«Bei SRF meinen Traum verwirklicht»
Interview: Stefan Leuenberger im Gespräch mit Reto Wiedmer, Schwingkommentator bei SRF aus Häusernmoos – Der im «UE»-Gebiet bekannte Sportjournalist Reto Wiedmer amtet seit Ende Juni als Kommentator bei Schwingübertragungen des Schweizer Fernsehens SRF. Der 32-Jährige, der selber Hornusser und nicht Schwinger ist, glänzte bei seinem Einstand. Der «UE» unterhielt sich mit dem seit 2009 im Journalismus tätigen gebürtigen Sumiswalder.
Schwingen · Wie hoch war die Nervosität vor dem Stoos-Schwinget, bei dem Sie erstmals als Schwingkommentator bei SRF am Fernsehen zu sehen und hören waren?
Ich dachte, dass ich sehr nervös sein werde. Umso erstaunter war ich dann, dass es nur eine gesunde Anspannung war, das hat mir den Einstieg sehr vereinfacht.
Wie kam es zum Engagement als Schwingkommentator bei SRF?
Seit 2016 arbeite ich als Radiojournalist für SRF Sport. Die Aufgabe als TV-Kommentator im Schwingen habe ich von meinem Kollegen Marcel Melcher, der sich auf seine Aufgaben beim Radio konzentrieren will, übernommen. Als die Stelle frei wurde, fiel mein Name intern offenbar mehrere Male, worauf die Anfrage kam. Ich konnte zu einem Test antreten. Die Verantwortlichen waren zufrieden, worauf das Engagement erfolgte. Darüber freue ich mich sehr.
Wie sind Sie mit Ihrem Einstand beim Stoos-Bergkranzfest zufrieden?
Natürlich will ich mich immer verbessern und steigern. Mit der Premiere war ich aber zufrieden. In der Schule würde ich mir die Note 5 dafür geben. Das Feedback meiner Verantwortlichen freute mich, da es durchwegs positiv ausfiel.
Nach dem Stoos kommentierten Sie auch am «Südwestschweizerischen», auf dem Brünig und am «Bernisch-Kantonalen». Haben Sie viele Reaktionen erhalten?
Bereits als bekannt wurde, dass ich diesen Job ausüben darf, und rund um den Stoos-Schwinget erhielt ich über 150 Nachrichten. Nach jedem TV-Einsatz erhielt ich weitere Nachrichten.
Gab es auch negative Äusserungen?
Nein, da wurde nichts an mich herangetragen. Doch mir ist klar, dass ein Kommentator nie bei allen Zuschauerinnen und Zuschauern gleich gut ankommt. Ich vergleiche es mit einem Essen im Restaurant: Ist das Essen gut, wird dies dem Koch vermeldet, es wird gelobt. Ist es schlecht, bleibt es still.
Ihre Stimme klingt sehr angenehm. Etwas, was bei vielen Ihrer SRF-Kommentator-Kolleginnen und -Kollegen nicht der Fall ist. Ihre Stimmlage hingegen ist auch auf Dauer nicht nervend, strahlt Ruhe aus.
Ich freue mich, dass Ihnen meine Stimmlage zusagt. Ob einem ein Kommentar oder eine Stimmlage gefällt, ist aber auch individuell und letztlich wohl Geschmackssache. Für mich ist wichtig, authentisch zu sein. Ich berichte, was ich sehe und fühle.
Sie glänzen mit Fachwissen und der Gabe, lebendig und doch ruhig und überlegt zu kommentieren. Gleichzeitig sind Sie ungekünstelt lustig. Wo haben Sie dieses Knowhow her?
Du musst in der Sportart, über welche du kommentierst, sattelfest sein. Sonst geht es nicht. Dann kommt mein Rezept «sich selbst sein» zum Zug. Der Sport lebt von Emotionen. Diese sollte auch der Kommentator zulassen.
Während den Übertragungen bekommen Sie es mit den sogenannten SRF-Experten, den ehemaligen Schwingerkönigen Adrian Käser, Jörg Abderhalden und Matthias Sempach, zu tun. Diese kommentieren an Ihrer Seite. Mit welchem Schwinger «matcht» die Aufgabe am besten?
Die Zusammenarbeit ist mit allen drei hervorragend. Es spielt keine Rolle, wer an meiner Seite kommentiert. Mit Matthias Sempach habe ich die engste Beziehung, weil wir uns seit Jahren kennen und befreundet sind.
Insgeheim freuen Sie sich über jeden Erfolg eines Sumiswalder Schwingers. Gerade Matthias Aeschbacher hat einen gewaltigen Lauf. Wie schwierig ist es für Sie, während dem Kommentieren neutral zu bleiben und euphorisch zu werden – oder sogar «mitzufanen»?
Ich habe überhaupt kein Problem damit, neutral zu bleiben. Und zwar, weil ich ein Anhänger von schönem Schwingsport bin. Für mich spielt die Herkunft keine Rolle. Wenn ein Schwinger einen tollen Gang zeigt, dann freue ich mich fest mit ihm – egal aus welcher Ecke der Schweiz er stammt.
Wie würden Sie Ihr Verhältnis mit den Schwingern beschreiben?
Die ist sehr gut. Das gegenseitige Vertrauen ist da. Ich erhalte auch von Schwingern Rückmeldungen. Wichtig ist dabei immer, Nähe und journalistische Distanz richtig einzuschätzen.
Was fasziniert Sie am Schwingsport?
Das Schwingen vereint urchige Tradition mit modernem Spitzensport. Diese Kombination fasziniert mich von klein auf. Ich freue mich, bereits vor dem Anschwingen den Geruch des Sägemehls einzuatmen – um dann für die Sportfans ein Stück Schweizer Kulturgut zu kommentieren. Was mich fasziniert, ist folgender Gegensatz: Am frühen Morgen, wenn noch niemand auf dem Schwingplatz ist, herrscht eine wundervolle naturnahe Idylle, quasi die Ruhe vor dem Sturm. Und dann auf einen Schlag wird packender Kampfsport «Made in Switzerland» geboten.
Haben Sie mit dem frühen Aufstehen keine Probleme?
Ich bin ein Morgenmensch, habe das frühe Aufstehen im Blut. Früher als Konditor-Confiseur bin ich immer um 5 Uhr aufgestanden. Es ist für mich kein Problem, aufzuwachen und sofort einsatzfähig zu sein.
Was nervt Sie im Schwingzirkus?
Manchmal wünschte ich mir etwas mehr Regeln. Beispielsweise beim Ermitteln der Schlussgangteilnehmer bei mehreren Kandidaten. Oder beim Vergeben der Note 8,75 nach einem verlorenen Kampf. In solchen Bereichen wäre etwas mehr Transparenz wünschenswert. Und trotzdem ist es ja irgendwie auch schön, auf der Tribüne zuzuhören, wie über Gänge und Schlussgänge philosophiert wird.
Seit 2016 arbeiten Sie als Radiojournalist für SRF Sport und waren regelmässig als Livereporter im Radio zu hören. Was hat sich jetzt bei der Arbeit am Fernsehen verändert?
Die Vorbereitung auf ein Fest ist viel zeitintensiver. Ich bereite mich zwei Tage vor. Allerdings erklärt sich dies mit der Sendezeit: Bei einem Schwingfesteinsatz für das Radio komme ich auf eine Sendedauer von ungefähr zehn Minuten. Beim Fernsehen kommentiere ich bis zu acht Stunden durch.
Vorher waren Sie lange für den Emmentaler Regionalsender Neo1 als Sportverantwortlicher und später auch als Redaktionsleiter tätig. Vermissen Sie die Arbeit in der Heimat?
Ich bin dankbar und glücklich, für Neo1 gearbeitet zu haben. Ich verdanke dem Sender viel. Vermissen tue ich diese Arbeit aber nicht. Und zwar, weil ich mir bei SRF meinen Traum verwirklichen konnte: Ich darf ausschliesslich als Sportjournalist arbeiten.
Sie schwingen selber nicht. Dafür sind Sie langjähriges Mitglied der Hornussergesellschaft Wasen-Lugenbach, amten im Vorstand als Sekretär. Wieso Hornussen und nicht Schwingen?
Ich habe als 7-jähriger Bursche ein Jahr lang den Schwingsport ausgeübt. Ich war aber eine «Memme» und habe darum nach einem Jahr wieder aufgehört. Zum Hornussen bin ich nach dem «Eidgenössischen» 2012 in Lyss gestossen. Und zwar, weil viele meiner Kollegen auch hornussten. So bin ich reingerutscht.
Was gefällt Ihnen am Hornussen?
Für mich ist es ein ausgezeichnetes Ventil. Ein Ausgleich zum Alltag. Ich kann mich beim Schlagen wie auch beim laufintensiven Abtun im Ries wunderbar auspowern. Ausserdem bin ich einfach gerne in der Natur – und schätze das kollegiale Verhältnis untereinander in dieser Mannschaftssportart.
Dieses Jahr ersetzt die Stärkeklassenmeisterschaft die normale Schweizermeisterschaft im Hornussen. Was halten Sie davon?
Mir spielt der Modus überhaupt keine Rolle. Für mich steht einzig im Zentrum, dass wir in Corona-Zeiten unseren Sport ausüben können.
Sie spielen in der B-Mannschaft und haben das Pensum schon fast beendet. Konnten Sie Ihre persönliche Zielsetzungen mit Schindel und Nouss erfüllen?
Unser B-Team ist sehr stark. Darum wäre wohl noch ein wenig mehr drin gelegen. Persönlich bin ich zufrieden. Meine Stärken liegen sowieso nicht beim Schlagen, sondern beim Abtun. So richtig geniessen konnte ich den Teamzusammenhalt. Dieser ist bei der HG Wasen-Lugenbach einfach grandios.
Früher waren Sie auch Fussballer, standen beim Sportverein Sumiswald im Tor.
Ich war 22 Jahre lang Fussballer bei Sumiswald. Bereits mein Vater hat Fussball gespielt. Damals hat mich dieser Sport einfach fasziniert. Ausserdem haben ihn all meine Schulkameraden ausgeübt. Als C- und auch B-Junior habe ich ab und zu auch im Feld gespielt. Mit 16 Jahren konnte ich bereits im Fanionteam mitspielen. Mit 20 Jahren musste ich berufshalber kürzer treten und habe ins «Zwöi» gewechselt.
Zurück zum Schwingen. Wer ist der stärkste Schwinger der bisherigen Saison?
Es gibt sehr viele Schwinger, die einen guten Eindruck hinterlassen haben. Aber Samuel Giger hat mich sehr überzeugt.
Und welcher der aufstrebenden jungen Aktivschwinger hat Sie bisher am meisten fasziniert?
Auch da gibt es sehr viele Namen, die ich nennen könnte, aber um drei von ihnen zu erwähnen, wähle ich diese: Adrian Walther, Damian Ott und Michael Ledermann.
Nach der Absage des Jubiläums-Schwingfests in Appenzell ist der Kilchberger Schwinget Ende September das klare Saisonhighlight. Wer gewinnt dieses wichtige Schwingfest?
Da gibt es viele Anwärter auf den Sieg: Joel Wicki, Samuel Giger und Christian Stucki sind, glaube ich, im Moment die Stärksten. Aufgrund seiner Routine hat Stucki wohl gute Chancen.
Werden Sie am nur alle sechs Jahre stattfindenden Schwingsport-Highlight als SRF-Kommentator im Einsatz stehen?
Jawohl, allerdings beim Radio. Stefan Hofmänner ist im TV-Einsatz. Dies ist für mich aber völlig okay, da für mich die Radioarbeit überhaupt nicht minderwertig ist. Ausserdem bin ich mit meinen fünf TV-Einsätzen – mein letzter erfolgt am 4. September am «Nordwestschweizerischen» in Zunzgen – in meinem ersten Jahr mehr als zufrieden.
Kurz gesagt
Bester Schwinger ever: Jörg Abderhalden.
Bester Hornusser ever: Stefan Studer (HG Höchstetten).
Bester Fussballer ever: Cristiano Ronaldo.
Bester Kommentator ever: Da gibt es viele: Jann Billeter, Stefan Bürer, Stefan Hofmänner und Dani Kern kommen mir sofort in den Sinn.
Und Bernard Thurnheer: Der war vor meiner Zeit aktiv.
Olympische Spiele: Ich war stark in die Koordination von Radio SRF eingebunden, dadurch habe ich sehr viele Wettkämpfe gesehen. Das Highlight war natürlich das Schweizer Dreifach-Podest im Biken der Frauen. Mitgefiebert habe ich vor allem beim Bike-Rennen mit Mathias Flückiger. Er kommt aus der gleichen Region und ihn kenne ich schon länger.
Familie: Die ist mir sehr wichtig. Wir pflegen ein sehr gutes Verhältnis untereinander. Natürlich wünsche ich mir selber einmal eine Familie.
Laster: Ich bin manchmal etwas ungeduldig, will etwas zu schnell haben oder können.
TikTok: Kenne ich nur vom Hörensagen.
Süssigkeiten: Gönne ich mir ab und zu. Am liebsten die grünen Gummifröschli.
Jahreszeit: Sommer und Winter. Alles dazwischen ist nicht so meins.
Feriendestination: USA. Ich möchte sobald als möglich wieder eine Reise dorthin unternehmen.
Covid-19: Ich bin von einer Erkrankung verschont geblieben.