• Anstrengender Job: Alexander Imhof, Chefarzt Innere Medizin beim SRO-Spital in Langenthal, ist aktuell stark gefordert. · Bild: Thomas Peter

07.01.2021
Langenthal

Angespannte Lage vor dem Impfstart

Am 18. Januar erfolgt auch in der Region Oberaargau der Start zur Impfkampagne gegen das Coronavirus. Das Impfzentrum befindet sich in der Alten Mühle in Langenthal. Vor dem Impfstart spricht Dr. med. Alexander Imhof, Chefarzt Innere Medizin beim SRO Spital in Langenthal, von einer äusserst angespannten Lage im regionalen Gesundheitswesen.

«Wir sind bereit und können planmässig starten», entgegnet Dr. med. Alexander Imhof auf die Frage des «Unter-Emmentaler», wie sich die Situation beim Impfzentrum Oberaargau wenige Tage vor dem geplanten Start zur Impfkampagne gegen das Coronavirus präsentiert. Imhof ist seit 2009 Chefarzt Innere Medizin beim SRO Spital Langenthal und in dieser Funktion auch zuständig für den Aufbau, die Betreuung und den Betrieb des Impfzentrums, das sich in der Alten Mühle in Langenthal befindet, wo am Montag, 18. Januar, die ersten Impfungen vorgenommen werden.
 
Start mit bis 200 Impfungen pro Tag
Alexander Imhof ist froh und erleichtert, dass mit der Alten Mühle in unmittelbarer Nähe des Spitals eine geeignete Liegenschaft für das Impfzentrum zur Verfügung steht. Im SRO-­Spital hätte man aktuell keinen Platz dafür gehabt, gibt er zu verstehen. Er bezeichnet deshalb die getroffene Wahl als Glücksfall, «weil hier in nächster Nähe genügend Parkplätze zur Verfügung stehen und sich wegen der Nähe zum Spital auch der logistische Aufwand in Grenzen hält.»
Gleichzeitig mit dem Start im Impfzentrum werde ab 18. Januar auch eine mobile Impfstation ihre Tätigkeit aufnehmen und Altersheime in der Region aufsuchen, erläutert Alexander Imhof weiter. Noch sind aber nicht alle Fragen restlos geklärt. So weiss der Chefarzt zum jetzigen Zeitpunkt nicht genau, wie viele Impfdosen ihm in der Alten Mühle in der Anfangsphase zur Verfügung stehen werden. Momentan geht er davon aus, dass man in den ersten Tagen rund 100 bis 200 Personen pro Tag impfen wird.
Ebenfalls noch nicht bekannt ist, zu welchen Zeiten das Impfzentrum geöffnet sein wird. Dazu würden noch Abklärungen mit den zuständigen kantonalen Stellen laufen. Imhof kann aber bereits mitteilen, dass von Montag bis Freitag geimpft werden kann und vermutlich auch an den Samstagen während einigen Stunden.
Geklärt hat Dr. med. Alexander Imhof vorgängig den Personalbedarf für das Impfzentrum in der Alten Mühle in Langenthal. Er spricht von rund 10 bis 20 Mitarbeitenden, die benötigt werden, je nach Auslastung. Diese würden zum Teil aus dem SRO-Personal bestehen, aber auch aus Personen, die zusätzlich rekrutiert und angestellt wurden. Denn die Verfüg- und Belastbarkeit des SRO-Personals sei begrenzt, spricht Imhof die prekäre Lage beim Personal an, die ihn seit Wochen und Monaten stark beschäftigt und vor grosse Herausforderungen stellt.

Sehr wenige freie Betten
Imhof weist zum Zeitpunkt des Gesprächs (am letzten Dienstagnachmittag) darauf hin, dass im SRO-Spital in Langenthal bloss noch zwei oder drei leere Betten verfügbar sind. Aktuell würden 22 Covid-Patienten im Spital behandelt, zwei davon auf der Intensivstation, beide an Beatmungsmaschinen. 22 Covid-Patienten, das tönt für eine Region wie den Oberaargau mit über 80 000 Einwohnern nicht unbedingt nach viel, was Alexander Imhof bestätigt. «Ja, das stimmt, aber weil in den Wintermonaten das Spital generell stets gut belegt ist, stossen wir rasch an Kapazitätsgrenzen.» Das Problem liege viel mehr darin, dass dieser Zustand nun schon seit Monaten anhalte und aktuell keine Aussicht auf eine Abnahme der Spitaleintritte bestehe. Und nun gilt es noch, Personal für das Impfzentrum abzustellen. Diesbezüglich spricht er den Ärzten und dem Pflegepersonal ein grosses Lob aus. «Die Leute hier im Spital sind mit einer bewundernswerten Einstellung und Leistungsbereitschaft bei der Arbeit. Alle ziehen voll mit, aber ich stelle auch fest, dass wir mittlerweile am Anschlag sind. Die Leute sind müde und teilweise ausgelaugt, die Lage ist äusserst angespannt.»
Imhof spricht davon, dass man täglich enorm gefordert sei, jeden Morgen die Lage neu beurteilen müsse, eingehend über Belegungen, Verlegungen oder Entlassungen von Patienten diskutiere und nicht zuletzt die Operationsplanung genaustens anschauen müsse. Der Chefarzt bestätigt, dass auch beim SRO-Spital in Langenthal bereits Operationen abgesagt oder verschoben werden mussten.

Keine Kritik an Politiker
Alexander Imhof lässt sich an dieser Stelle nicht dazu verleiten, Kritik an den von den Politikern getroffenen Corona-Massnahmen zu üben oder den Verantwortlichen Ratschläge zu erteilen. Aber er gibt zu verstehen, dass eine Entlastung des Gesundheitswesens dringend nötig wäre, diese aber vermutlich nur mit sehr strengen Massnahmen zu erreichen ist.
Vielmehr hofft er, dass durch den landesweiten Impfstart in ein paar Wochen eine Entlastung in den Spitälern spürbar wird. Auf die Frage, wie sich die Impfbereitschaft beim Personal des SRO-Spitals präsentiert, musste der Chefarzt passen. «Für uns hat sich diese Frage überhaupt noch nicht gestellt. Ich muss ehrlich gestehen, dass wir bislang kaum Zeit fanden, uns eingehend mit dieser Frage zu beschäftigen, nicht zuletzt auch deshalb, weil wir wissen, dass Ärzte und Pflegefachleute erst in einer späteren Phase, vermutlich wohl erst Ende März oder Anfang April, an der Reihe sind.» Imhof gibt aber zu verstehen, dass gerade für diese Personengruppe die Frage von grosser Bedeutung sei und deshalb darüber diskutiert werden müsse.

Von Walter Ryser