• Ab 2022 müssen Automobilisten in Langenthal mit höheren Parkgebühren rechnen, sofern die Langenthaler Stimmbürger im November dem Budget 2022 zustimmen. · Bild: Walter Ryser

03.09.2021
Langenthal

Alle sparen, ausser die Kulturschaffenden

Der Gemeinderat hat beim Budget 2022 den Spargang eingelegt (der «Unter-Emmentaler» berichtete) und Kürzungen im Umfang von 1,3 Millionen Franken vorgenommen. Nicht einverstanden damit waren im Stadtrat die linken Ratsvertreter, die sich vehement und letztendlich erfolgreich gegen die Streichung von 10 000 Franken für freischaffende Künstler wehrten.

Ein Budget für das Jahr 2022 mit einem Defizit von 5,38 Millionen Franken präsentierte der Gemeinderat Langenthal dem Stadtrat. Ursprünglich war dieses Defizit noch drei Millionen höher veranschlagt. Nach einem Kraftakt in der Finanzkommission sowie in allen städtischen Ämtern konnte dieses entsprechend reduziert werden. Die Defizit-Reduktion von drei Millionen Franken beinhaltet sowohl Mehreinnahmen wie auch Minderausgaben. Mehreinnahmen sollen aus höheren Parkgebühren (500 000 Franken) und Strompreisen (200 000) sowie einer Konzessionsabgabe auf dem Bezug von Gas (200 000) resultieren. Aufgrund der deutlich positiveren Wirtschaftsprognosen wurde zudem der Steuerertrag um rund 840 000 Franken höher budgetiert.
Einsparungen wurden im Umfang von 1,31 Millionen Franken vorgenommen. Diese setzen sich laut dem Gemeinderat aus zahlreichen Kürzungen bei Einzelpositionen zusammen. So wird es künftig in Langenthal kein 1.-August-Feuerwerk mehr geben und muss der Werkhof weiter auf die Anschaffung eines neuen Salzstreuers warten, genauso wie die Schulen, die vorerst keine neuen Lehrmittel erhalten. 10 000 Franken weniger sollen gemäss dem Vorschlag des Gemeinderates zudem auch die freischaffenden Künstler erhalten.

SP und Kulturschaffende wehren sich
Während im bürgerlichen Lager das Budget Anklang fand und der Gemeinderat für seine Massnahmen und Korrekturen für einmal Lob erhielt, beispielsweise von Stadtrat Diego Clavadetscher (FDP), der dem Gemeinderat anerkennend attestierte, beim Budget 2022 Führungsverantwortung gezeigt zu haben, zeigten die linken Ratsvertreter vorab bei der geplanten Kürzung im Kulturbereich kein Verständnis.
Bereits vor der Stadtratssitzung wurde SP-Stadträtin Saima Sägesser aktiv und versandte einen Brief mit der Forderung «Keine Kultur-Kürzungen in der Krise», der von 71 Kulturschaffenden unterzeichnet wurde. Sägesser bezeichnete das Vorgehen des Gemeinderates als eine schallende Ohrfeige an die Adresse der Kulturschaffenden, welche von der Corona-Krise existenziell getroffen worden seien. «Jetzt der Kultur weitere Mittel zu entziehen, ist der denkbar schlechteste Augenblick», zeigte sich Saima Sägesser entrüstet, die die vorgesehene Kürzung als Hohn bezeichnete.

Roberto Di Nino entrüstet
Auch Jana Fehrensen (FDP) sprach von einem ungünstigen Signal, das ausgesendet werde, weil Kultur eine wichtige Lebensqualität in Langenthal darstelle. Und Nathalie Scheibli (SP) erinnerte daran, dass einst Schriftsteller Pedro Lenz von einem solchen Beitrag profitiert habe. Gemeinderat Roberto Di Nino (Ressort Finanzen) wehrte sich gegen den Angriff von «links». Er gab zu, dass die 10 000 Franken für das Budget nicht entscheidend seien, «aber, was Saima Sägesser und die SP mit ihrer Aktion hier inszeniert haben, ist ein Angriff auf Langenthal, der so nicht stimmt», zeigte er sich entrüstet. Di Nino warf den Initianten des Briefes vor, dass sie suggerieren würden, dass die Stadt Langenthal die Kultur nicht unterstütze. «Das Gegenteil ist der Fall: In der Corona-Krise wurden kulturelle Projekte und Kulturschaffende grosszügig unterstützt, doch darüber wird jetzt kein Wort verloren», zeigte er sich enttäuscht.
Auch wies er darauf hin, dass viele andere Organisationen und Vereine im kommenden Jahr ebenfalls von Kürzungen betroffen seien, «aber niemand hat so reagiert wie die Kulturschaffenden, vielmehr hat man sich angesichts der Budget-Ausgangslage sowie im Sinne der Solidarität zurückgehalten.» Der gemeinderätliche Appell blieb allerdings erfolglos, wurde doch der Antrag der SP, auf die Kürzung von 10 000 Franken für freischaffende Künstler im Budget 2022 zu verzichten, mit 24 Ja-Stimmen gegen 11 Nein-Stimmen bei zwei Enthaltungen klar angenommen.
Keine oder nur geringfügige Einbussen müssen die städtischen Angestellten befürchten. Der Stadtrat stimmte einer teilweisen Ausfinanzierung der Pensionskasse der Stadt Langenthal zu und genehmigte dafür einen Kredit in der Höhe von 1,7 Millionen Franken als einmalige Einlagen auf die Altersguthaben sowie wiederkehrende Ausgaben von jährlich 70 000 Franken. Nötig wurde die Ausfinanzierung, weil der Stiftungsrat der Stiftung Pensionskasse der Stadt Langenthal den Umwandlungssatz mit Wirkung ab dem 1. Januar 2022 stufenweise pro Jahr um 0,1 Prozent bis zum Jahr 2027 auf 5,0 Prozent senkt, wo er dann bleiben soll. Diese Massnahme hat Auswirkungen auf die Altersrenten: Bis zum Jahr 2027 sinken diese um 10,7 Prozent. Das Leistungsziel von heute 57 Prozent des letzten versicherten Lohnes sinkt auf 51 Prozent.
Um mit einem Umwandlungssatz von 5,0 Prozent die gleiche Rente zu erreichen wie mit 5,6 Prozent muss das Altersguthaben bis zur Pensionierung 12 Prozent höher sein. Der Gemeinderat beantragte deshalb als Abfederung dieser Auswirkungen eine Einmaleinlage der Arbeitgeberin, der Stadt Langenthal. Alle städtischen Mitarbeitenden ab Jahrgang 1957 bis 1966 erhalten 66,7 Prozent der Ausfinanzierung, das restliche Drittel müssen die betroffenen Mitarbeitenden selber finanzieren. Bei den Jahrgängen ab 1967 gehen die Einlagen schrittweise zurück. Ab Jahrgang 1976 gibt es keine Einlagen mehr. Die Einmaleinlage betrifft das bestehende Alterskapital.

SP wollte mehr, SVP weniger
Ein tieferer Umwandlungssatz bedingt für eine angemessene Altersrente künftig auch erhöhte Sparbeiträge. Dafür soll ein neuer Sparplan mit höheren Arbeitnehmenden- und Arbeitgebendenbeiträgen angewendet werden. Der Gemeinderat schlug dafür einen Sparplan «Midi» vor, mit dem das Leistungsziel von 54 Prozent des letzten versicherten Lohnes erhalten werden kann. Die Mehrkosten für die Stadt Langenthal als Arbeitgeberin betragen dafür jährlich wiederkehrende Kosten in der Höhe von rund 70 000 Franken. Der SP im Stadtrat ging das zu wenig weit, sie stellte den Antrag für ein Modell «Maxi» mit jährlich wiederkehrenden Kosten von 140 000 Franken. Die SVP dagegen plädierte für das genaue Gegenteil und wollte gar kein Sparplan-Modell, sondern den Ist-Zustand beibehalten. Angesichts dieser Ausgangslage und der dadurch geringen Abstimmungschancen zog die SP-/GL-Fraktion ihren Antrag wieder zurück und machte somit bei der Abstimmung den Weg frei für die vom Gemeinderat vorgeschlagen «Midi»-Variante, die mit 28 Ja-Stimmen gegen 9 Nein-Stimmen angenommen wurde.

Von Walter Ryser