Arbeiten bei spektakulärer Aussicht
Der Bau der neuen SAC-Rothornhütte oberhalb von Zermatt, dessen Besitzerinnen die Sektionen SAC Oberaargau und SAC Lägern sind, hat dieses Jahr Mitte Mai begonnen. Die alte Hütte rutschte seit Längerem ab und war dadurch in einem schlechten Zustand. Drei Lotzwiler Firmen sind am Neubau beteiligt. Den Auftrag für Fenster, Türen und Inneneinrichtung bekam die Nyffeler AG aus Lotzwil. Jan Uhlmann, Schreiner-Lehrling im vierten Lehrjahr, war von Anfang an bei den Arbeiten auf 3200 Metern mit dabei.
Lotzwil/Zermatt · Es ist Montagmorgen, der 11. September, die ersten Sonnenstrahlen schauen schon hinter den Bergen hervor. Jan Uhlmann steht aufgeregt am Heliport der Air Zermatt. Ein Hubschrauber soll die Arbeiter auf die Baustelle der neuen SAC-Rothornhütte bringen. Bereits am Vorabend waren er und zwei Arbeitskollegen nach Zermatt gereist und hatten dort übernachtet. «Es war eine komplett neue Erfahrung und sehr eindrücklich», schwärmt Jan Uhlmann noch immer von seinem ersten Helikopterflug, der gerade mal viereinhalb Minuten dauerte. Der 19-Jährige absolviert bei der Nyffeler AG in Lotzwil eine Ausbildung als Schreiner und ist im vierten Lehrjahr. Eine Woche verbrachte er auf 3200 Metern Höhe, montierte zusammen mit den Arbeitskollegen Fenster um Fenster und setzte eine provisorische Haustüre ein, um die neue Hütte gegen das Wetter zu sichern. «Meine Schulkollegen waren schon etwas neidisch, als ich einen Dispens für die Schule mitbrachte, damit ich am Ersatzneubau der Rothornhütte mitarbeiten durfte», erzählt er mit einem Lächeln.
Wetterglück auf 3200 Metern Höhe
Der Helikopterflug war an diesem Tag nicht das Einzige, das Jan Uhlmann begeisterte. Ebenso spannend waren für den jungen Mann die Materialanlieferungen, die als Unterlastflüge hochgeflogen wurden. 40 Mal flog die Air Zermatt an diesem Montag zur Gebirgsbaustelle. «Es war beeindruckend, mitanzusehen, wie professionell und effizient Pilot und Flughelfer miteinander agierten.» In den Bann zog ihn auch das spektakuläre Bergpanorama. «Aber eigentlich hatten wir gar keine Zeit, die Aussicht zu geniessen, wir mussten ja arbeiten», gesteht er etwas wehmütig. Problematisch war für die Arbeiter dafür der erste Tag auf über 3000 Meter. «Wir konnten uns in den viereinhalb Minuten Flug nicht auf die Höhe einstellen, das machte sich aber erst am Abend mit Kopfschmerzen bemerkbar», erklärt Jan Uhlmann. Die ersten drei Nächte verbrachten die Arbeiter im Massenlager der alten Rothornhütte, die etwa 50 Meter oberhalb des Ersatzneubaus liegt. «Dann haben sie aber mit dem Rückbau begonnen und wir mussten uns in der letzten Nacht in der neuen Hütte einrichten.» Glück hatten die Arbeiter in dieser Woche mit dem Wetter. «Am Montag konnten wir sogar im T-Shirt arbeiten, danach wurde es etwas kühler», erzählt Jan Uhlmann. Glück auch für den Helikopter, denn der fliegt nur bei guter Sicht. Ausgerechnet am Freitag, als die drei Arbeitskollegen der Nyffeler AG bereits am späteren Vormittag die Rückreise antreten wollten, war es bewölkt und der Hubschrauber konnte nicht fliegen. Erst am Nachmittag, als es endlich aufklarte, holte er die Männer ab.
Offerte als Herausforderung
Wie kam denn die Nyffeler AG überhaupt zu dem Auftrag bei der SAC-Rothornhütte? «Wir sind im Oberaargau sehr gut verankert. Durch den Hüttenverantwortlichen der SAC Sektion Oberaargau und Baukommissionsmitglied, Giuseppe Pagani, der in Langenthal ein Gipser- und Malergeschäft führte, kam die Nyffeler AG auf die Unternehmerliste und durfte offerieren», freut sich Geschäftsleiter Craig von Schulthess. Die Offerte stellte den jungen Chef jedoch vor Herausforderungen. «Wir konnten bisher noch nie Helikopterflüge offerieren und mussten uns deshalb auf die Erfahrung anderer stützen.» Auch die Wahl des Isolierglases musste gut überlegt sein. Da der Luftdruckunterschied zwischen Flachland und Hochgebirge gross ist, musste für den Transport das Isolierglas mit Lüftungsventilen ausgestattet werden, welche den erforderlichen Druckausgleich gewährleisten. Der Auftrag für Fenster inklusive Winterverschläge, Türen und Inneneinrichtungen ging letztendlich an die Nyffeler AG. Um alles richtig zu machen und um die vom Helikopter maximal zulässige Unterlast von 600 Kilogramm nicht zu überschreiten, wurden eine Kranwaage angeschafft, die Materialpakete gewogen und mit dem jeweiligen Gewicht angeschrieben. «Ein Flug mit Unterlast kostet übrigens pro Rotation etwa 400 Franken», verrät Craig von Schulthess. Neben der Nyffeler AG können zwei weitere Lotzwiler Unternehmungen an der neuen Rothornhütte mitarbeiten. Die Firma Fischer-Käser AG ist für den Kaminbau zuständig, die Hans Greub AG spendete den Ofen dazu.
Wichtige Planung
Als Nächstes stand Mitte Oktober die Montage der Innentüren an. «Wenn wir zur Hütte hochfliegen, müssen wir jeweils sicher sein, dass wir auch für eine ganze Woche Arbeit haben. Bei einer solchen Baustelle kann man nicht sagen, ich komme nur für einen oder zwei Tage. Es ist eine lange Strecke bis dorthin und der Helikopter fliegt auch nicht kostenlos hin und her. Wichtig ist ebenfalls, dass man immer sämtliches Material dabeihat. Von dort oben kann man nicht nochmals schnell nach Lotzwil zurückfahren, nur weil man ein Päckchen Schrauben vergessen hat», merkt der Geschäftsleiter an. Bis wann für die Nyffeler AG alle Arbeiten bei der neuen SAC-Rothornhütte abgeschlossen sind, hängt vom Baufortschritt, vor allem aber vom Wetter ab. Deshalb sei man mit dem Bauführer im Gespräch, ob eine Winterpause eingelegt werden solle. Da es sich um eine Sommerhütte handelt, kann diese nicht beheizt werden. «Im Winter kann es in dieser Höhe ohne weiteres bis zu minus 20 Grad werden. Der Holzleim kann aber nur bis fünf Grad plus verarbeitet werden. Zudem haben unsere Mitarbeiter keine Schlafsäcke, welche für solch tiefen Temperaturen konzipiert sind», weiss Craig von Schulthess.
Wie der SAC Oberaargau zur Rothornhütte kam
Ausschlaggebend zum Bau der Rothornhütte war der tragische Unfall von Rudolf Gugelmann aus Langenthal, Sohn der Industriellenfamilie Gugelmann. Der damals 35-Jährige war Mitglied des SAC Oberaargau und startete am 26. März 1947 von der Trifthütte aus in Richtung Rothorn. Er geriet auf ein Schneebrett und verunglückte tödlich. Aufgrund dieses tragischen Ereignisses stiftete die Familie Gugelmann ein Legat (Vermächtnis). Dieses war an die Auflage gebunden, damit im Triftgebiet beim Eseltschuggen eine SAC-Clubhütte zum Schutz und als alpinen Stützpunkt zu errichten, als Ausgangspunkt für Zinalrothorn, Obergabelhorn und andere Gipfel. Der SAC Oberaargau, der heute rund 1035 Mitglieder zählt, nahm diese Aufgabe engagiert wahr und errichtete die Rothornhütte. Im Sommer 1949 wurde sie eingeweiht. Doch die Hütte stand auf schlechtem, instabilem Baugrund. Bereits im Jahr 1950 wurden erste Risse festgestellt. Umfangreiche Abklärungen ergaben, dass sich die Fundamente ungleichmässig setzten. An einigen Stellen wurden Senkungen von über 10 Zentimetern gemessen. 1965 beschloss man, die Hütte mit einer Umgürtung mit stählernen Zugankern zu stabilisieren. Doch in den letzten Jahren nahmen die Bewegungen wieder massiv zu und der Zustand der Hütte verschlechterte sich zunehmend. Unterdessen ist sie gesamthaft um etwa drei Meter abgerutscht. Im Rahmen eines Projektes wurde die Renovation der bestehenden Hütte geprüft. Mit dem Ergebnis, dass eine nachhaltige Stabilisierung der Hütte mindestens so teuer wie ein Neubau werden würde. Zudem hätten zeitgerechte Sicherheits- und Umweltstandards umgesetzt werden müssen. Deshalb entschied man sich für den Bau einer neuen und modernen Hochgebirgshütte, mit Standort etwas unterhalb der alten Hütte. Sie sollte stabil auf einem Felssporn gebaut werden. Die Planung begann im Jahr 2016. Der Baustart war dieses Jahr am 19. Mai mit der Installation der Baustelle und den Aushub- und Sprengarbeiten. Kosten für Neubau und Rückbau der alten Hütte belaufen sich auf rund 3,5 Millionen Franken. Eine halbe Million steuert die SAC-Zentrale bei, der Rest wird vom SAC Oberaargau und dem SAC Lägern (Baden und Umgebung), über Spenden und ein Darlehen vom Kanton Wallis finanziert. «Da der SAC Lägern eine eigene Clubhütte kürzlich verkauft hatte, haben wir eine gemeinsame Teilhaberschaft beschlossen, nur so konnten wir den Bau der neuen Rothornhütte finanzieren», erklärt der Hüttenverantwortliche, Giuseppe Pagani. Die Bauherrschaft obliegt dem SAC Oberaargau, doch nach Fertigstellung wird die neue Rothornhütte zur Hälfte dem SAC Oberaargau und zur Hälfte dem SAC Lägern gehören. Gleichzeitig zum Neubau wird die alte Rothornhütte zurückgebaut und deren Steine für die neue Terrasse wiederverwendet. Läuft alles nach Plan, können im Sommer 2024 die Gäste in der neuen Rothornhütte wieder empfangen werden.
Von Marion Heiniger