Beliebte Badis im Oberaargau – in Ursenbach schon seit 134 Jahren
Ein kurzes Abtauchen in einem Schwimmbad ist bei der momentan herrschenden Sommerhitze eine richtige Wohltat. Die Schwimmbäder in der Region sind deshalb in diesen Tagen gut frequentiert. Auch der «Unter-Emmentaler» hat sich auf den Weg in die Badi gemacht und ist in die Geschichte der Schweizer Badekultur eingetaucht. Gefunden hat er auf dem Grund des Bassins einen Eintrag, dass Ursenbach über eines der ersten Schwimmbäder im Kanton und sogar schweizweit verfügte.
Sie ist klein, aber ein richtiges Schmuckstück, die Badi in Ursenbach und sie wird von den Einheimischen geschätzt, wie Gemeindeschreiberin Daniela Glutz bestätigt: «Das ist eine richtige Familienbadi, die in unserer Gemeinde unbestritten ist.» Und das seit 134 Jahren. Mehr dazu später, denn vorerst schauen wir uns ein wenig um in diesem Schwimmbad, das seit über 100 Jahren genutzt wird. Beim Rundgang durch das schmucke Schwimmbad fällt auf, dass die Anlage pickfein herausgeputzt ist und einen einladenden Eindruck hinterlässt. Verantwortlich dafür ist Bademeisterin Daniela Stefanic, die zusammen mit ihrem Mann Jochen nicht nur die Aufsicht ausübt, sondern auch die Anlage in Schuss hält, den ganzen Betrieb organisiert und überwacht. Der 57-jährige Polymechaniker ist während den Sommermonaten jeweils in zwei Jobs tätig – tagsüber als Polymechaniker bei der Firma Schneeberger in Roggwil und abends als Badmeister-Aushilfe bei seiner Frau im Schwimmbad in Ursenbach. «Fast unser gesamtes Familienleben, alle Geburtstage, Grill-abende und Treffen mit Freunden finden während des Sommers hier statt», geben die beiden lachend zu verstehen.
Das Paar lebt seit 12 Jahren in Ursenbach. «Eigentlich habe ich mich damals nur gemeldet, weil niemand den Job ausüben wollte. Vorgesehen war, dass ich bloss für ein Jahr die Aufsicht über die Badi ausübe», erzählt die 43-jährige Badmeisterin. Mittlerweile bestreitet sie bereits die fünfte Saison und hat zugesagt, auch nächstes Jahr als Badmeisterin in Ursenbach zu wirken. Es sei ein schöner, aber zugleich auch anstrengender Job, sagt sie, die grossen Wert auf Sauberkeit legt. Das schätzen die Badigäste, die vermehrt nicht nur aus Ursenbach stammen, wie Daniela Stefanic bestätigt. Beim Rundgang durch die Badi erhält die Badmeisterin von etlichen Gästen Komplimente und lobende Worte. Von der besten Badmeisterin in der ganzen Region ist die Rede.
Dankbare Badigäste
Die Reaktionen der Leute seien der Hauptgrund dafür, dass sie das Amt nun schon seit fünf Jahren ausübe, sagt die zweifache Mutter eines Sohnes (21 Jahre alt) und einer Tochter (12). «Die Leute hier sind enorm dankbar und schätzen es sehr, dass wir diesen Job machen», erwähnt sie. Oder anders ausgedrückt: Die Ursenbacher sind stolz auf ihre Badi. Kein Wunder, verfügt man doch mit dem Schwimmbad über ein Aushängeschild, das geschichtsträchtig ist und in der Schweizer Badekultur eine Vorreiterrolle einnimmt und damit der Gemeinde Ursenbach einen Spitzenplatz sichert. Entstanden ist das Schwimmbad nämlich bereits 1885. Aus alten Schriften ist überliefert, dass in jenem Jahr der Bau eines Badeweihers realisiert wurde. Verantwortlich dafür war der Badeweiherverband, an dem der Ursenbacher Regierungsrat Niklaus Morgenthaler beteiligt war. Aus dem Oeschenbach wurde das Wasser für den rund 12x6 Meter grossen Weiher bezogen. Überliefert ist auch, dass die Badesitten zu jener Zeit in Ursenbach recht streng waren. Gegen unerlaubte Einsicht wurde der Weiher mit einem hohen Bretterzaun geschützt. Für Knaben und Mädchen, Frauen und Männer waren streng begrenzte und bestimmte Badezeiten vorgesehen.
Todesfall stellt Badi in Frage
1903 wurde der Badeweiher der Gemeinde Ursenbach geschenkt. Nach dem zweiten Weltkrieg, im Jahr 1948, wurde der alte Badeweiher durch eine neuzeitliche Anlage ersetzt. Das Schwimmbad wurde auf eine Grösse von 25x12 Meter erweitert und die Wasserzufuhr, die immer noch aus dem kalten Oeschenbach erfolgte, wurde mit einem Kiesfilter versehen. Da damals keine geeignete Aufsichtsperson gefunden werden konnte, wurde Aufsicht, Reinigung und Wassererneuerung durch die Lehrerschaft ausgeübt.
Durch den tragischen Todesfall eines Knaben wurde 1963 das Betreiben des Schwimmbades laut in Frage gestellt. So soll das Wasser dermassen trüb und dreckig gewesen sein, dass der Jüngling erst, nachdem man den Boden mit Stangen abgesucht hatte, gefunden werden konnte. Dennoch wurde das Schwimmbad weiter betrieben, da die angeforderten Wasserproben den geforderten Werten entsprachen. Es wurde auch festgestellt, dass zu dieser Zeit vielerorts sogar im Trinkwasser mehr Keime vorhanden waren als im Badewasser von Ursenbach. Im Jahr 2000 wurde das Schwimmbad ein weiteres Mal rundum saniert und erneuert. Ein neuer Kiosk, eine zeitgemässe Umzäunung und ein Beachvolleyballfeld wurden in Betrieb genommen. Sieben Jahre später wurde eine neue Wasseraufbereitungsanlage installiert und eine neue Rutschbahn angeschafft.
Die erste Badi in der Region
Damit erwiesen sich die Ursenbacher als Schwimmbad-Pioniere. Für den Spitzenplatz reichte es allerdings nicht ganz. Denn bereits 1822 liess Philipp Emanuel von Fellenberg auf dem Landgut Hofwil bei Bern ein künstliches Schwimmbad mit Sprungtum erbauen, nachdem ein Zögling der dortigen «Erziehungsanstalt für Söhne höherer Stände» beim Baden im Moossee ertrunken war. Im gleichen Jahr wurde die «Akademische Badeanstalt» unterhalt des Bundeshauses mit einem von der Aare gespeisten Badebecken erstellt.
Fellenbergs Schwimmbad und die «Akademische Badeanstalt» sind vermutlich die ersten künstlich erbauten Freibäder der Schweiz. In den folgenden Jahren entstanden auch Schwimmbäder in Zürich, Basel und Winterthur. 1869/70 wurde dann das Flussbad Thun im Schweizer Holzstil erbaut. Zweifellos aber ist Ursenbach die erste öffentlich betriebene Badeanstalt im Kanton Bern ausserhalb grosser Agglomerationszentren wie Bern oder Thun und mit grossem Abstand die erste Badi in der Region. Denn das grösste Schwimmbad in der Region, jenes in Langenthal, entstand erst 1933 an jenem Standort oberhalb des Rumiparks. Bereits um die Jahrhundertwende bestand allerdings ein Frauen- und Männerbad in der Rumimatte, dort wo sich heute der Spielplatz befindet. Der berühmte Architekt Hektor Egger plante und baute in den 1930er-Jahren eines der damals schönsten und grosszügigsten Schwimmbäder der Schweiz. Im Oktober 1985 reichten die Jungliberalen Langenthal eine mit 1451 gültigen Unterschriften versehene Gemeindeinitiative ein. Sie verlangte ein umfassendes Projekt zur Sanierung und Umgestaltung der Badeanlage. Am 2. Juni 1991 stimmte das Volk dem Projekt und einem Kredit von 10,5 Millionen Franken zu. Bereits ein Jahr später konnte mit dem Umbau begonnen werde. Herzstück der neuen Anlage waren ein grosser Sprungturm, eine lange Rutschbahn und ein Schwimmbecken mit acht wettkampfgerechten Bahnen.
Am 21. Mai 1994 konnte der Betrieb der neuen Badi aufgenommen werden und vom 26. bis 28. August wurde die neue Anlage mit einem grossen Badifest eingeweiht und zugleich das 60-Jahr-Jubiläum der Badi gefeiert. Dabei wurde sogar noch ein Weltrekord aufgestellt: Eine 1000x100-Meter-Schwimmstafette unterbot mit einer Zeit von 21 Stunden und 9 Sekunden den von einer Staffel aus Leipzig (De) gehaltenen Weltrekord.
Badekultur Schweiz
Seit vorgeschichtlicher Zeit wird Wasser als vorbeugendes, reinigendes und heilendes Element verwendet. Eine frühgeschichtliche Badekultur ist in der Schweiz in den Thermen von Baden, Lostorf und Yverdon-les-Bains sowie an der Mineralquelle von St. Moritz Bad nachgewiesen. Das 19. Jahrhundert ist das goldene Zeit-alter der Bäder. Ältere wurden reaktiviert oder grosszügig erweitert, neue entdeckt und gleich erschlossen. Neben den renommierten Bädern spielten die zahlreichen kleinen Bäder für die übrige Bevölkerung eine wichtige Rolle, wie dies unter anderem auch der bekannte Schriftsteller Jeremias Gotthelf schilderte. Oft an entlegenen Orten, entzogen sie sich dem wachsamen Auge der Obrigkeit. Zahlreich sind die Belege, wie Pfarrer und Amtspersonen gegen das überbordende Badeleben vorzugehen versuchten. Doch die Badekultur liess sich nicht mehr aufhalten. In zahlreichen Städten und später, Anfang des 20. Jahrhunderts, auch auf dem Lande, wurden Schwimmbäder für die Öffentlichkeit errichtet. Es entstand eine neue Freizeitkultur, die bis heute eine dominierende Rolle im Leben der Menschen als Ausgleich zum Arbeitsalltag einnimmt. war