Badmeister arbeitet – die anderen haben frei
Badmeister ist ein Traumberuf, sagt Roland Baumgartner. Aha – Sonne, Glace und ein bisschen im kühlen Nass planschen. Oder ist es vielleicht doch nicht so? Wie fühlt es sich an: Alle haben Ferien und Freizeit und der Badmeister muss bei manchmal grosser Hitze sehr achtsam sein und alles unter Kontrolle halten. Kommt da nicht ein bisschen Neid auf? Roland Baumgartner ist Badmeister im Freibad in Lützelflüh und liebt seinen Beruf. Auch wenn er während der Arbeitszeit keine Zeit für das kühle Nass hat.
Lützelfüh · Der coole Badmeister von Lützelflüh ist neben dem Schwimmbad in Konolfingen aufgewachsen und hat viel Zeit dort verbracht. «Schon als Vier- oder Fünfjähriger bin ich manchmal zum Schrecken meiner Mutter von zu Hause ausgerissen, um das Schwimmbad zu besuchen», erzählt Roland Baumgartner lachend. Und als Jugendlicher war er oft in den Freibädern. Also hat er wohl schon damals den Grundstein für seinen heutigen Beruf gelegt.
«Badmeister ist ein weites Arbeitsfeld, die Mischung von Technik, Garten, Büro, Wasser und der Kontakt mit Menschen gefällt mir gut. Die Vielseitigkeit der Arbeit mit jungen und älteren Menschen, Schulen und Sonnenanbetenden, die bei uns im Schwimmbad Lützelflüh die Freizeit verbringen, erfüllt mich. Denn kein Tag ist gleich und ich kann immer etwas optimieren. Meine Hauptaufgaben, für die Sicherheit und für eine Wohlfühloase zu sorgen, entsprechen mir», sagt Roland Baumgartner.
Beruf mit grosser Verantwortung
Roland Baumgartner absolvierte die SLRG Brevets Basis, Plus und Pro, den BLS-AED Kurs und den BAKU Grundkurs. Das Gebiet ist vielseitig und die Erwartungen sind gross. «Alles im Überblick zu haben und früh genug an möglichst alles zu denken, ist sehr intensiv», sagt der 50-jährige Badmeister in Lützelflüh. Sich bereits im Vorfeld mit Zwischenfällen oder technischen Problemen zu befassen, helfe, gut vorbereitet zu sein. Wichtig sei, darauf zu achten, dass sich im Schwimmbad niemand verletzen könne oder zu Schaden komme und niemand den anderen gefährde. Zudem gelte es, all die Arbeiten vor den Öffnungszeiten auszuführen, die ohne Besucher gemacht werden müssen. Und natürlich auf die Wasserqualität zu achten.
«Die Abläufe müssen funktionieren, damit auch in stressigen Zeiten oder wenn es gilt, Probleme rasch zu lösen, alles klappt». «Und ganz wichtig ist es, ein starkes Team zu haben. Die Mitarbeitenden und die Vorgesetzten unterstützen mich in allen Belangen», ist Roland Baumgartner dankbar. Grosse Bedeutung hat natürlich auch der Umgang mit den Badegästen. So müsse manchmal auch erläutert werden, warum nicht immer alles erlaubt ist. Diese Herausforderung gelte es, anzunehmen und dabei ein Mittelmass zu finden, so dass alle Bedürfnisse erfüllt werden. «Wenn wir zueinander schauen, Rücksicht nehmen und einander etwas gönnen, so funktioniert das Zusammenleben auf dem Areal. Schliesslich gibt es Tage, da besuchen uns rund 1300 Menschen.» Und da heisst es, Augen und Ohren offen zu halten: «Wasseraufsicht verlangt Achtsamkeit. Da kannst du nicht einfach mal ein bisschen Patrouillen- Schwimmen, da musst du sehr präsent sein und versuchen, alles im Überblick zu behalten.» Apropos Ohren: In der Badi ist an einem sonnigen und schönen Ferien-Tag recht viel Lärm und Geschrei. Wie geht der Badmeister damit um? «Ja, das ist eine grosse Belastung, die man nicht unterschätzen darf. Es ist wirklich an Spitzentagen sehr laut und das belastet zur Hitze zusätzlich. In der Arbeitswelt trägt man bei lauten Arbeiten immer einen Gehörschutz, hier ist es schwierig, denn ich bin ständig mit den Leuten in Kontakt und so ist es nicht möglich, einen Gehörschutz zu tragen. Es kann vorkommen, dass ich Kopfschmerzen bekomme vom Geschrei. Die kleinen Momente im Keller, während denen ich Kontrollgänge oder Arbeiten erledige, ‹beruhigen› dann etwas», sagt er lachend.
Und wie schafft man es, auf dem grossen Gelände alles zu sehen und im Griff zu haben? «Alles kannst du nicht im Blickfeld haben. Mit den Jahren weisst du, wo du hinschauen musst. Der erfahrene Badmeister kennt ja seine Gäste und Räumlichkeiten. Wir helfen einander im Team und wir haben viele treue Besuchende, die uns auf Situationen aufmerksam machen, die speziell beachtet werden müssen. Das ist für uns eine grosse Hilfe.» Um alles abzudecken, arbeiten an Spitzentagen vier Personen in der Badi, an ganz schwachen Tagen eine Person alleine. Eine Badi ist sehr wetterabhängig und so ist es manchmal schwierig, zu entscheiden, wie viele Mitarbeitende aufzubieten sind. «Unsere Mitarbeitenden sind sehr flexibel und die Absprache ist wichtig. Der Wetterbericht ist ein unumgängliches Hilfsmittel. Zum Glück ist er heute sehr genau und man entwickelt mit der Zeit ein Gefühl für die Wetterentwicklung und die Feierlaunen. Es ist mein Glück, ein super Team im Rücken zu haben. Es erleichtert die intensive Zeit stark, wir tauschen uns viel aus und besprechen das Erlebte», sagt der Badmeister anerkennend.
Neben dem Aufpassen auf die Badegäste stehen für den Badmeister noch viele weitere Arbeiten an, wie etwa die Technik und der Unterhalt der Anlage, Reinigungen, Abrechnungen, Mails beantworten, Wasserproben und Kontrollen, Pingpongtisch reparieren, Unkraut entfernen, Fahrrad reparieren, Abos und Tickets verkaufen, Samariter sein, Kehricht entsorgen, Papier nachfüllen, Einspeisung von Frischwasser und Chlor.
Kein Neid
Aber wie ist das jetzt: Der Badmeister muss arbeiten, alle anderen haben frei. Kommt da nie Neid auf? «Nein, im Bad bin ich Teil vom grossen Ganzen und es ist schön, als Dienstleister zu arbeiten, die Besuchenden in ihrer Freizeit zu begleiten. Bestrebt sein, dass die Gäste ein schönes Erlebnis haben und sich im Schwimmbad wohlfühlen, ist mein Arbeitsfeld.» Zudem sei es sehr schön, immer wieder auf Bekannte, Stammkunden, aber auch auf neue Besuchende sowie Touristen zu stossen und in Gesprächen mit ihnen Neues aus deren Umfeld und der Welt zu erfahren. «Viele Gäste berichten mir gar von persönlichen Schicksalsschlägen, schildern ihre Ferienerlebnisse oder sind einfach dankbar, hier eine Oase der Ruhe zu finden.» Und so ist es für Roland Baumgartner kein Problem, wenn alle planschen, nur er nicht. «Ich habe gar keinen Raum, mir Gedanken darüber zu machen. Denn ich habe ja immer die Entschädigung, am Feierabend oder in der Pause ein paar Runden im Becken zu schwimmen – das Abtauchen am Feierabend in die Unterwasserwelt ist wie das Abwaschen der ganzen Anstrengung vom Tag», verrät er strahlend.
Durch den heissen Tag hindurch kühlt er sich denn auch mit Hut, Brille und Sonnenschutz und geht, wenn immer möglich, in den Schatten. «Bei der Wasseraufsicht erhitzt man stark, aber man schwitzt nicht wirklich, die natürliche Kühlung vom Körper funktioniert nicht richtig. Es fühlt sich fast so an, wie wenn man Fieber hätte oder ein bisschen angetrunken ist.» Soweit sollte es nicht kommen und darum sind eben die Sonnenbrille, Hut und der Schatten wichtig. «Das T-Shirt benetzen, mit den Beinen ins Wasser stehen und viel trinken helfen mir, cool zu bleiben. An ganz heissen Tagen benutzte ich sogar einen Sonnenschirm der Krebsliga, der hat einen speziellen UV-Filter. Damit erwärme ich mich viel weniger.» Und ansonsten sei das Wasser ja immer sehr nahe. «Wenn ich trotzdem einmal überhitzt bin – das muss nicht immer von der Sonne sein, auch Gäste können mich auf Temperatur bringen – gibt es die schöne Möglichkeit, im Becken zwei Längen zu schwimmen, das wirkt jeweils Wunder», lacht er. Und fügt bezüglich Neid an: «Klar wäre ich manchmal bei dem schönen Wetter lieber auf dem See oder mit dem Fahrrad unterwegs, aber nach einem anstrengenden Arbeitstag bin ich stolz auf das Geleistete.»
Meist angenehme Arbeit
Die Badesaison in Lützelflüh dauert von Mitte Mai bis Mitte September. Natürlich werden die Öffnungszeiten dem Wetter angepasst. Bei 10°C Lufttemperatur und 15°C Wassertemperatur ist die Nachfrage so klein, dass es nicht Sinn mache, das Schwimmbad offen zu halten. Die meisten Besuchenden sind im Juli und August anzutreffen, also in der Ferienzeit. Da ist fast jeder Tag gut ausgelastet und ausufernde Spitzentage sind seltener. «Es ist meistens angenehm, die Besuchenden haben Zeit, sind ruhiger und entspannt oder werden es mit dem Besuch. Anstrengend ist immer wieder, allen Bedürfnissen gerecht zu werden, etwa wenn ich Jugendlichen die Baderegeln klarmachen oder sie vor gefährlichen Situationen schützen muss. Die individuellen Ansprüche, den ‹persönlichen› Platz zu erhalten, die richtige Wassertemperatur zu haben oder dass es keinen Sand im Planschbecken hat, können aber nicht immer erfüllt werden.» Aber den Anweisungen der Badeaufsicht werde in der Regel Folge geleistet, wenn diese begründet seien und das Gegenüber Verständnis zeige. So seien die Gäste sehr locker drauf, und doch kann es hitzig und aufreibend werden: «Wenn etwa der Sohn noch nicht nach Hause will oder es kein drittes Eis gibt vor dem Nachhausegehen, wenn die Dusche zu lange besetzt ist oder der Schwimmer auf seiner Bahn im Flow gestört wird, ein Bienenstich die Stimmung trübt oder ein schreiendes Kind seine Mutter sucht.»
Rettungsaktionen allerlei Arten
Wasseraufsicht und Badmeister heisst ja bei Bedarf Rettung. Musste Roland Baumgartner schon mal jemanden vor dem Ertrinken retten? «Ja, schon viele Male: Wildbienen und Libellen kommen auf dem Wasser immer wieder in Schwierigkeiten, zum Glück helfen mir die Schwimmbadgäste, diese zu retten.
Einen Menschen musste ich noch nie retten, nur in den Übungen, die wir jeweils durchführen», sagt er lachend, aber auch glücklich, noch nie wirklich einen Ernstfall gehabt zu haben. Der coole Badmeister ist nicht einfach nur Aufsicht und der strenge Mann. Nein, er hilft, wo er kann. Etwa bei Handy-Abos die nicht verstanden werden, bei brüchigen Zehennägeln, wenn der Ball im Gebüsch landet, wenn der Handy-Akku leer ist, die Dusche leckt oder sonst etwas nicht funktioniert, wie es sollte. «Ich helfe immer, wenn ich kann. Auch wenn es nicht direkt mit der Badi zu tun hat. Das ist mir wichtig und so habe ich meist ein tolles und gutes Verhältnis zu unseren Gästen. So macht es Spass», sagt Roland Baumgartner zufrieden.
Ferien in der Hauptsaison liegen für den sympathischen Badmeister nicht drin, und so macht er seine Ferien halt im Frühling, Herbst und Winter. «Skifahren und die freie Zeit geniessen, mit meiner Frau Franziska und unseren zwei erwachsenen Kindern, die im Sommer doch etwas zu kurz kommen, und die freien Wochenenden geniessen», sagt er strahlend. Geht ein Badmeister eigentlich sonst auch noch schwimmen oder hat er dann genug vom Wasser? «Ja, in der Badewanne und ins Hallenbad gehe ich schwimmen, besonders im Freibad Lützelflüh», sagt er schmunzelnd.
Zur «Lützuflüeh-Badi» gehört natürlich auch das Badi-Beizli, das von Daniel und Gaby Mercier mit Herzblut und viel Elan geführt wird. Vom klassischen Schwimmbad-Kiosk-Essen zu schmackhaften Mittagsmenüs, Eis und «Schläckzüg» wird alles angeboten. «Mit der aufgeweckten und stets kundenfreundlichen Art haben Merciers schon manches Kind und Erwachsene erfreut», erkennt der Badmeister an.
Von Marianne Ruch