Auf dem Sofa hat alles angefangen
Die 10-jährige Aline Minder aus Rohrbach ist seit sieben Jahren als Kunstturnerin aktiv. Nun hat sich die junge Sportlerin das erste Mal für die Schweizer Meisterschaft im Kunstturnen qualifiziert. Nebst der Schule steht für die Oberaargauerin fünf Mal die Woche ein intensives Training im «Gym Center Emme» in Utzenstorf auf dem Programm.
Kunstturnen · Aline Minder stammt aus einer Sportlerfamilie. Ihre Mutter Angelika war Leichtathletin und Volleyball-Spielerin und ihr Vater Marc war leidenschaftlicher Eishockeyspieler. Sie sei aber nicht deswegen Kunstturnerin geworden. «Das habe sich mehr so ergeben», wie die 10-jährige Schülerin zum «Unter-Emmentaler» sagt. Am kommenden Wochenende tritt Aline Minder nun das erste Mal an der Schweizer Meisterschaft im Kunstturnen der Juniorinnen in der Kategorie «P1 bis P4/P4 A» in Frauenfeld an.
Für die Schweizermeisterschaft erstmals qualifiziert
Das junge, zierliche Mädchen in ihrem pink-schwarzen Glitzer-Kleid kommt ins Schwärmen, wenn sie von ihrer Leidenschaft erzählt. Schon fast ihr ganzes Leben lang ist die Rohrbacherin nämlich im Kunstturnen aktiv. Nun steht am kommenden Wochenende ihr bislang wichtigster Wettkampf bevor. Sie tritt das erste Mal an der Kunstturn-SM an. «In meiner Kategorie dürfen 56 Athletinnen teilnehmen. Ich habe mich mit Rang 56 noch ganz knapp dafür qualifiziert», erzählt die 10-Jährige dem «UE». Die Freude bei ihr ist demnach riesig. Sie gibt zu, etwas Glück habe es dazu aber schon auch gebraucht. Aline Minder hat in letzter Zeit vier Wettkämpfe bestritten, von denen die zwei besten zur Wertung zählten.
Ein Spitzensport
Die Schülerin wird an der SM, unter Beobachtung von zwei Kampfrichtern, auf dem Schwebebalken, beim Sprung, beim Stufenbarren und in der Bodenarbeit ihr Können präsentieren. In der Schweiz wird zwischen Kunstturnen und Geräteturnen unterschieden. Geräteturnen ist ein Breitensport, das heisst, er wird nicht professionell betrieben. Neben anderen Reglementen und Wertungssystemen unterscheiden sich auch die Geräte vom Kunstturnen. Geräteturnen ist eine überwiegend nationale Sportart. Kunstturnen dagegen ist ein Spitzensport, mit vielen Stunden Trainingsaufwand pro Woche sind schwierigere Elemente und Übungen möglich als im Geräteturnen. Kunstturnen ist eine internationale Sportart, wird also auf der ganzen Welt betrieben und ist auch bei den Olympischen Spielen vertreten.
Als Vierjährige auf dem Sofa herumgesprungen
«Als Vierjährige ist Aline bereits täglich auf dem Sofa herumgesprungen», wie sich ihre Mutter Angelika Minder zurückerinnert. Sie war bereits zu jener Zeit sehr aktiv und voller Energie. Und so begann sie im zarten Alter von gerade einmal vier Jahren beim «Kids Gym» in Langenthal mit diesem eleganten Sport, bei dem Kraft, Schnelligkeit, Beweglichkeit und Koordination gefragt sind. Schnell bemerkten die Trainerinnen und Trainer die sportlichen Fähigkeiten von Aline Minder und die Trainings wurden mehr und mehr. Nach drei Jahren in Langenthal erfolgte schliesslich der Wechsel ins «Gym Center Emme» nach Utzenstorf, wo sie immer noch trainiert. Ihre Eltern und weitere Verwandte fahren die 10-Jährige fünfmal die Woche zum Training.
Schülerin stemmt mit fünf Trainings pro Woche ein Mammutprogramm
Aline Minder hat Woche für Woche ein Mammutprogramm zu erledigen. Am Vormittag besucht sie die reguläre Schule an ihrem Wohnort. Damit sie genügend Raum für die Trainings und Wettkämpfe aufbringen kann, fehlt sie etwa beim Sportunterricht und in einer Lektion Mathematik. «Die versäumte Mathematiklektion hole ich dann jeweils zu Hause nach», sagt Aline Minder. Fünfmal die Woche ist die 10-Jährige in Utzenstorf am Trainieren. Das Aufwärmen mit ihren Kolleginnen ist jeweils der Auftakt zu einer über drei Stunden dauernden Trainingseinheit. Unter der Aufsicht von den Trainerinnen und Trainern Maxi Gnauck, Lucian Alexa und Annik Beck bevölkern die jungen Athletinnen die grosse Halle. Die Kleinsten üben den Spagat, während die Grössten an Ballettfiguren arbeiten und sich die Mittelgrossen gegenseitig neue Bodenturn-Elemente beibringen. Immer hoch konzentriert, aber auch meistens mit einem Lächeln auf den Lippen ist Aline Minder am Werk. Selbst wenn höchste Disziplin gefragt ist, so hat man als Beobachter nicht das Gefühl, dass die Mädchen nicht ihren Spass haben. Im Gegenteil: Die Leidenschaft für ihren Sport ist Aline Minder deutlich anzusehen. Sie lebt für diesen Sport. Ein straffes Programm, das die Viertklässlerin jede Woche absolviert. Sie müsse sich halt gut organisieren, aber sie müsse auf nichts verzichten. Klar, manchmal würde sie gerne mehr mit Freunden und der Familie machen, räumt sie dann doch ein. «Aber dafür geniesst man die Ferien umso mehr.» Wenn sie dann doch mal noch etwas Freizeit findet, ist sie gerne in der Küche am Backen und Kochen. Auch das Lackieren ihrer Fingernägel ist für das Mädchen ein Highlight. In ihrem Wohnzimmer steht ein schwarzer Tisch mit unzähligen Nagellacken zur Auswahl. «Hier kann ich mich wunderbar vom Training erholen und abschalten», sagt sie schmunzelnd.
«Ich kann mich gut auf eine Aufgabe konzentrieren»
Man bemerkt bei den Kunstturnern die ausgeprägte Fähigkeit, sich zu konzentrieren und auf eine Aufgabe zu fokussieren. Die Eigenschaft, die Aline Minder beim Kunstturnen benötigt, zeigt sie auch im Schulunterricht. «Ich kann mich sehr gut auf eine Aufgabe fokussieren, ohne mich ablenken zu lassen, was gerade heute vielen Menschen schwer fällt», so Aline Minder. Ihr Lieblingsturngerät ist der Schwebebalken. «Auch wenn er nur zehn Zentimeter breit ist», sagt sie – oder vielleicht gerade deswegen. Der Oberaargauerin gefallen nämlich die Herausforderung, oben zu bleiben, und das Adrenalin, welches das Turnen auf dem schmalen Gerät mit sich bringt. Zusätzlich gibt es im Kunstturnen noch die Disziplinen Boden, Sprung und Stufenbarren. Schweizweit haben sich in ihrer Kategorie P2 (Jahrgänge 2013/14) insgesamt 56 von nur noch 150 turnenden Mädchen für die Schweizer Meisterschaft im Kunstturnen qualifiziert. Vom «Gym Center Emme» haben sich mit 21 Teilnehmenden in verschiedenen Kategorien so viele Athletinnen wie noch nie für den Grossevent qualifiziert.
Jährlicher SM-Start als Ziel
Im nächsten Jahr wechselt Aline Minder in die nächsthöhere Kategorie. Ihr Ziel ist es, sich nun jedes Jahr für die Schweizer Meisterschaft im Kunstturnen zu qualifizieren, gesund zu bleiben und möglichst lange auf diesem Niveau weiterturnen zu können. Nach ihrer Zeit als Kunstturnerin, die meist nicht länger als bis zum 20. Lebensjahr dauert, kann sich Aline Minder vorstellen, ins Geräte- oder Showturnen zu wechseln.
STECKBRIEF
Aline Minder
Wohnort: Rohrbach
Alter: 10 Jahre
Ausbild.: Primarschule
Traumjob: Kindergärtnerin oder Lehrerin
Hobbies: Kochen, Backen, Zeichnen, Fingernägel lackieren
Ferien: Paris und Elba
Essen: Fajita
Getränk: Rivella blau
Schule: Sport
Sport: Kunstturnen, Skifahren, Leichtathletik
Vorbild: Simone Biles
Von Yanick Kurth