnte überhaupt nicht umsetzen, was ich mir vorgenommen hatte. Das schlimme Wetter hat dies verunmöglicht. Die ganze Tour über war ich nur damit beschäftigt, zu «überleben», sprich zu finishen. Es war nicht schön.

Bei der Königsetappe waren Sie beim vorletzten Anstieg an der Spitze sehr präsent und dadurch oft im Fernsehen zu sehen. Wie wichtig ist Ihnen dies?
Dies hat sich aus der Rennsituation so ergeben. Wir wollten das Bergtrikot für einen Nationalmannschafts-Teamkollegen sichern und haben darum Druck gemacht. Es war nicht das Ziel dieser Führungsarbeit am Berg, am TV zu kommen. Aber natürlich ist es ein schöner Nebeneffekt, wenn dein Name bei Fernsehübertragungen mehrere Male genannt wird.

Was müssten Sie investieren, um auch auf der Strasse mit der Weltspitze mithalten zu können?
Rennfahrerisch nicht viel. Ich müsste einfach möglichst viel auf der Strasse fahren können. Die Zugehörigkeit zu einem namhaften Team, welches auf dich setzt, wäre aber das A und O, um auf der Strasse erfolgreich fahren zu können. Als Einzelfahrer hast du auf der Strasse, wo eine starke Hierarchie herrscht, keine Chance.

Könnten Sie sich einen kompletten Wechsel auf die Strasse vorstellen?
Nein, weil ich im Mountainbiken unbedingt noch Olympiasieger und Weltmeister werden möchte und mir das Biken zu sehr gefällt. Ein paralleles Fahren auf der Strasse könnte ich mir aber vorstellen. Es ist sogar mein Traum und Ziel zugleich, in den nächsten Jahren für ein Pro-Team Strassenrennen zu fahren.

Am Wochenende startet in Albstadt der Mountainbike-Weltcup 2021. Was hat Ihnen der Abstecher auf die Strasse dafür gebracht?
Ehrlich gesagt: nur Ärger. Weil ich viereinhalbstündige Etappen bei Dauerregen und weniger als 10 Grad mit
einer Durchschnittsgeschwindigkeit von 45 km/h im Feld absolviert habe, bin ich nun erkältet. Das Wetter ist nie bis ins Detail vorhersehbar. Wäre es an der Tour de Romandie sonnig gewesen, hätte ich super von diesem Strassen-Projekt profitiert und in Albstadt um den Sieg kämpfen können. Nun bin ich nicht 100-prozentig fit und muss Tag für Tag schauen, was – wenn überhaupt – beim Weltcupstart möglich ist.

Was erhoffen Sie sich von der Weltcupsaison 2021?
Wie eingangs schon erwähnt, konnte ich mich erneut steigern. Darum möchte ich meine letzte Weltcupsaison 2019 toppen. Damals habe ich nur ein Weltcuprennen nicht in den Top-3 beendet. Ich möchte möglichst viele Weltcupsiege schaffen. Betreffend dem Gesamtweltcup sieht es so aus, dass ich mich in den Short Races, für welche auch Weltcuppunkte vergeben werden, stark verbessern müsste, um eine Chance zu haben. Im Fokus stehen Weltcupsiege.

Das Olympische Rennen in Tokio am 26. Juli 2021 dürfte Ihr absolutes Saisonziel sein. Glauben Sie überhaupt noch daran, dass die Spiele stattfinden können?
Das ist doch keine Frage. Die Olympischen Spiele sind organisiert. Sie werden auf jeden Fall stattfinden. Ich richte meinen Fokus selbstverständlich auf diesen speziellen sportlichen Grossanlass, den ich unbedingt einmal gewinnen möchte. Die gleiche Aufmerksamkeit wie Tokio erhält von mir aber auch die WM im italienischen Val di Sole von Ende August.

Sie sind – wenn gesund – in Topform, haben in jedem Rennen Siegchancen. Eine Olympiamedaille müsste deshalb das Ziel sein. Diese liegt aber nicht auf dem Serviertablett bereit. Macht es Ihnen Sorgen, dass mit Nino Schurter, dem Holländer Mathieu van der Poel und dem gigantischen Shootingstar Thomas Pidcock aus Grossbritannien absolute Überflieger zugegen sind?
Sorgen mache ich mir überhaupt keine. Bis auf den Newcomer Pidcock, der für mich ein grosses Fragezeichen darstellt, habe ich alle starken Mountainbiker, von denen es neben den genannten Namen noch einige mehr gibt, bereits bezwungen. Und ich sage mir immer: alle müssen ein Rennen zuerst fahren. Der Spiess könnte auch umgedreht werden: Alle genannten Fahrer müssen mich zuerst hinter sich lassen.

Einmal angenommen, die Olympischen Spiele finden statt: Wie sieht Ihr Rennfahrplan daneben aus?
Ich werde nur vereinzelt die Swiss Bike Cup-Rennen fahren. Neben den Weltcups plane ich Starts an der SM und an der WM. Die EM lasse ich dieses Jahr aus, weil sie terminlich nicht in meine Rennplanung passt.

Und wenn Tokio wie 2020 auch 2021 nicht stattfindet, auf welche Anlässe werden Sie sich fokussieren?
Ganz klar die Weltmeisterschaft.

Ob Tokio ja oder nein – ist es korrekt, dass Sie an den Olympischen Spielen 2024 in Paris im Alter von 36 Jahren an den Start gehen wollen?
Dies ist absolut korrekt. Bleibe ich gesund und schaffe ich die Qualifikation, werde ich in Paris am Start stehen. Und zwar als Medaillenkandidat und nicht alternder Hinterherfahrer.

 

Kurz gefragt

Bester Mountainbiker ever: Nino Schurter, ganz klar.

Gerade so gut wie Mountainbiken: Da fällt mir nichts ein. Das Biken umfasst alles, was mir Freude bereitet.

Helm: Giro. Und natürlich meine Lebensversicherung. Immer dabei.

Schönster Bikepark: Finale Ligure in der Provinz Savona in Italien. Nicht wirklich ein Bikepark – aber ein traumhafter Ort zum Biken. Und dann natürlich die Ferienregion Disentis Sedrun, einer meiner Sponsoren.

Instrument: Gitarre, wobei ich kein Instrument spielen kann. Aber Musik gehört definitiv in mein Leben. Ich liebe
die 80er.

Kreuzworträtsel: Kann mich nicht erinnern, wann ich das letzte Mal eines versucht habe auszufüllen.

Süssigkeiten: Haselnussschoggi.

Gartenarbeit: Wenn ich Zeit habe, mache ich es grundsätzlich gerne. Aber ich habe einen guten Gehilfen, der ist sehr
fleissig: Mein Rasenmähroboter – ganz ein guter.

Jahreszeit: Frühling, dann kann man sich immer noch auf den bevorstehenden Sommer freuen.

Feriendestination: Sardinien im Herbst, denn dann sind alle Touristen bereits weg, das Wetter aber immer noch perfekt.