«Alle haben ein schönes Grab verdient»
Barbara Wüthrich ist seit 25 Jahren die Friedhofsgärtnerin in Gondiswil. Ende Januar 2023 wird sie in den wohlverdienten Ruhestand gehen. Sie hat die Gräber und die Umgebung auf dem Friedhof immer gerne gehegt und gepflegt, denn sie sagt: «Jede und jeder hat ein schönes Grab verdient.»
Gondiswil · Bereits als Kind begleitet sie jeweils ihre Grossmutter auf den Friedhof und half ihr, die Gräber zu pflegen und anzupflanzen. «Das hat mir immer gefallen. Ich wuchs mit Sicht auf den Friedhof und somit mit ihm auf», erzählt Barbara Wüthrich. Sie erlernte den Beruf der Gärtnerin und arbeitete über die Jahre in verschiedenen Gärtnereien. Mit 30 Jahren heiratete sie und kam mit ihrem Mann zurück nach Gondiswil. Seit jeher pflegte sie die Gräber von Verwandten und war so oft auf dem Friedhof anzutreffen. «Meine Vorgängerin meinte, das wäre doch etwas für mich, und da ich schon immer im Hinterkopf hatte, eines Tages die Friedhofsgärtnerin in Gondiswil zu sein, bewarb ich mich. Und so pflege ich seit 1997 die Gräber und den Umschwung auf dem Friedhof», erzählt sie weiter. Für sie war es ein grosses Glück, im Dorf arbeiten zu können. So hat sie neben dem Friedhof weitere Nebenjobs gehabt, alle im Dorf. «Das habe ich immer sehr geschätzt, ich musste nirgendwo hinfahren, um zu arbeiten.»
Selbstständige Arbeit
Über all die Jahre war sie von der Gemeinde für den Umschwung in Form von Rasenmähen und Laubzusammenkehren angestellt. Von rund 60 Privaten pflegte sie die Gräber der Angehörigen. «Ich habe es immer geschätzt, nicht wirklich einen direkten Chef zu haben. Ich konnte immer selbstständig arbeiten und selbst entscheiden», sagt sie. Drei Mal pro Jahr pflanzte sie jeweils die Gräber mit frischen Blumen an. Ja nach Saison mit Stiefmütterchen, Fuchsien, Begonien oder Erika. «Da habe ich immer mehrere Wagen voll mit Blumen erhalten und etwa vier Tage später habe ich alle gepflanzt gehabt. Das war für mich immer sehr schön und ich habe es auch sehr gerne gemacht.»
Da Barbara Wüthrich in Gondiswil aufgewachsen ist, kennt sie viele Menschen im Dorf und hat auch die meisten auf dem Friedhof gekannt. «Ich überlege mir jeweils beim Anpflanzen, was würde zu der Person passen und was würde sie mögen.» Für sie ist es wichtig, dass die Gräber gepflegt werden. So schaute sie auch zu Gräbern, für die sie eigentlich nicht zuständig gewesen wäre. Denn sie sagt mit Nachdruck: «Jede und jeder hat ein schönes Grab verdient.» Und wenn man sich für ein Grab entscheide, dann darf und soll man es auch pflegen. «Ein schönes und gepflegtes Grab gehört sich einfach», sagt sie bestimmt.
Früher seien die Menschen öfter auf den Friedhof gekommen als heute. Die etwas Älteren hätten den Kontakt eher gesucht und gerne ein wenig geredet. Das habe sich heute mit den vielen Gemeinschaftsgräbern verändert. Obwohl sie hier in Gondiswil einen sehr schönen Friedhof mit einer wunderbaren Aussicht hätten, so sei er halt kein Begegnungsort wie vielleicht in anderen Gemeinden. Und es gebe wenige, die immer und regelmässig kommen würden.
Freud und Leid erlebt
Barbara Wüthrich hat in den bald 25 Jahren viel Freud und Leid miterlebt. «Als ich anfing, hatte es noch mehr Gräber als heute und es gab auch mehr Erdbestattungen. Ich glaube, ich habe damals alle gekannt, die auf dem Friedhof ruhten», erzählt sie. Auf dem Friedhof zu arbeiten ist gewiss speziell und wohl nicht jedermanns Sache. «Man wächst da hinein», sagt sie. «Es gehört zum Leben und man gewöhnt sich irgendwie daran», meint sie. «Ich denke, es ist nicht das Gleiche für mich wie für jemanden, der nur einen Fall erleben muss.» Bei den Trauerfeiern selbst ist sie jeweils nicht anwesend, das sei auch gut so. Aber nachher begegne man den Angehörigen. Und da war sie auch oft so etwas wie eine Seelsorgerin, die zuhörte und zu trösten versuchte. «Da wäge ich jeweils ab, ob die Menschen reden wollen oder nicht», erklärt sie. Viele würden gerne ein paar Worte wechseln, andere möchten einfach ihre Ruhe haben und das respektiere sie auch. «Einfach ist es sicher nicht, vor allem die Begegnung mit den Angehörigen von jungen Menschen», sagt sie. Da habe auch sie grosse Mühe. Die Frage nach dem Warum tauche immer wieder auf und man könne sie nicht beantworten, man müsse das einfach annehmen.
Zeit für sich
Dankbarkeit hat sie immer gespürt und sie wurde geschätzt. Dennoch sei es jetzt an der Zeit, aufzuhören und in den Ruhestand zu gehen. Ende Januar übergibt Barbara Wüthrich an ihre Nachfolgerin Andrea Freiburghaus. «Ich habe ein lachendes und ein weinendes Auge», gesteht die 64-Jährige. Das weinende wird die Begegnungen mit den Menschen, das Pflanzen der Blumen und den für sie nach wie vor speziellen und beruhigenden Ort vermissen. Das lachende freut sich auf mehr Zeit für sich. Nicht mehr müssen und daran denken, was noch gemacht werden muss. «Auch vom körperlichen her bin ich froh, denn ich spüre schon, dass ich älter geworden bin», erklärt sie. Ganz lösen wird sie sich jedoch nicht: «Die Gräber von meinen Verwandten werde ich nach wie vor pflegen», sagt sie. Und falls die neue Friedhofsgärtnerin Ratschläge brauche würde, sei sie da für sie. Aber ansonsten wolle sie sich zurückziehen und sich um ihr Haus und ihren Umschwung kümmern. Velo fahren wolle sie und als Grosi das Hüten der zweieinhalbjährigen Zwillingsmädchen geniessen.
Von Marianne Ruch