Bernhard Bühler: «Wir strahlen einen grossen Team-Spirit aus»
Morgen in einer Woche reist das Team Langenthal des Freiwilligen Schulsports Langenthal (FSSL) an die Kadettentage nach Thun. Im Monats-Interview mit dem «Unter-Emmentaler» erzählt «Chef de mission» Bernhard Bühler (55), welche Highlights ihn und die teilnehmenden Jugendlichen am 7./8. September erwarten und wie das Kadettenwesen in Langenthal heutzutage aufgebaut ist.
«UE»-Redaktor Patrick Jordi im Gespräch mit Bernhard Bühler, Leiter Freiwilliger Schulsport Langenthal (FSSL)
Bernhard Bühler, es riecht rekordverdächtig: Mit wie vielen Gelbblauen reist das Team Langenthal nächstes Wochenende an die Kadettentage nach Thun?
Unser diesjähriges Team zählt 247 Kinder und Jugendliche, wovon 234 bei den sportlichen Wettkämpfen mitmachen; 13 Jugendliche sind nicht in den Sport involviert und konzentrieren sich ausschliesslich als Musikantinnen und Musikanten auf die Einsätze mit der «Kaderemusig». Was mich bei den Sportlerinnen und Sportlern besonders freut: Es sind genau 117 Mädchen und 117 Buben. Das Team der Leitenden zählt heuer 42 Personen. Somit kommen wir gesamthaft auf exakt 289 Gelbblaue, die nach Thun reisen.
Ein Rekord?
Die Teilnehmerzahl ist hoch, aber nicht exorbitant hoch. 247 Kinder und Jugendliche hatten wir in den letzten Jahren auswärts auch schon mal. Es ist aber bestimmt eine sehr stolze Zahl und ich bin froh, dass sich das Kadettenwesen mit dem Freiwilligen Schulsport in Langenthal wieder derart erholen konnte. Der «Neuzeitrekord» auswärts liegt bei 340 Teilnehmenden, das war 1980 in Langnau – übrigens meine allerersten Kadettentage, einfach schöne Jugenderinnerungen!
Die Zahlen sind allerdings kein Vergleich zum früheren Kadettenwesen in Langenthal …
Das ist so. In den 1950er- und 1960er-Jahren erlebte das Kadettenwesen in der Schweiz eine regelrechte Hochkonjunktur. An den Kadettentagen 1957 in Brugg nahmen 40 Korps mit 5474 Kadetten teil. Das Langenthaler Korps bestand aus 355 Teilnehmenden. Die regelmässigen Aufzeichnungen betreffend Teilnehmerzahlen reichen bis 1977 zurück – damals erlebte das Kadettenwesen einen Wandel und wurde in Langenthal in den heutigen Freiwilligen Schulsport überführt.
Können Sie das bitte noch etwas ausführen?
Vor 1970 gab es für Buben, die die Sekundarschule besuchten, noch ein Obligatorium – sie mussten gezwungenermassen Mitglied des Kadettenkorps werden. Anfang der 1970er-Jahre gab es dann mit dem nationalen Sportförderungsgesetz eine Reform im Kadettenwesen; J&S wurde gegründet. Das war dann für viele Kadettenkorps in der Schweiz der Todesstoss. In Langenthal hatte seinerzeit jedoch Doktor Max Jufer den richtigen Riecher. Auf seine Initiative hin konnte man sich vom sehr traditionellen Kadettenwesen lösen und sich in Richtung Freiwilligen Kadettenschulsport bewegen.
Und heute ist es nur noch der Freiwillige Schulsport Langenthal – eigentlich kommt das Wort «Kadetten» nur noch in «Kadettenmusik» vor. Und von einem Korps spricht in Langenthal eigentlich auch fast niemand mehr. Bewusst auch, weil man nicht mit einer paramilitärischen Organisation verwechselt werden möchte?
Mit dem Militär hat das heutige Kadettenwesen beziehungsweise der Freiwillige Schulsport nichts mehr zu tun – jedenfalls nicht in Langenthal. Aber die Herkunft ist natürlich schon militärischer Natur. Das ist jedoch ungefähr 200 Jahre her. Kadettentage gibt es seit ungefähr 100 Jahren. Es war damals ein bewusster Entscheid – weg von den militärischen Manövern, hin zum körperlichen Wettstreit. Die verschiedenen Korps probten also fortan nicht mehr militärische Feldübungen, sondern trafen sich zum sportlichen Wettkampf. Heute umfasst das «Kadettenwesen» die eigenständigen Gefässe Kadettenmusik und Freiwilliger Schulsport. Zusammen nehmen diese als «Team Langenthal» an den Kadettentagen teil.
Man durchlebte in der Vergangenheit ja durchaus auch schwierige Zeiten. In den Nullerjahren des aktuellen Jahrhunderts war der Freiwillige Schulsport auf einem Tiefpunkt angelangt. Heute sieht alles wieder besser aus. Was hat zur Erholung beigetragen?
Da muss ich differenzieren, denn der Freiwillige Schulsport hat ja zwei Aufgaben: Die Semesterkurse (Winterhalbjahr und Sommerhalbjahr) und die Teilnahme an den Kadettentagen. Die Semesterkurse mit rund jeweils 30 Angeboten in verschiedenen Sportarten waren auch über die angesprochenen Jahre mit jeweils über 500 Teilnehmenden stets erfolgreich. Hingegen wurden die Kadettentage mit einer immer kleiner werdenden Delegation besucht. Der Ausstieg von 2006 bis 2012 war dann der angesprochene Tiefpunkt. Als neuer Hauptleiter war ich aber überzeugt, dass die Kadettentage auch für unsere Jungen ein einmaliges Erlebnis sind. Ein Erfolgs-rezept ist aus meiner Sicht, dass das Mitwirken im «Team Langenthal» nur wenige Verpflichtungen mit sich bringt. Mit anderen Worten: Bei uns kann jedes Kind kommen, das möchte – aber keines muss. Die Teilnahme an den Kadettentagen ist absolut unabhängig von einer Teilnahme an einem Schulsportkurs. Für das «Team Langenthal» meldet man sich bis Ende Mai an, im August wird einmal zusammen trainiert, es werden die einzelnen Sportteams gebildet und dann geht’s ab an die Kadettentage. Das ganze Team kommt also ausschliesslich am Wochenende der Kadettentage zusammen. Neben der Freude auf ein einzigartiges Wochenende sind es sicher diese tiefen Einstiegshürden, welche wesentlich zur Erholung beigetragen haben.
Handhaben es die Kadettenkorps in anderen Ortschaften denn anders?
Ja, wobei es auch dort unterschiedliche Modelle gibt. Ein ähnliches Modell wie wir fährt Murten, aber dort verpflichten sich die Teilnehmenden grundsätzlich zu einem Ganzjahresprogramm. Und in Huttwil beispielsweise sind die Kinder und Jugendlichen fix im Kadettenverein dabei. In Thun, wo das Kadettenwesen nach wie vor sehr stark verankert ist, ist man sowieso fix im Korps dabei. Diese Modelle haben bestimmt auch ihre Vorteile und mögen für die jeweiligen Ortschaften gut funktionieren – bei uns war ich jedoch von Anfang an der Überzeugung, dass wir einen Wiedereinstieg nur dann hinbekommen, wenn es möglichst wenig verpflichtend ist und die Dauer des Engagements zeitlich begrenzt ist.
Was heisst das konkret in Zahlen? Wie erfolgreich ist der Freiwillige Schulsport Langenthal – jetzt mal abgesehen von den Teilnehmenden, die an die Kadettentage mitkommen – denn eigentlich unterwegs?
In den Schulsportkursen zählen wir aktuell um die 700 Teilnehmende pro Halbjahr. Das Muster ist dabei immer ein ähnliches: In den unteren Schulstufen sind die Kinder noch sehr zahlreich dabei; ab der Mittel- und Oberstufe nehmen die Teilnehmerzahlen dann jeweils ab, weil sich viele Jugendliche dann entweder für eine konkrete Sportdisziplin entscheiden und in einen Langenthaler Sportverein gehen – oder aber, die Jugendlichen wenden sich vom Sport ab.
Und was bedeutet das altersmässig – ab wann kann man beim Freiwilligen Schulsport mitmachen?
Auch hier muss ich unterscheiden: Die Schulsportkurse sind für sämtliche Schülerinnen und Schüler von der 1. bis in die 9. Klasse offen. Einige wenige Kurse sind sogar für die «Kindergärteler» dabei. An die Kadettentage nehmen wir alle 10- bis 16-Jährigen mit. Da die Kategorien nach Jahrgang eingeteilt werden, sind es derzeit die Kinder und Jugendlichen mit den Jahrgängen 2014 bis 2008. In der Kadettenmusik dürfen die Musikantinnen und Musikanten noch ein wenig länger mit dabei sein, wenn sie wollen.
Sie haben es bereits angetönt – Sie sind selbst ein Spross des Langenthaler Schulsports. Ein Grund, weshalb Sie 2012 die Leitung des Freiwilligen Schulsports übernommen haben?
Ich war und bin von diesem Angebot der Stadt Langenthal absolut überzeugt. Es ist einfach für ganz viele Kinder eine «gute Sache». Ich habe es dem Schulsport zu verdanken, dass ich seinerzeit als Jugendlicher und junger Erwachsener ein erfolgreicher Schwimmer und Trainer werden konnte. Als ich dann in den Nuller-jahren etwas aus der Ferne mitbekam, dass der Freiwillige Schulsport Langenthal bezüglich Kadettentage am Serbeln ist, tat mir das persönlich sehr leid. 2011 wurde schliesslich die Anfrage an mich herangetragen, ob ich die Leitung des Freiwilligen Schulsports ab 2012 übernehmen möchte. In diesem Moment habe ich keine Sekunde gezögert. Mir war schon damals bewusst: Ich kann hier bei etwas sehr Besonderem und Einzigartigem mitwirken.
Was ist denn so besonders und einzigartig daran – beschreiben Sie mal?
Ich kann mich noch gut an meine ersten Kadettentage als neuer Hauptleiter erinnern, das war 2013 in Thun. Ich hatte mir mindestens 100 Teilnehmende erhofft – angemeldet hatten sich dann 200! Damals wie heute schwingt eine gehörige Portion Lokalpatriotismus mit, wenn man vor dem gelbblauen Team aus Langenthal stehen darf. Die Kadettentage sind gewissermassen ein bisschen wie die Olympischen Spiele – wer die Fahne des eigenen Teams tragen darf, ist von Stolz erfüllt. Es ist ein Anlass, geprägt von Fairplay und Begeisterung. Ein toller Spagat zwischen Breitensport und Leistungssport. Alle, die wollen, können mitmachen, niemand wird ausgeschlossen. Die Kadettenmusiken geben dem Ganzen mit ihrer Musik und ihren Formationen einen sehr feierlichen Anstrich – sie sind ebenfalls ein sehr wichtiger Bestandteil der Kadettentage. Es ist insgesamt einfach ein super Paket. Die Aufgabe als «Chef de mission» raubt mir nicht etwa Energie, im Gegenteil: Sie gibt mir welche.
Kein Wunder also, freuen Sie sich schon wie ein kleines Kind auf das Wochenende vom 7./8. September in Thun.
Extrem sogar. Das Wochenende ist für mich nur so gespickt mit Highlights – ich bin quasi 36 Stunden lang wie in einem Traumfilm. Hühnerhautmässig geht es schon am Samstagmorgen früh mit der Besammlung los – gegen 300 Personen kommen dann im Morgengrauen auf dem Markthallenplatz zusammen und steigen zeitgleich in die fünf bis sechs bereitstehenden Reisecars ein. Ein weiteres Highlight sind für mich auch immer die «Schlachtrufe», die man während des Mehrkampfs am Samstagvormittag und -mittag zu hören bekommt. Das Team Langenthal ist in dieser Hinsicht unter den anderen Kadettenkorps schon beinahe berühmt-berüchtigt.
Das tönt ja nach einem ganz besonderen Team-Spirit.
Ja, das Langenthal-Lied mit der Strophe «üses Wappe treit d Farbe Gäub u Blau» ist mittlerweile weitherum als unsere Hymne bekannt – so etwas Identitätsstiftendes hat meines Wissens kein anderes Korps. Obwohl das «Team Langenthal» jeweils nur an diesem Wochenende existiert, strahlen wir gegen aussen einen grossen Team-Spirit aus.
Und gegen innen?
Sowieso! Uns ist beispielsweise die Verbundenheit zwischen der Kadettenmusik und den Sportlerinnen und Sportlern enorm wichtig. Wenn die «Kaderemusig» an den Kadettentagen einen Auftritt hat – am Samstagabend im Festzelt etwa –, dann sind die Sportlerinnen und Sportler anwesend – und singen natürlich bei unserer «Hymne» lautstark mit.
Weitere Highlights und Besonderheiten am Wochenende der Kadettentage sind?
Der Stadtlauf und die Marschmusik am Samstagnachmittag sowie – eben – das Konzert der Kadettenmusik am Samstagabend. Als ein Highlight würde ich auch die anschliessende Nacht bezeichnen. Für die Leiterinnen und Leiter deshalb, weil wir auch mal unter uns sind – das «Festen» kommt dann bei uns sicherlich nicht zu kurz. Und für die Kinder und Jugendlichen deshalb, weil das Übernachten auswärts, in unbekannter Umgebung, einfach etwas ganz Spezielles ist – viele ehemalige Teilnehmende erinnern sich später als Erwachsene sehr oft und gerne an die Übernachtungen an den Kadettentagen und berichten meist ganz begeistert von diesen späten Abend- und Nachtstunden. Übrigens: Wir lassen die Kinder und Jugend-lichen in der Nacht natürlich nicht einfach alleine – es sind immer Leitungspersonen delegiert, die in den Unterkünften die Aufsicht gewährleisten.
Das eigentliche Highlight folgt aber erst am späten Sonntagnachmittag, oder?
Korrekt. Wobei: Der Sonntag selbst hat mit den dezentralen Sportwettkämpfen und dem Stafettenlauf am Sonntagnachmittag – gefolgt von der Rangverkündigung – natürlich auch tagsüber so einiges zu bieten. Das Tüpfelchen auf dem i ist jedoch die Heimkehr mit Einmarsch und grossem Empfang daheim in Langenthal. Beim feierlichen Marsch durch die Marktgasse, die jeweils von unzähligen Zuschauerinnen und Zuschauern gesäumt ist, muss ich jeweils durchaus das eine oder andere Tränchen hinter meiner Sonnenbrille verstecken – es ist eine Mischung aus Freude und unbändigem Stolz, die dann jeweils in mir hochkommt.
Ein würdiges Schlusswort. Ich wünsche dem Team Langenthal viel Erfolg und eine gehörige Portion Spass für das nächste Wochenende in Thun!
Vielen Dank für das Gespräch.
Zur Person
Bernhard Bühler (55)
Aufgewachsen in: Langenthal
Heute wohnhaft in: Langenthal
Familie/Kinder: verheiratet mit Sandra, Tochter Jana (17) und Sohn Andri (20)
Ausbildung/Beruf: Seklehrer, Schulleiter
Ehrenamtliche Engagements: unterschiedlich, aktuell verschiedene OK-Engagements
Hobbys/Freizeit: Singen (Mannezimmer), Sport allgemein (vor-wiegend aber als Zuschauer)
Lebensmotto: Keines. Aber eine positive Herangehensweise erleichtert vieles!