• Kehrt hier bald wieder Leben ein? Der Langenthaler Gemeinderat möchte in der Alten Mühle ein Familienzentrum errichten und betreiben, der Stadtrat wird am 25. November darüber befinden. · Bild: Walter Ryser

12.11.2024
Langenthal

Alte Mühle soll Familienzentrum werden

Der Langenthaler Gemeinderat plant, in der Alten Mühle ein Familienzentrum zu errichten und er will damit den aktuellen Leerstand der Liegenschaft beenden. Dieses Zentrum soll vorerst während eines fünfjährigen Pilotprojekts Bestand haben. Dadurch entstehen in den nächsten fünf Jahren für die Stadt Kosten in der Höhe von total 1,365 Millionen Franken. Der Stadtrat befasst sich am 25. November mit dem Geschäft.

Die Frage, was mit der leerstehenden Alten Mühle geschehen soll, beschäftigt in Langenthal Bevölkerung und Politik seit vielen Jahren. Zumindest der Gemeinderat scheint nun eine Lösung für die leerstehende Liegenschaft gefunden zu haben. Er plant nämlich die Einführung und den Betrieb eines Familienzentrums, wie er an einer Infoveranstaltung, zusammen mit dem «Verein Familienzentrum Alte Mühle», der als Betreiber des Zentrums vorgesehen ist, ausführte. Das geplante Familienzentrum soll als offenes Haus und als niederschwelliger Treffpunkt für Familien dienen, eine Ansprechstelle bereithalten und verschiedene Dienstleistungen beherbergen. Die Idee eines Familienzentrums wurde vom Trägerverein für offene Kinder- und Jugendarbeit Oberaargau (ToKJO) an den Gemeinderat herangetragen, der bei einer allfälligen Realisierung des Projekts seine Geschäftsstelle von der Talstrasse in die Alte Mühle verlegen würde. Der Gemeinderat ist überzeugt, dass mit der Einführung eines Familienzentrums in der Alten Mühle der kostenintensive Leerstand des Gebäudes beendet wird und zugleich die Effizienz der eingesetzten finanziellen Mittel gesteigert.

Viele Herausforderungen für Familien
Gleichzeitig biete das Zentrum der Langenthaler Bevölkerung an einem zentralen Ort ein attraktives Angebot im Bereich der frühen Förderung von Kindern, das Familien nutzen könnten. Zudem soll ein Teil der Liegenschaft kommerziell vermietet werden, womit die Liegenschaftsbewirtschaftung gesichert wäre. Auch soll für die Bevölkerung die Gratisnutzung der Räume in der Alten Mühle weiterhin möglich sein. Das Familienzentrum wird vorerst als befristetes, fünfjähriges Pilotprojekt in Betrieb gehen. Als Trägerschaft des Familienzentrums fungiert der «Verein Familienzentrum Alte Mühle». Dem Verein gehören Vertreter von «Interunido Langenthal», der Mütter- und Väterberatung des Kantons Bern, der Stadt Langenthal sowie von ToKJO an. Als Partner mit dabei sind unter anderem «CHOREO3», der Elternrat der Kindergärten Langenthal und weitere Institutionen. Thomas Bertschinger, Stellenleiter ToKJO, erläuterte, weshalb in Langen-thal ein Familienzentrum entstehen soll. Er wies darauf hin, dass sich die Familienformen in den letzten Jahren stark verändert hätten. «Neben den klassischen Familienformen gibt es heute geteilte Sorgerechte und diverse andere Eltern-Konstellationen», führte er aus. Aber auch die Wohnformen von Familien seien heute anders als noch vor 30 Jahren. «Wir leben nicht mehr an einem einzigen Ort. Unsere Beziehungsnetze erstrecken sich über lange Distanzen und im aktuellen Wohnort sind wir oft eher anonym unterwegs.» Zudem seien Familien heute mit verschiedensten Herausforderungen konfrontiert wie mit der Vereinbarkeit von Familie und Beruf, einer gewissen Überforderung bei der Kinderbetreuung, mit Erkrankungen von Elternteilen und nicht zuletzt mit finanziellen Herausforderungen.

Niederschwelliger Zugang zu Angeboten
«Deshalb braucht es einen niederschwelligen Ort, ohne Konsumzwang, mit hoher Willkommenskultur für Familien. Es braucht einen Ort, der auf Begegnung und Förderung der Zielgruppen abzielt», folgerte Thomas Bertschinger. Anhand eines Beispiels aus der Stadt Baden führte er den Anwesenden den Nutzen eines Familienzentrums für die Gemeinde und die Region vor Augen. Bertschinger erwähnte, dass dadurch die Integration von Familien gefördert werde, es bestehe auch eine bessere Erreichbarkeit der Eltern und Sorgeberechtigten, auch finde eine Vernetzung sowie Nutzung von Synergien im Früh- und Kinderbereich statt und nicht zuletzt würden dadurch Einsparungen bei Stütz- und Fördermassnahmen erfolgen. Aber nicht zuletzt entstünde ein hoher Nutzen für die Kinder, die mehr Sozialkontakte mit anderen Kindern hätten, die deutsche Sprache einfacher lernen würden, einen besseren Zugang zu Spielgruppen fänden und vor allem im Bereich von motorischen und sozialen Kompetenzen gefördert würden. Aber auch Mütter und Väter sowie Sorgeberechtigte würden davon profitieren, ist Bertschinger überzeugt und er wies darauf hin, dass hier ein Austausch mit anderen Eltern stattfinde, die sich in ähnlichen oder gleichen Lebenssituationen befänden. Hier würden Eltern auch einen niederschwelligen Zugang zu Familienangeboten finden, aber auch zu Bildungsangeboten, Kursen und Vorträgen. Das Familienzentrum fördere zugleich die Integration von Neuzugezogenen und Migrationsfamilien und nicht zuletzt könnten hier Kontakte geknüpft, Netzwerke gebildet und Freundschaften geschlossen werden.

1,365 Millionen Franken sind nötig
Dafür sollen den Nutzern des Familienzentrums diverse Dienstleistungen zur Verfügung stehen wie Kinderbetreuung, Notfallbetreuung, Schwangerschaftskurse, Babysitterkurse, Geburtsvorbereitung, Kinderbrocki oder Mütter- und Väterberatung, Beratung beim Wiedereinstieg in das Berufsleben und viele mehr. Dadurch entstehe in der Alten Mühle ein Kompetenzzentrum, gab Thomas Bertschinger zu verstehen. Zugleich könne der Stiftungszweck für das Gebäude weiter umgesetzt werden und das Areal werde wieder belebt. Natürlich gibt es dies alles nicht gratis, wie am Infoanlass ebenfalls erwähnt wurde. Die finanzielle Unterstützung des Betriebes für die Zeit des Pilotprojekts von 2025 bis 2030 beträgt maximal 475 000 Franken. Für bauliche Anpassungen in der Alten Mühle sind zudem 190 000 Franken erforderlich und für die Abgeltung der Hauswartung sowie Bewirtschaftung der Gratisnutzung in der Alten Mühle sind gesamthaft maximal 700 000 Franken vorgesehen. Damit belaufen sich die Gesamtkosten, die durch die Stadt Langenthal zu tragen sind, für die fünfjährige Phase des Pilotprojekts auf gesamthaft 1,365 Millionen Franken. Diesbezüglich wies Gemeinderätin Martina Moser (Ressort Soziales) darauf hin, dass der Leerstand der Alten Mühle jährliche Sockelkosten von 240 000 Franken verursache, was innerhalb von fünf Jahren ebenfalls einen Betrag von 1,2 Millionen Franken ergebe. Mit einem Familienzentrum entstünde auf der anderen Seite aber ganz klar ein Mehrwert für die Bevölkerung, zudem würden sich Folgekosten in anderen Bereichen für die Stadt reduzieren lassen, stellte sie die beiden Beträge und deren Nutzen für Langenthal gegenüber. Der Stadtrat wird sich an seiner Sitzung vom 25. November mit dem Geschäft befassen.

Von Walter Ryser