• Die Geschehnisse der letzten Wochen stimmen den Leimiswiler Mathias Flückiger nachdenklich. · Bild: Keystone

29.07.2022
Sport

Anfeindungen, Sieg und Coronaerkrankung

Der Mountainbiker Mathias Flückiger blickt auf aufwühlende Tage zurück. Nur eine Woche nach dem Recontre mit Bikekollege Nino Schurter

in Lenzerheide feierte «Math» im Short-Track-Weltcuprennen in Andorra einen Sieg – um anschliessend auf das Hauptrennen wegen einer

Coronaerkrankung verzichten zu müssen.

Erstmals äussert sich der Leimiswiler zum

Geschehenen.

Radsport · «Die letzten Tage und Wochen waren sehr intensiv und zeigten mir klar auf, wie nahe Hochs und Tiefs, Siege und Niederlagen, Freud und Leid im Spitzensport beieinander liegen», fasst Mathias Flückiger die bewegenden Ereignisse zusammen. «Während knapp drei Wochen hatte ich mich im Höhentrainingslager ausgezeichnet auf die zweite Saisonhälfte vorbereitet. Der Auftakt zum Heimweltcup in Lenzerheide lief dann auch nach Plan – Platz 2 im Short-Track-Rennen.» Anschliessend passierte aber jene Szene, welche für grossen Gesprächsstoff sorgte. Im Endkampf des Cross-Country-Welt-cuprennens in Lenzerheide versuchte Mathias Flückiger kurz vor Schluss im von den Fernsehkameras nicht abgedeckten Waldabschnitt den in Führung liegenden Nino Schurter (Chur) zu überholen. Bei diesem Manöver kamen beide Fahrer zu Fall, worauf Flückiger «nur» Dritter und Schurter Vierter wurde.

Anfeindungen stimmen nachdenklich
Auch viele Tage danach, liegt diese Szene dem Leimiswiler schwer auf dem Magen. «Dass mir Absicht, Frust, schlechter Charakter und vieles mehr unterstellt wurde, tut schon weh. Wer schon einmal ein Rennen gefahren ist oder sich in die Situation eines Bikers versetzen kann, weiss, dass man Entscheidungen in Sekundenbruchteilen fällen muss. Niemals würde ich absichtlich oder aus Frust einen Sturz verursachen. Nach dem Rennen habe ich ehrlich und direkt kommuniziert, wie es war, was ich fühlte, dachte und wie ich diesen Rennunfall einordnete. Ich habe dabei auch gesagt, dass es mir leid tut, dass es zum Crash kam», so Flückiger. Wie die Geschichte im Anschluss aufgebauscht und Mathias Flückiger im Internet angefeindet wurde, stimmte den Gesamtweltcup-Sieger der letzten Saison nachdenklich. «Wie viele Leute online Frust, Aggression, Wut und Hass schüren und ausüben – und dies alles nur wegen einem Sturz von zwei Mountainbikern – hat mich sehr erschreckt. Zum ersten Mal habe ich persönlich erfahren, wie Wut, Frust oder gar Hass online ausgeübt wird. Dies gegenüber einer Person, die man nicht einmal persönlich kennt und wegen einer Sache, die wirklich nicht allzu relevant ist auf dieser Welt», schüttelt der Olympia-Silbermedaillengewinner den Kopf. «Dank meinem Umfeld konnte ich mich in der Folgewoche letztendlich trotzdem auf meinen Job konzentrieren.» Wichtig für Mathias Flückiger war sicher, dass mit Vallnord in Andorra bereits eine Woche nach der Lenzerheide wieder ein Weltcup-Wochenende auf dem Programm stand. Und «Math» gab eine sportliche Antwort auf den medialen Sturm. «Dass ich das Short-Track-Rennen gewinnen konnte, bedeutete mir extrem viel. Es zeigte mir, dass ich stärker denn je bin. Es zeigte mir, dass meine Freude als Bike-profi ungebremst ist und dass ich zusammen mit meinem Team und meinem Umfeld weiterhin meinen Weg gehe. Dazu gehört gewinnen, aber dazu gehört auch verlieren.»

Kein Start wegen Corona
Und dies musste «Math» nur wenige Stunden nach dem Grosserfolg erneut erfahren. Zuerst fühlte sich der 33-Jährige einfach krank und musste deshalb auf das sonntägliche Cross-Country-Rennen verzichten. «Leider hatte sich die Situation in der Nacht auf Sonntag nicht verbessert und so habe ich mit meinem Team entschieden, das Augenmerk auf den Rest der Saison zu legen und auf einen Start zu verzichten. Die starken Erkältungssymptome haben sich dann später leider als Covid-19-Infektion herausgestellt.» Bei der «UE»-Anfrage am Sonntagabend betreffend Corona wusste Flückiger noch nichts über seine Infizierung. «Mittlerweile geht es mir wieder besser. Ich habe aber beschlossen, die beiden Übersee-Weltcups in Snowshoe und Mount-Sainte-Anne auszulassen. Den Weg zu meinem grossen Saisonziel, der WM, muss ich nun halt über Umwege gehen.»
Wichtig ist, dass Mathias Flückiger die Coronaerkrankung gut wegsteckt. Viele Ausdauersportler haben nach einer Coviderkrankung sehr lange Probleme, um wieder in Höchstform zu kommen. «Math» hat dazu wenig Zeit. Der Saisonhöhepunkt steht bevor. Das Short-Track-Rennen an der Mountainbike-Weltmeisterschaft 2022 im französischen Les Gets steht bereits am 25. August auf dem Programm ...

Von Stefan Leuenberger