Baustelle treibt den Puls nach oben
In der Fragestunde des Stadtrates musste Stadtpräsident Reto Müller Antworten zur aktuellen Baustellen-Situation im Zentrum von Langenthal liefern. Die Detaillisten zeigen sich unzufrieden mit dem Verlauf des Baustellenprojekts entlang der Bahnhofstrasse. «Ich bin erstaunt, wie viel Energie einige Detaillisten dafür verwenden, um der Stadt mitzuteilen, was sie für die Detaillisten tun sollte. Auf der andern Seite lassen sie keinerlei Eigeninitiative erkennen, um das Einkaufserlebnis für die Kunden zu erhöhen», konterte Müller.
Der Ärger war vorprogrammiert: Im Juni stimmte der Langenthaler Stadtrat dem Projekt samt Investitionskredit von 1,112 Millionen Franken für die Sanierung der Bahnhofstrasse/Aarwangenstrasse/Talstrasse zu. Die Umsetzung des Bauprojekts war für den folgenden Herbst geplant, für die Zeit von Ende August bis Mitte November. Dass ausgerechnet zur Vorweihnachtszeit das Stadtzentrum grossräumig umfahren werden muss, war vielen Detaillisten zwar ein Dorn im Auge, gleichzeitig war man sich jedoch der Notwendigkeit der Sanierung der stark deformierten Fahrbahnpflästerung entlang der Bahnhofstrasse bewusst.
Umsatzeinbussen von 20 Prozent
Weil sich die Bauarbeiten hinziehen und vermutlich bis im Dezember dauern werden, ist der Puls bei einigen Detaillisten deutlich angestiegen, was beim kürzlich stattgefundenen Forum der Stadtvereinigung unmissverständlich zum Ausdruck kam. Aufgebrachte Detaillisten bemängelten die Organisation, die Information, die Planung und auch die ihrer Meinung nach schleppende Ausführung des Baustellenprojekts. Von skandalösen Zuständen beim Baustellenprojekt war die Rede und von einer ruinösen Situation für die Detaillisten, die ihr Weihnachtsgeschäft gefährdet sehen. Aktuell verzeichne man bereits Umsatzeinbussen in der Höhe von rund 20 Prozent im Vergleich zum Vorjahr, bemängelte ein Detaillist, der davon sprach, dass sich für den gesamten Detailhandel in Langenthal bis Ende Jahr ein Minus von rund zwei Millionen Franken ergeben könnte, wenn die Situation nicht umgehend verbessert werde. Aus diesem Grunde wurde Detaillist und SVP-Stadtrat Michael Schenk (Inhaber Blumen Schenk) aufgefordert, bei der nächsten Stadtratssitzung einige Fragen betreffend der aktuellen Baustellen-Situation an den Gemeinderat zu richten und auch eine allfällige finanzielle Entschädigung der Stadt an die Detaillisten zur Sprache zu bringen.
Stadtpräsident Reto Müller nahm sich bei der Fragestunde im Stadtrat dem Thema gleich selber an. Eine Baustelle im Stadtzentrum sei immer mit unliebsamen Begleitumständen, Umtrieben und Belastungen verbunden, zeigte er Verständnis für das Anliegen der Detaillisten. Gleichzeitig wies er aber den Vorwurf der mangelnden Information und ungenügender Signalisation zurück. Über die Medien sei umfassend über das Bauvorhaben berichtet worden, die Anstösser sowie die angrenzende Nachbarschaft der Baustelle hätten ein Infoschreiben erhalten und auf der Webseite der Stadt Langenthal könne man sich laufend über den aktuellen Baustellenbetrieb informieren. Auch ist der Stadtpräsident überzeugt, dass die bestmögliche Signalisation zur Verfügung stehe. Einzelne Gesuche von Firmen für spezielle Beschilderungen habe man aber abgelehnt, weil man keinen Schilderwald habe realisieren wollen. Auch dem Vorschlag der Detaillisten, während der Bauzeit im Stadtzentrum Gratis-Parking anzubieten, stand Reto Müller skeptisch gegenüber. Er wies darauf hin, dass man dafür einerseits die Parkuhren umprogrammieren müsste und andererseits würden nicht alle Parkplätze im Stadtzentrum von der Stadt verwaltet, viele Parkplätze seien in privatem Besitz. Aufwand und Ertrag wären hier seiner Meinung nach unverhältnismässig gewesen. Gleichzeitig warnte der Stadtpräsident davor, dass ein Gratis-Parking auch falsche Anreize setzen «und allenfalls einen Parking-Tourismus Richtung Stadtzentrum verursachen könnte», gab er lachend zu verstehen. Müller versicherte zudem, dass auf der Baustelle so schnell wie möglich gearbeitet werde, um das Projekt möglichst rasch zu beenden.
Fehlende Eigeninitiative
Beim Thema Umsatzeinbusse sowie der Forderung nach einer möglichen finanziellen Abgeltung der Stadt an die Detaillisten stieg dann auch bei Reto Müller der Puls leicht an. Er verwies darauf, dass die Stadt die Stadtvereinigung Langenthal jährlich mit einem fixen Betrag unterstütze. «Ich staune einfach, wie viel Energie einige Detaillisten dazu verwenden, der Stadt mitzuteilen, was sie für die Detaillisten tun sollte. Auf der andern Seite vermisse ich bei den Detaillisten eine gewisse Eigeninitiative, um das Einkaufserlebnis für die Kunden zu erhöhen.» Mit speziellen Aktionen, Werbemassnahmen oder besonderen «Baustellen-Angeboten» hätte man laut Müller der zweifellos unbefriedigenden Situation aktiv entgegentreten können.
Von Walter Ryser