«Am schönsten sind gelungene Begegnungen»
Am 1. März tritt Pfarrer Alfred Palm aus Herzogenbuchsee sein Amt als Pfarrer in Huttwil an. Er ist kein Unbekannter, er hatte bereits als Regionalpfarrer regelmässig in Huttwil zu tun. Er wird sich die 190 Stellenprozente zusammen mit Pfarrerin Irène Scheidegger und Pfarrer John Weber teilen. Aber wer ist Alfred Palm? Wie ist er zur Kirche Huttwil gekommen? Und was macht er privat?
Interview: Marianne Ruch im Gespräch mit Alfred Palm, neuer Pfarrer in Huttwil.
Was bewegte Sie, Pfarrer zu werden?
Alfred Palm: Oh, das ist eine längere Geschichte. Tatsächlich war ich schon damals an vielem interessiert. Mich reizte das Medizin-, Chemie- oder Jurastudium. Aber nach 15 Schuljahren hatte ich erst mal genug. Nach einer Zwischenzeit machte ich eine Berufslehre als Landwirt und nahm dann das Agronomiestudium an der ETH Zürich in Angriff; nebenbei arbeitete ich als Taxifahrer. Verschiedene Begegnungen mit Theologen, die so gar nicht meinen Vorurteilen entsprachen, bewogen mich, das Studienfach zu wechseln, zumal ich für mich in der Agronomie auch keine Perspektive mehr sah. Für spirituell suchende Menschen da zu sein, schien mir eine sinnvolle Lebensaufgabe zu sein.
Wie sind Sie zur Kirche Huttwil gekommen?
Alfred Palm: Meinen Studienkollegen und Freund Simon Jenny verschlug es nach Huttwil, während ich in Herzogenbuchsee meine ersten Gehversuche als Pfarrer machte. Durch private Kontakte kam ich also mit dem Ort in Verbindung. Später hatte ich als Regionalpfarrer regelmässig mit Huttwil zu tun, machte auch die eine oder andere Stellvertretung und war im Rahmen des Care-Teams als Notfallseelsorger bei einem sehr tragischen Unglücksfall im Einsatz.
Was ist Ihnen besonders wichtig in Ihrer neuen Aufgabe als Pfarrer in Huttwil?
Ich möchte bei dem anknüpfen, was hier gut funktioniert. Zusammen mit dem Kollegium, dem Kirchgemeinderat und vielen freiwillig Mitarbeitenden hat mein Vorgänger Peter Käser einen guten Boden bereitet. Zu dem will ich Sorge tragen und meinen Beitrag leisten, dass sich die Gemeinde weiter gut entwickeln kann; ich bringe viel Erfahrung und einige Ideen mit.
Was ist aus Ihrer Sicht besonders wichtig im Beruf als Pfarrer?
Zu merken, um was es gerade geht. Jede Gemeinde ist ein eigener Organismus, jede Situation ist einmalig, es entstehen immer wieder neue Herausforderungen. Es ist wunderbar, aus einem vieltausend Jahre alten Glaubens- und Erfahrungsschatz schöpfen zu dürfen. Wenn aber die Sprache nicht mehr verstanden wird, wenn an sich sinnstiftende Aussagen wie Worthülsen wirken, muss ich über die Bücher gehen und nach neuen Wegen suchen, wie österliches Licht unsere heutigen Schatten erhellen könnte.
Wie viele Prozente werden Sie arbeiten?
Ich werde im Schnitt zwei Tage pro Woche für die Kirchgemeinde arbeiten können. Die Anstellung umfasst 40 Prozent.
Für welche Aufgaben werden Sie hauptsächlich zuständig sein?
Grundsätzlich arbeite ich bei allen pfarramtlichen Aufgaben mit, ausser beim Unterricht. Einen guten Viertel der Arbeitszeit kann ich für die Gemeindearbeit einsetzen, also für Angebote für Seniorinnen und Senioren, aber auch für Anlässe, bei denen die Generationen zusammenkommen. Das finde ich besonders spannend, weil ich da sicher auch neue Formate ausprobieren darf und mit Ismael Pieren zusammenspannen kann.
Haben Sie eine spezielle Aufgabe in Huttwil?
Von der Aufgabenverteilung her ist es naheliegend, wenn sich die ältere Generation oder ihre Angehörigen an mich wenden, wenn es um schwierige Fragen dieser Lebensphase geht. Wie damit umgehen, wenn Mueti oder Vati schwerst pflegebedürftig wird, die Pflege zu Hause kaum noch zu bewältigen ist, ein Umzug ins Pflegeheim aber kategorisch abgelehnt wird? Oder: Wie damit umgehen als Sohn oder Tochter, Bruder oder Schwester, wenn Gedanken nach einem begleiteten Suizid aufkommen? Wie reagieren, wenn Behandlungspflege zu Gunsten einer Palliativ-Pflege aufgegeben werden soll? Ich bin es gewohnt, schwierige Gespräche zu moderieren und mit allen Beteiligten möglichst gute Lösungen zu entwickeln. Wenn das gelingt, ist es für alle sehr befriedigend.
Was sind Ihre Ziele, was möchten Sie erreichen?
Mein Ziel ist, mich in ein gut funktionierendes Umfeld zu integrieren, mitzutragen und mitzugestalten. Ich träume davon, dass eines Tages Schülerinnen und Schüler im Rahmen der Kochschule ein Menu zubereiten, zu dem unter anderem ihre Grosseltern eingeladen sind; dass es Spielnachmittage gibt, wo die Jungen den älteren ihre Lieblingsspiele zeigen – und umgekehrt. Ich möchte erreichen, dass es immer wieder Anlässe im kirchlichen Leben gibt, an denen alle Generationen ihre Freude haben.
Was ist für Sie die schönste Aufgabe als Pfarrer?
Das ist keine leichte Frage. Am schönsten sind für mich gelungene Begegnungen, wenn ich mit dem Gefühl nach Hause gehe, dass uns etwas geschenkt wurde durch das Gespräch, die geteilte Stille oder vielleicht auch durch ein wortloses oder gesprochenes Gebet.
Bleiben Sie in dem 30-Prozent-Pensum als Seelsorger für die Luzerner Polizei und Feuerwehr der Stadt Luzern tätig?
Ja. Diese Stelle habe ich ja gerade erst im Oktober 2020 angetreten.
Ist dies eine sehr herausfordernde Aufgabe?
Die Herausforderung ist im Moment, dass meine Hauptaufgabe darin besteht, in den Organisationen präsent zu sein und mit den Mitarbeitenden von Polizei und Feuerwehr in Kontakt zu kommen. Genau dies ist aber im Zuge der Anti-Covid-Massnahmen gerade besser zu unterlassen; alle Anlässe, bei denen ich als Seelsorger mitwirken würde, sind abgesagt. In potenziell belastenden Situationen bin ich aber jederzeit für die Polizei- und Feuerwehrleute ansprechbar.
Sind Sie noch in einer anderen Gemeinde als Pfarrer tätig?
Nein. Ich habe diese beiden Stellen. Allenfalls übernehme ich bei Bedarf punktuell die eine oder andere Stellvertretung, wie ich das früher schon gemacht habe.
Waren Sie vorher in anderen Gemeinden als Pfarrer tätig?
Als Regionalpfarrer war ich zuletzt für 32 Gemeinden zuständig. In einigen war ich mehr oder weniger regelmässig als stellvertretender Pfarrer tätig. Noch im Januar gestaltete ich auf dem Friedhof in Krauchthal eine Abschiedsfeier. Meine erste und einzige Pfarrstelle hatte ich während zehn Jahren in Herzogenbuchsee.
Sie wohnen in Herzogenbuchsee, besteht die Option, nach Huttwil zu ziehen?
Ich wohne zusammen mit meiner Frau Hilke und ihren beiden erwachsenen Kindern Liv und Antoni im Eigenheim in Herzogenbuchsee. Daran wird sich vorläufig nichts ändern. Aber wer weiss, was später einmal sein wird? Mir ist zu Ohren gekommen, dass «Huttu» bei Pfarrpersonen im Ruhestand recht beliebt sei. Doch an den Ruhestand mag ich jetzt mit 61 Jahren gar nicht denken; dafür arbeite ich viel zu gern!
Haben Sie Kinder?
Aus erster Ehe habe ich drei erwachsene Kinder. Mein ältester Sohn Fabian ist Vater meiner Enkelin Minoa; sie wird 5. Olivia und Milena heissen meine beiden Töchter. Ich bin echt stolz auf meine Kinder, die einen guten Weg gehen.
Was machen Sie in Ihrer Freizeit? Insbesondere zum Ausgleich?
Zum Ausgleich bewege ich mich an der frischen Luft, sei es auf dem Flyer, beim Walken oder im Garten, wo ich mittlerweile fast jeden Stein mindestens einmal umgedreht habe. Ich muss immer etwas zu schrauben, mauern oder graben haben, und ich koche und esse sehr gerne. Es gab eine Phase, da spielte ich in einer Kleinstformation auf einer winzigen Openair-Bühne Theater, nicht weit von hier, auf der Schonegg vor Sumiswald.
Was bedeutet Ihnen Musik?
Musik bedeutet mir sehr viel. Beim Gottesdienst zum Beispiel werden wichtige Botschaften im Gesang übertragen. Ich kannte einen Organisten, welcher jeweils nach der Predigt das Gehörte improvisierend in sein Orgelspiel übertrug. Das fand ich sehr beeindruckend. Ich singe auch in Chören und bin seit ein paar Jahren Präsident des Konzertchores Oberaargau. Privat besuche ich jährlich einige Konzerte. Klassische Musik, aber auch Jazz, Soul und Blues mag ich sehr gerne.
Wann halten Sie Ihre erste Predigt in Huttwil?
Die darf ich am 7. März abhalten. Sie steht im Rahmen der «Brot-für-alle- Kampagne». Ich freue mich sehr darauf und auf die Möglichkeit, erste Kontakte mit der Gemeinde zu erleben.
Haben Sie einen Leitsatz für Ihr Leben?
Das ist eine gute Frage. Ein Leitsatz ist mir sozusagen in die Wiege gelegt worden, quasi als Familienerbe. «In adversis virtus» steht lateinisch auf dem Familienwappen, was man frei vielleicht so übersetzen könnte: «was dich nicht umbringt, macht dich stärker». Und das passt gar nicht so schlecht zu mir, finde ich.