• Gabriel Hess zeigt stolz seine «Black Beauties», die schwärzesten Tomaten der Welt. · Bilder: Barbara Heiniger

  • Eine ganze Kiste voller Raritäten.

  • Erst beim Aufschneiden zeigt sich, was die Knollen speziell macht.

20.08.2020
Oberaargau

Alte Sorten erhalten, hegen und pflegen

Mit einem Wochenende der offenen Samengärten macht die Stiftung «Pro Specie Rara» in der ganzen Schweiz durch 13 aktive Sortenbetreuer/innen auf alte traditionelle Gemüse-, Zierpflanzen-, Kräuter- und Ackerpflanzensorten aufmerksam. Der erst 17-jährige Gabriel Hess aus Oeschenbach zeigt am 22. und 23. August in seinem Garten eine besondere Vielfalt.

 

Oeschenbach · «Ich habe Freude an bunten Farben und Formen in meinem Garten, dazu mag ich die grosse Vielfalt der Sorten», schwärmt Gabriel Hess. Bei einem Rundgang durch den Garten weiss der junge Fachmann viel Wissenswertes zu berichten, denn er verbringt unzählige Stunden in der Natur und bei seiner sinnvollen Tätigkeit. Mit seiner Lehre als Gärtner, Fachrichtung Zierpflanzen, geht der Sortenerhalter, der für «Pro Specie Rara» über sechzig verschiedene Kulturpflanzen vermehrt, nun auch beruflich noch mehr in Richtung der Natur.
Die grüne Ader hat Gabriel Hess wohl seit seiner Geburt. Er erinnert sich, dass er schon als kleiner Bub gerne ein Gartenbeet bewirtschaftete und am botanischen Grün interessiert war. Diese Leidenschaft wuchs im Laufe der Zeit immer mehr, und 2016 übernahm er den ganzen Garten, den zuvor sein Vater bewirtschaftet hatte.
2018 besuchte er bei «Pro Specie Rara» während vier Tagen den «Samenbaukurs intensiv». «Dort lernte ich enorm viel über die Vermehrung von Gemüse, Blumen und anderen Gartenpflanzen. Bei dieser Arbeit gibt es unzählige Dinge, die man beachten muss, damit sich ein Erfolg einstellt», weiss er.

Tomaten in allen Farben
Er baut für «Pro Specie Rara» an, hat aber ebenfalls viele andere Sorten, die ihn speziell interessieren. So haben zum Beispiel die Tomaten einen hohen Stellenwert in seinem Garten. Im Folientunnel und im Freiland gedeihen jeweils rund hundert verschiedene Sorten. In der Sammlung lagern sogar Samen von über 250 Tomatensorten. «Ich habe mich auf diesem Gebiet vertieft. Es ist ein schönes Erlebnis, die diversen Sorten wachsen und reifen zu sehen. 2018 war für dieses Gemüse ein Hammerjahr: schön, trocken und heiss», erzählt Gabriel Hess.

Gesunden Knollen – rote Zinnien
Geschickt erntet er eine Rispe der Johannisbeertomate. In einer Holzkiste präsentiert sich eine unglaubliche Sortenvielfalt: Da ist beispielsweise das «Andenhorn» oder die Herztomate «Di Catenna», eine Tessiner Lokalsorte, ebenso strahlt gross und schön die alte Sorte «Mammut Deutsches Gold». Die Frucht der gelb-orangen, sehr saftigen Fleischtomate hat einen hervorragenden Geschmack.

Tomaten ganz in schwarz
Daneben nicht zu übersehen «Black Beauty», die schwärzeste Tomate der Welt. Die schwarze Farbe der Haut geht auf einen extrem hohen Anthozyan-Anteil zurück, der sich im saftigen, festen Fruchtfleisch fortsetzt. Anthozyane, die roten Farbstoffe, gelten als sehr gesund. Ebenfalls die Kartoffeln sind für Gabriel Hess ein Steckenpferd. «Ich habe über vierzig Sorten, und die Tendenz ist eindeutig steigend. Die Kartoffel-Vielfalt entdeckt man eigentlich erst, wenn sie aufgeschnitten werden oder an den wunderschönen Blüten», erklärt der Fachmann mit einem feinen Lächeln.

Blaues Fruchtfleisch
Die gesunden Knollen hat er bereits geerntet. Sie lagern nun im Keller. Eine namenlose Sorte begeisterte ihn durch die schwarzen Blüten und die wunderbare blaue Maserung des Fruchtfleisches. Dazu gibt es aber auch die
«Corne de Gatte», oder «BlueEyes», eine Schweizer Züchtung. Bei den hellfleischigen Sorten sind die Gelb- bis Goldtöne enorm vielfältig. Im Treibhaus von Gabriel Hess gedeihen verschiedene Chilis, darunter auch sehr scharfe. Ingwer und Kurkuma sind ebenfalls zu finden.

Seltenes Saatgut
«Im Folientunnel gibt es die Spaghetti-Bohnen, sie hat prächtige violette Blüten», weiss der Gärtner. Ende August ist der Garten nicht mehr so üppig wie im Frühsommer, aber es gibt viel Saatgut zu ernten. Kichererbsen, verschiedene Maisarten, bunte Karotten, runde Zucchetti und Unzähliges mehr ist bei Gabriel Hess zu entdecken, dazu gibt es auch seltene Beeren- und Obstsorten. Im Blumenbeet leuchten prächtig rote Zinnien. «Die Scarlet Flame steht bei «Pro Specie Rara» sogar auf der roten Liste, das Saatgut ist dringend gesucht», hält er fest.

Der Natur Platz bieten
Sein Garten ist etwas wild, so wird der Natur Platz geboten um sich frei zu entfalten. Einige Stein- und Asthaufen, dazu Hecken, Wiesen und Insektenhotels bieten den kleinsten Gartenbewohnern einen sicheren Unterschlupf. In einem zweiten Garten von Gabriel Hess in Ursenbach wachsen unter anderem Kartoffeln und Getreide. Letzteres wird von ihm nur zum Vermehren verwendet. Mehl daraus nicht gewonnen. Die Arten Dinkel, Emmer, Einkorn und Welscher Weizen sind sehr begehrt.

Gut zu wissen: Offener Samengarten: Alte Mühle Hofen, 4943 Oeschenbach, Samstag und Sonntag, 22. und 23 August, jeweils von 13 bis 18 Uhr. www.offenergarten.ch

Von Barbara Heiniger