• Andreas Schürch findet Gefallen an den Ideen rund um das Sägereiareal: «Mittlerweile sind wir an einem Punkt angelangt, an dem wir uns weiterentwickeln wollen und müssen. So gesehen kam die Arbeit der Architektur-Studenten genau zum richtigen Zeitpunkt.»

  • Die künftige Entwicklung des Areals der Sägerei Schürch in Huttwil stand im Fokus der Architektur-Studierenden der Fachhochschule Bern. · Bilder: Walter Ryser

29.03.2021
Huttwil

Auf der Suche nach dem «Aha-Effekt»

«In Huttwil fehlt mir ein sogenannter ‹Aha-Effekt›», sagte Andreas Schürch (Schürch Holz, Huttwil) anlässlich einer Podiumsdiskussion der Fachhochschule Bern. Die Jahresausstellung der Studierenden des Fachbereichs Architektur widmete sich der künftigen Entwicklung Huttwils (der «Unter-Emmentaler» berichtete). An zwei Podiumsveranstaltungen äusserten sich weitere Fachleute zu diesem Thema.

200 Studenten des Fachbereichs Architektur der Berner Fachhochschule haben sich ein ganzes Jahr lang mit der künftigen Entwicklung von Huttwil befasst. Das Resultat dieses Prozesses wurde während der traditionellen Jahresausstellung präsentiert. Dabei wurden interessante, visionäre und spannende Projekte und Ansätze erarbeitet, wo und wie sich Huttwil in Zukunft weiterentwickeln könnte. Die Schaffung eines neuen Quartiers auf dem Areal der Sägerei Schürch, die Realisierung einer Werkstatt der Zukunft im Zentrum von Huttwil oder der Bau einer Herberge am Pool beim Schwimmbad waren nur einige von vielen Projekten, die an der Ausstellung gezeigt wurden. Ergänzend dazu wurden zwei Podiumsveranstaltungen durchgeführt, an denen Fachleute das Thema vertieft diskutierten und zusätzliche Entwicklungsmöglichkeiten skizzierten.
Gemeindepräsident Walter Rohrbach wies darauf hin, dass die Herausforderung für die Gemeindevertreter darin bestehen, die Siedlungsentwicklung geschickt zu steuern. «Wir verfügen über ausreichend Industrieland und müssen uns Gedanken darüber machen, wie wir dieses am besten bespielen wollen», betonte Walter Rohrbach. Huttwil habe in den letzten fünf Jahren ein durchschnittliches Bevölkerungswachstum von zwei Prozent pro Jahr verzeichnet. «Dieser Trend stellt für uns eine grosse Herausforderung dar, damit es uns gelingt, der Bevölkerung das zu geben, was sie von ihrer Gemeinde erwartet.» Es gelte deshalb, identitätsstiftende Prozesse aufzubauen und das Zusammengehörigkeitsgefühl zu stärken.

Grosse Potenziale und Trümpfe
Dr. Margrit Hugentobler, ehemalige Leiterin ETH Wohnforum – ETH CASE Zürich, plädierte für integrierte Konzepte, die soziale, räumliche und finanzielle Faktoren umfassen. Dies führe in der Regel zu kreativen Lösungen. Hugentobler ist zudem überzeugt, dass man im Bereich der Siedlungsentwicklung gerade den kleinen Gemeinden bislang viel zu wenig Beachtung geschenkt hat. Dabei würden diese Gemeinden über grosse Potenziale und Trümpfe verfügen. Diese gelte es, herauszuarbeiten und entsprechend zu nutzen.
Angetan von den Arbeiten der Studierenden Architektur zeigte sich Andreas Schürch, Schürch Holz, Huttwil, der sich in erster Linie mit jener Arbeit auseinandersetzte, die sich mit der Entwicklung auf dem Sägerei-Areal befasste. «Wir sind seit über 170 Jahren mit Huttwil verbunden», erläuterte er und wies darauf hin, dass sein Unternehmen das Ortsbild und die Entwicklung des «Städtli» mitgeprägt habe. «Mittlerweile sind wir an einem Punkt angelangt, an dem wir uns weiterentwickeln wollen und müssen. So gesehen kam die Arbeit der Architektur-Studenten genau zum richtigen Zeitpunkt», hielt er weiter fest.

Streben nach Einzigartigkeit
Schürch sprach davon, dass man die Identität mit der Vergangenheit als Chance für die Zukunft sehen und nutzen sollte. Das Sägerei-Areal sei zu einem allgemeinen Treffpunkt geworden. Dieser Trend solle sich auch in Zukunft fortsetzen. Für den Firmeninhaber ist dabei zentral, dass bei der Neugestaltung des Areals das Streben nach Einzigartigkeit der eigentliche Antrieb darstellen sollte. Denn Schürch hat festgestellt: «Mir fehlt in Huttwil ein sogenannter ‹Aha-Effekt›. Gerade auf unserem Areal wäre dieser Effekt vermutlich einfach zu realisieren», bemerkte er und nannte als Beispiel den «Palais de l´Équilibre», eine Holzkugel auf der Arteplage in Neuenburg. Wichtig sei ihm, dass die heutige Werkatmosphäre auf dem Areal weitergeführt werde. Der hintere Teil des Sägerei-Areals eignet sich laut Andreas Schürch als Fläche für Wohnungsbauten. Dabei müsse aber verhindert werden, dass ein stereotyper, gefühlloser Siedlungseffekt entstehe.
«Wichtig scheint mir einfach, dass in der Gemeinde etwas Einzigartiges geschaffen wird, ein sogenanntes Leuchtturmprojekt.» Daneben sieht der Holzfachmann weiteres Entwicklungspotenzial für das «Städtli». Einkaufen müsse vermehrt als Erlebnis wahrgenommen werden können, die bestehenden Themenmärkte müssten mit zusätzlichen, zeitgemässen Events ergänzt werden, Schaubetriebe sollten entstehen oder Huttwil könnte sich als Berufsbildungsort für Exotenberufe mit historischem Charakter positionieren. Schürch ist überzeugt, dass sich damit die Aufenthaltsdauer der Besucher, Tagesausflügler und Konsumenten erheblich steigern liesse.

RaumRaster aus Holz für Huttwil?
Sowohl Schürch wie auch Boris Brunner von «weberbrunner architekten Zürich/Berlin» machten sich stark dafür, dass die künftige Entwicklung Huttwils durch eine konsequente Realisation von Holzbauten erfolgen sollte, nach dem Motto: Von der Region für die Region. Brunner wies darauf hin, dass Holzbauten eine emotionale Wirkung hätten, Holz nachhaltigen Lebensraum schaffe und nicht zuletzt verfüge Holz über ein gewisses Image, dass im öffentlichen Raum eine entsprechende Botschaft aussende.
Wie dies aussehen könnte, erläuterte Holzbauspezialist Walter Schär, aus Horw. Mit «RaumRaster» hat Schär ein planerisches Modell kreiert, um mit seinem Unternehmen «schaerraum AG» neue und flexible Räume zu bauen. «RaumRaster» basiert auf identischen Baueinheiten, die sich vielfältig kombinieren lassen. In Horw hat Walter Schär mit dem «RaumRaster»-Prinzip ein mehrgeschossiges Wohn- und Atelierhaus aus Holz errichtet. Das Grundmodul ist 3,5 × 3,5 Meter gross. Diese Quadrate können zu Studios, 2 ½-Zimmer-, 4 ½-Zimmer- und grösseren Maisonette-Wohnungen kombiniert werden. Das Gebäude lässt auf allen Etagen auch längerfristig bauliche Veränderungen zu. Module lassen sich ohne grosse Eingriffe neu zusammenführen oder miteinander verbinden, wenn es eine neue Lebenssituation erfordert. Das macht das Haus veränderbar und somit nachhaltig.
Sichtlich angetan von den Vorschlägen zeigte sich Huttwils Gemeindepräsident Walter Rohrbach, der festhielt: «Bei diesen Diskussionen stellt man fest, dass man mit der Zeit mit Scheuklappen unterwegs ist. Deshalb ist es schön zu sehen, dass es auch andere Wege gibt, um ein Ziel zu erreichen.» Abschliessend äusserte Rohrbach die Hoffnung, dass sich die Bevölkerung am partizipativen Entwicklungsprozess rege beteiligen wird.

Von Walter Ryser