Bauern setzen mehr auf Fleischproduktion
Das 69. Bäregg-Forum am Inforama Emmental vermittelte einen aktuellen Überblick bezüglich der Fleischproduktion aus Grasland. Zu Wort kamen zwei Praktiker, ein Berater und der Direktor von Proviande, der Branchenorganisation der Schweizer Fleischwirtschaft. Das Patronat oblag dem Ehemaligenverein Schwand-Bäregg.
Bärau · Saftig grüne Matten gehören zum Emmental und generell zur Kulturlandschaft des Kantons Bern. Viele Flächen können gar nicht anders genutzt werden; das Emmental ist ein typisches Grasland. Die Menschen können dieses Grün nur dank der Mikroben im Verdauungstrakt verschiedener Raufutterverzehrer nutzen. Gut ein Drittel der landwirtschaftlich genutzten Flächen in der Schweiz sind Naturwiesen, ein weiteres Drittel Alpweiden.
Kulturlandschaft erhalten und pflegen bedeutet, dass das Gras sinnvoll genutzt wird. Tiere werden gefüttert, es wächst Fleisch heran. Dieses steht momentan jedoch im Brennpunkt verschiedener, teilweise heftiger Diskussionen und Kontroversen.
Stichworte wie: Klimakiller, vegane Ernährung, moralische Bedenken, Freihandelsabkommen, Fleisch-Labelsalat oder mangelnde Rentabilität sorgen bei den Bauern zunehmend für Verunsicherung.
Fleisch als Hoffnungsträger
«Fleisch ist aber gleichzeitig auch Hoffnungsträger für viele Bauernfamilien auf der Suche nach neuen Produktionsmethoden zur Grasverwertung. Insbesondere kleine, mittlere und abgelegene Milchbetriebe versuchen mit der Fleischproduktion ihren Hof zu erhalten, die Arbeitsbelastung zu reduzieren oder den Verdienst zu verbessern», erklärte Betriebsberater Hans Neuenschwander am diesjährigen Bäregg-Forum am Inforama Emmental. Als besondere Herausforderungen bezeichnete er die baulichen Investitionen, die Wahl von Tierart und Rasse, die Fütterungs-Strategie sowie das Vermarktungs-Konzept.
Dabei gelte es, die drei matchentscheidenden Erfolgsfaktoren Betriebsleitung, Betrieb und Markt genau zu analysieren und in Einklang zu bringen. Nach Ansicht von Proviande-Direktor Heinrich Bucher ist der Fleisch-
konsum in der Schweiz trotz der regelmässigen Negativschlagzeilen – relativ konstant.
Eine glaubwürdige Umsetzung der geltenden Qualitäts-Standards über die gesamte Wertschöpfungskette garantiere auch in Zeiten des gesellschaftlichen Wandels eine hohe Wertschätzung und einen Mehrwert, versicherte Bucher den 50 Anwesenden.
Zwergzebus aus dem Eriz
Familie Fritz Reusser aus Unterlangenegg züchtet im Eriz seit 2010 Original ceylonesische Zwergzebus. Mittlerweile umfasst die genügsame Buckelrinder-Herde gut 100 Tiere. Im Rahmen der Direktvermarktung besuchen Reussers seit zwei Jahren den Wochenmarkt auf dem Bundesplatz in Bern. «Man muss die Produktion dem Markt und den Wünschen der Konsumenten anpassen. Eine treue Stammkundschaft aufzubauen ist ein harter Weg. Nun fängt es an zu rentieren», freut sich Bauer Reusser. «Das sehr feinfaserige, dunkle Zebufleisch mit einem Hauch von Wildgeschmack ist nicht vergleichbar mit üblichem Rindfleisch. Es ist ganz klar eine Spezialität für Geniesser guter Speisen», charakterisiert er sein Nischenprodukt.
Milchviehbetrieb ohne Melkmaschine
Oberhalb von Trubschachen bewirtschaftet Familie Simon Kobel einen 17-Hektar-Bergbetrieb mit 15 Fleckvieh-Ammenkühen. Mit ihnen produziert er jährlich 32 Mastkälber und 15 Fresser (Mastremonten). «Wir haben einen Milchviehbetrieb ohne Melkmaschine», umschreibt Kobel seine unkonventionelle Viehwirtschaft. Das ausgeklügelte Handling der verschieden alten Kälber illustrierte er anhand eines Videos. «Wir haben Freude an dem, was wir machen. Die zugekauften Tränker kommen immer aus den gleichen Betrieben. Arbeitstechnisch liegen sogar Skiferien drin», antwortete der Bio-Bauer auf entsprechende Fragen aus dem Publikum.
Beim abschliessenden Apéro sorgte neben dem allgegenwärtigen Corona-Virus auch das Für und Wider bezüglich Hofschlachtung für ausreichend Gesprächsstoff.
Von Ulrich Steiner