Armeechef bei den jubilierenden Offizieren
Die Offiziersgesellschaft Langenthal und Umgebung lädt zu ihrem 170-Jahr-Jubiläum Philippe Rebord, Chef der Armee, ein. Dessen Referat zur Sicherheitspolitik und Umsetzung der Weiterentwicklung der Armee vermittelt zahlreiche spannende Aspekte.
Immer wieder gelingt es der Offiziersgesellschaft Langenthal und Umgebung (OGL), illustre, hochkarätige Gastreferenten nach Langenthal zu locken. So auch jetzt wieder, wo Korpskommandant Philippe Rebord, Chef der Armee, die OGL zu deren 170. Geburtstag mit seinem Besuch beehrt. Der Empfang des bald 61-Jährigen ist eindrücklich und beginnt mit einem Ritual, indem der Ehrengast – flankiert von OGL-Präsident Christoph Schärer und seinem Nachfolger Christoph Kuert – an der Ehrengarde vorbei zum Eingang des Parkhotels schreitet. Bei der Spalier stehenden Garde handelt es sich um die Maritz-Batterie 1840, die durch die Compagnie 1861 des Unteroffiziersvereins (UOV) Uster verstärkt ist. Die historischen Uniformen sind eine Augenweide.
Drinnen begrüsst Schärer neben Philippe Rebord sowie seiner Entourage die OGL-Mitglieder und dabei speziell die hier vollzählig anwesenden Ehrenmitglieder. Im 80-köpfigen Publikum sind auch Mitglieder der Gesellschaft der Militärmotorfahrer des Kantons Bern (Landesteil Oberaargau), des Unteroffiziersvereins Langenthal, der Offiziersgesellschaften Huttwil und Burgdorf sowie der Kantonal-Bernischen Offiziersgesellschaft.
Herausforderungen der Armee
Berufsoffizier Philippe Rebord, seit 1. Januar 2017 Chef der Armee, hat bereits eine lange militärische Karriere hinter sich. Auf sympathische Art, mit welschem Akzent, dankt er für den Einsatz, den die jubilierende OGL immer wieder leistet und für den freundlichen Empfang. Er vermittelt Einblicke in die aktuellen wie auch in die im nächsten Jahrzehnt folgenden Herausforderungen unserer Armee. Bei der Weiterentwicklung der Armee (WEA) würden erste Erfahrungen bereits zeigen, dass die Armee auf dem richtigen Weg sei. «Wir müssen unsere Armee vollständig ausrüsten, die Reihen schliessen», betont Rebord und spricht von einem «Marathon mit Hürden.» Philippe Rebord stellt in Langenthal das Leistungsprofil vor und verrät, was als «permanent» gilt (wie die Wahrung der Lufthoheit mit Sensoren und normalem Luftpolizeidienst), als «vorhersehbar» (wie der Konferenz- und Objektschutz mit 8000 Angehörigen der Armee) und als «nicht vorhersehbar» (wie das gesamte Aufgabenspektrum bei Katastrophen und Terrorbedrohungen). Dieses Leistungsprofil sehe unter anderem vor, dass innert zehn Tagen 35 000 Angehörige der Armee mobilisiert werden können. Dazu sei ansonsten keine Armee in Europa in der Lage. Bei uns entstehe bis 2020 und danach der Bedarf, ganze Waffensysteme zu erneuern, weil diese ihre Einsatzzeit erreicht hätten.
Beim Thema «Bedrohungen» nennt der Armeechef den Terrorismus. Terroristen würden bis zum Tod kämpfen und eine Bedrohung bleiben. Dabei erinnert er an die Anschlagserie vom 13. November 2015 während des Fussballspiels Frankreich – Deutschland in Paris mit 130 Todesopfern und weitere Attentate. Konsequenzen seien für die Schweiz unmittelbar spürbar. Für Rebord gehören auch die Migrationsströme, also die Folgen globaler Völkerwanderung, und der Klimawandel – Stichwort Bergsturz von Bondo – zu den Bedrohungen.
Terrorismus und Cyber-Angriffe
Zu einer grossen Gefahr geworden seien inzwischen Cyber-Angriffe. Der Auftrag an die Armee sei, sich hier selber zu schützen. In jeweils 40 Wochen dauernden Rekrutenschulen (RS) würden Fachleute zu Cyber-Spezialisten ausgebildet. Diese würden den Grad eines Wachmeisters erlangen und nach Abschluss mit einem Cyber-Diplom ausgestattet sein. «Solche Leute sind dann für die Wirtschaft interessant», folgert der Referent. Er unterstreicht, dass die Armee zur Bekämpfung der Cyber-Gefahr aktiv sei und er selber Mitte April diesbezüglich nach Paris reise.
Zivildienst boomt: keine Freude
Nun liefert Philippe Rebord Zahlen zum Thema Zivildienst. Die Anzahl Zulassungen zum Zivildienst sei 2017 im Vergleich zu 2016 um exakt 10 Prozent auf 6785 gestiegen. Zum Vergleich: 2008 waren es 1632, 2011 deren 4670. Der Bundesrat wolle Zulassungen zum Zivildienst substanziell senken. Er habe das Departement für Wirtschaft, Bildung und Forschung (WBF) mit der Ausarbeitung einer Vernehmlassungsvorlage zu einer Revision des Zivildienstgesetzes bis Herbst 2018 beauftragt. «Das ist ein Prozess, der sich erstrecken wird», so der Chef der Armee, der auf sein Gespräch mit drei jungen Tessinern hinweist. Diese hätten bisher zwei Wiederholungskurse (WK) geleistet, würden nun aber den Zivildienst vorziehen. «Wir haben nichts gegen die Armee», hätten die Südschweizer unisono erklärt. Sie seien jedoch nicht einverstanden, dass der WK im Zivildienst 6 statt 4 Wochen dauern würde. Zudem möchten die drei Tessiner selber wählen können, womit sie sich im Zivildienst beschäftigen sowie wann und wo sie Zivildienst leisten würden – am liebsten natürlich «südlich der Alpen».
Der Chef der Armee vergleicht diese Art von Wunschkonzert mit dem Einsatz der 5000 Armeeangehörigen, die am WEF in Davos Dienst leisteten. Diese 5000 seien nicht gefragt worden, ob sie eine Schutzjacke tragen und mit Kampfmunition ausgerüstet sein möchten. Auch habe es keine Umfrage gegeben, ob die WEF-Soldaten über eine Stunde Fahrzeit vom und ins Kantonnement in Kauf nehmen und ob als Kantonnement eine Zivilschutzanlage genüge. Der Chef der Armee nennt auch die neuen finanziellen Vergütungen (Sold, Soldzulage, Erwerbsersatz und Ausbildungsgutschriften) mit denen der Bundesrat das Weitermachen in der Armee aufwerten will. Rebord lobt den Vertrauensbeweis der Politik mit dem Grundsatzentscheid des Bundesrates vom vergangenen November, die Schweiz soll neue Kampfflugzeuge und ein neues System für die bodengestützte Luftverteidigung beschaffen, wofür maximal 8 Milliarden Franken eingesetzt werden. Für diese und weitere Investitionen wird das Armeebudget ab 2021 um jährlich jeweils 1,4 Prozent wachsen. Mit dem Vorhaben Air 2030 werde ein Gesamtpaket von bodengestützter Luftverteidigung und neuem Kampfflugzeug geschnürt. Weniger bekannt sei zurzeit noch, dass dieses Paket auch 100 Prozent Kompensationsgeschäfte in der Schweiz vorsehe. Die 8 Milliarden Franken würden also der Schweizer Wirtschaft zugute kommen.
Vergleich mit der Bahn-2000-Lok
Der Grundsatzentscheid zum Schutz des Schweizer Luftraums ist gefällt. Eine Referendumsabstimmung wird, so Rebord, voraussichtlich im Frühling 2020 stattfinden. Erst danach will der Bundesrat entscheiden, welches Flugzeug gekauft werden soll. Damit werde eine öffentliche Debatte über allfällige Mängel des Kampfjets vermieden. Damals, bei der Bahn 2000, habe das Volk auch nur über einen Grundsatzentscheid befunden, nicht nach der Art der Lokomotive.
Schärer geht als Ehrenmitglied
«Sicherheit hat ihren Preis», betont Philippe Rebord und appelliert: «Deshalb brauche ich Sie als Botschafter der Armee.» Er verweist auf den geringen Handlungsspielraum. «Machen wir es», lautet die Devise. Der Korpskommandant beantwortet Fragen aus dem Publikum und verabschiedet sich mit einem «Merci beaucoup».
Die OGL-Mitglieder danken ihm mit einem kräftigen Applaus für seinen informativen Vortrag, stärken sich bei einem Apéro und wenden sich dann der Vereinsversammlung zu. Diese stimmt allen Anträgen des Vorstandes zu und wählt Hauptmann Christoph Kuert zum neuen Präsidenten der OGL. Er tritt die Nachfolge von Major ausser Dienst, Christoph Schärer, an. Dieser stand der OGL – mit einem kurzen Unterbruch – seit 1990 vor Begleitet von starkem Beifall verleiht ihm die Versammlung die Ehrenmitgliedschaft. Geehrt wird auch Oberstleutnant ausser Dienst, Helena Morgenthaler. Sie stand dem Reitkurs die letzten zehn Jahre als Kommandantin vor, doch diese Reitkurs-Ära ist jetzt zu Ende. Das Jahresprogramm 2018 sieht eine enge Zusammenarbeit mit der Offiziersgesellschaft Huttwil sowie den Stadtschützen Langenthal vor.
Von Hans Mathys