Angebote werden lanciert oder ausgebaut
Die Krise rund um das Coronavirus zwingt viele Unternehmen in die Knie, auch in der Region. Aber nicht alle, etliche lancieren neue Angebote oder bauen Bestehende aus. So auch die Huttwiler Detaillisten, die den Hauslieferdienst mit ihrem «Piaggio»-Fahrzeug neu gratis anbieten.
Huttwil/Langenthal · Das «Piaggio»-Fahrzeug ist wieder in Huttwil unterwegs. Im letzten Jahr, als das «Städtli» wegen den Bauarbeiten an der Durchfahrtsstrasse für den Verkehr gesperrt war, haben die Huttwiler Fachgeschäfte den Hauslieferdienst eingeführt. Mit einem speziellen Fahrzeug («Piaggio») wurden Einkäufe zu den Kunden nach Hause transportiert. Als Fahrer stellten sich eine Anzahl pensionierter Personen zur Verfügung.
Nachdem der Bundesrat in den letzten Tagen den Notstand ausrief, reagierte Beat Oechsli, Präsident der Huttwiler Detaillisten, blitzartig.
«Der Vorstand hat kurzfristig beschlossen, den Hauslieferdienst mit dem ‹Piaggio› gratis anzubieten. Nächsten Dienstag wäre unsere HV gewesen, wo wir über dieses Vorgehen beraten hätten», berichtet er.
Vorgaben werden strikt eingehalten
Nun haben sich die am Hauslieferdienst beteiligten Detaillisten (Lebensmittelläden, Drogerien, Bäckereien, Metzgereien, Drogerien und Apotheken) darauf geeinigt, die Dienstleistung für die Kunden gratis anzubieten. Beat Oechsli weist darauf hin, dass die Kosten für den Hauslieferdienst für die Detaillisten gering ausfallen werden.
Das Fahrzeug werde von privater Seite gratis zur Verfügung gestellt, die Detaillisten müssten lediglich für die Benzinkosten und eine kleine Entschädigung der Fahrer (Oechsli: «Vermutlich ein Grillabend nach Beendigung der Krise») aufkommen.
Hauslieferdienst wird stark genutzt
Alle Detaillisten hätten spontan zugesagt, sich an den Kosten zu beteiligen, zeigt sich Beat Oechsli erfreut über dieses solidarische Verhalten. Bereits könne man feststellen, dass der Hauslieferdienst deutlich stärker genutzt werde als letztes Jahr, erwähnt der Präsident der Huttwiler Detaillisten. Oechsli weist in diesem Zusammenhang auch darauf hin, dass man sich bewusst sei, dass alle «Piaggio»-Fahrer aus der Risikogruppe der über 65-Jährigen stammten. Man habe vorgängig abgeklärt, ob man diese Personen überhaupt einsetzen dürfe.
Das sei möglich, gibt Beat Oechsli zu verstehen, solange man beim Hauslieferdienst die Vorgaben des Bundes strikte einhalte.
So werde die bestellte Ware beispielsweise nicht direkt an die Kunden ausgehändigt, sondern vor der Türe deponiert. Danach würde man den Kunden mittels Läuten oder Klopfen darauf aufmerksam machen, dass die Lieferung eingetroffen sei. Der Fahrer halte entsprechend Abstand und warte, bis die Türe geöffnet und die Ware entgegengenommen werde. Danach entferne sich der Fahrer umgehend.
Den Hauslieferdienst kann man direkt bei einem Detaillisten oder auf 077 534 96 02 anfordern.
Anfragen haben zugenommen
Zu und doch nicht geschlossen hat das Restaurant Brauerei in Aarwangen. Schon seit längerer Zeit versorge man jeden Tag rund ein Dutzend Leute mit Mittagessen, die man zu ihnen nach Hause liefere, erwähnt Braui-Wirt Andreas Flück. «Diese Leute haben nach der Anordnung des Bundesrates, dass alle Restaurants schliessen müssen, besorgt bei uns angerufen und gefragt, ob sie jetzt nicht mehr beliefert werden», gibt er weiter zu verstehen.
Selbstverständlich halte man diesen Service aufrecht, mehr noch, der Brauerei-Wirt hat sein Angebot sogar ausgebaut und bietet nun auch Mittagessen zum Abholen an. «Ja, wenn wir schon kochen, dann könnten auch noch andere davon profitieren», ist er der Meinung. Bereits am Tag nachdem er das Angebot via Social Media verbreitet hat, hätten sich zwei Personen gemeldet, die vom Angebot Gebrauch gemacht haben. Bis 10 Uhr kann man beim Restaurant Brauerei in Aarwangen die Mahlzeiten-Bestellung aufgeben und diese dann während der Mittagspause abholen. Erfahrung mit Hauslieferdiensten hat auch Beat Neukomm, Inhaber der Düby Spezialitäten AG in Langenthal.
Seit rund 20 Jahren beliefert er Kunden, vorab im Raum Solothurn. Diese Dienstleistung habe man damals im Zuge der Schliessung des Ladens in Solothurn eingeführt und bis heute werde ein Teil der Kundschaft im Raum Solothurn von Langenthal aus beliefert. Nun hat er gezielt darauf aufmerksam gemacht, dass dieser Service auch hier im Raum Langenthal zur Verfügung steht.
«Seit ich dies publiziert habe, haben die Anfragen deutlich zugenommen», sagt der 57-jährige Unternehmer, der gerne im Herbst das Jubiläum 120 Jahre Düby feiern würde.
Zuvor sei das Angebot in der Region aber nur spärlich genutzt worden, «weil sich die meisten Kunden nach wie vor lieber im Laden umsehen und die Produkte begutachten wollen.» Aber auch sonst profitiere er momentan von zusätzlicher Kundschaft. «Ich stelle fest, dass es vielen Leuten in den Grossverteilern zu hektisch zu- und hergeht und sie deshalb gerne auf kleinere Spezialitäten-Läden ausweichen», erwähnt er. Obwohl die Situation für uns alle schwierig sei, glaubt Beat Neukomm, dass die Krise vielleicht sogar eine heilsame Wirkung hat. «Das Ganze sollte uns nachdenklich stimmen, denn wir werden gezwungen, runter zu kommen und uns zu besinnen, wie wir weiterleben wollen und welche Prioritäten wir künftig setzen möchten.»
Straub Sport mit Beratungsangebot
Im Hintergrund für die Kunden da sind auch Stephan Hochuli und Roland Morgenthaler von Straub Sport in Langenthal. Zwar haben die beiden Inhaber ihren Laden ebenfalls schliessen müssen, dies hinderte sie jedoch nicht, ihren Kunden mitzuteilen, dass sie via E-Mail, Telefon oder Social Media für Beratungen zur Verfügung stehen, damit die Sportler nicht auf die gewünschten Wanderschuhe, Stöcke, Tourenski, Kocher, die Regenbekleidung oder die Trainerjacke verzichten müssen.
Auf die Frage, ob von diesem Angebot bereits Gebrauch gemacht werde, sagte Roland Morgenthaler: «Ja, wir waren selber erstaunt, aber tatsächlich hat schon ein Kunde nachgefragt und Kletterfinken bestellt.» Für die beiden ist der Beratungs-Service in erster Linie ein Marketing-Instrument, wie Roland Morgenthaler erwähnt: «Wir möchten, dass unser Name in diesen Tagen nicht ganz vergessen geht und zudem sind wir jetzt erst recht auch auf jeden Franken angewiesen.»
Von Walter Ryser