Bodenständig sein – auch mit 15 Punkten
Bereits zum dritten Mal in Folge hat das Langenthaler Hotel Auberge 15 Gault-Millau-Punkte verliehen erhalten. Hauptgrund für den Erfolg ist Küchenchef Dirk Schied, der seit bald zwei Jahren die Besucher des Restaurants entzückt und nun auch die Gault-Millau-Tester erneut überzeugt hat.
Ein bisschen nervöses Warten hat beim Gastgeberpaar Murat Baki und Claudia Vogl-Baki sowie ihrem Küchenchef Dirk Schied dazugehört, bis letzte Woche das Resultat des Gault-Millau-Tests veröffentlicht wurde. Letztlich war die Aufregung umsonst, können die Verantwortlichen mit dem Resultat doch überaus zufrieden sein. 15 Punkte sei ein Grund, eine Flasche Champagner zu köpfen, findet L’Au-berge-Gastgeber und Hoteldirektor Murat Baki. Dirk Schied gibt sich da ein bisschen bescheidener: «Wir hatten wirklich Freude. Aber ich bin nicht einer, der sofort eine Champagner-Flasche öffnen will. Da bin ich eher sachlich und ruhig.» Dass Murat Baki bei dieser Antwort schmunzeln muss, erstaunt nicht. Er sei enorm stolz auf seinen Koch und wolle, ja müsse, dies manchmal sogar betonen. «Er ist bescheiden und einfach. Er ist so bodenständig, dass er sich manchmal unter seinem Wert verkauft», sagt Baki und rühmt seinen Koch in der Folge vehement. Er sei keiner, der in der Küche mit Pfannen um sich schmeisst, umherprahlt und schreit. Viel eher läuft am Vormittag beim Vorbereiten das Radio, es wird gewitzelt und gescherzt, bis um die Mittagszeit eher ruhiges, fokussiertes und musikfreies Arbeiten herrscht. Er sei angenehm, führt Murat Baki weiter aus, pflege in der Küche einen respektvollen Umgang und leiste Aussergewöhnliches. «Was er mit 39 Jahren schon alles geschafft hat, ist immens. Wir sind stolz, dass wir ihn hier haben», sagt Murat Baki. Die 15 Gault-Millau-Punkte lediglich mit einem Dreier-Team an Köchen zu erreichen, das sei eine Glanzleistung.
Gehoben – aber nicht abgehoben
Dirk Schied träumt aber von mehr. Eine einzelne Gault-Millau-Auszeichnung könnte schliesslich eine wenig sagende Momentaufnahme sein. Die Anzahl Punkte zu verteidigen, das sei schon viel eher eine grosse Herausforderung. «Ich bin sehr ehrgeizig und ein bisschen ist das auch ein Wettbewerb. Natürlich möchte ich mich weiter steigern», sagt der 39-Jährige, der sich immer wieder gerne mit besseren Berufskollegen vergleicht. Ganz so einfach ist dies aber gerade wegen seinem persönlichen Palmares nicht, hat er selbst doch erst kürzlich in Arosa sogar einen Michelin-Stern erhalten, im dortigen «La Vetta» hat er zudem 16 Gault-Millau-Punkte erkocht. Aktuell wäre es für einen Michelin-Stern in Langenthal zwar noch etwas zu früh, sagt er selbst, vielleicht wird er in den nächsten Jahren aber trotzdem zum Thema. «Wir haben in unserem Team aufstrebende Jungköche, die etwas lernen und etwas erreichen wollen. Deshalb gehören grosse Ziele auch dazu», findet Dirk Schied. Passend zu seiner ruhigen, bedachten Person betont er aber sofort, dass er auch dabei nicht etwa abheben will. Letztlich müsse alles auch für die L’Auberge finanziell und wirtschaftlich tragbar sein, weiterhin wollen die Verantwortlichen auch deshalb mit regionalen Produkten und vertretbaren Preisen Besucher anlocken. Eine Sternenküche für die Reichen vom Oberaargau sei die L’Auberge deshalb keineswegs. Viel eher ein Restaurant und Hotel mit dem gewissen Etwas.
Ausgezeichnete Mittagessen
Genauso wenig ist die L’Auberge aber eine gewöhnliche Landbeiz. Auch
auf Online-Bewertungsportalen wie Lunchgate.ch oder tripadvisor sticht sie in den Bewertungen obenaus, bei Lunchgate gehört sie mit 4,9 von 5 Punkten schweizweit zu den besten Restaurants fürs Mittagessen. Dabei will sich Dirk Schied im ersten Moment gar nicht von einem anderen Koch abheben. Er sagt bescheiden: «Die Unterschiede zwischen mir und einem Koch in einem «gewöhnlichen» Restaurant sind klein.» Erst beim Nachhaken offenbart er Ungleichheiten. Alles sei frischer, auch Saucen werden niemals aus Fertigpackungen angerührt, wobei andere Köche im Zeitdruck hin und wieder zu solchen Notlösungen greifen. Auch sei vielleicht die Einstellung zum Nahrungsmittel anders, dazu kommen auch Erfahrung und eine spezielle Leidenschaft fürs Kochen. «Ich denke, das schmeckt der Gast dann auch», sagt Dirk Schied, der sein Handwerk in Deutschland erlernte und unter anderem in England bei Gordon Ramsey oder in Neuseeland, Finnland und Kanada sein Wissen erweiterte.
Ganz wichtig sei ihm auch die Kreativität, wo er sich mit dem Ratschlag eines Kochs aus Belgien auch immer gerne an der Jahreszeit orientiert. «Im Sommer sind die Farben auf dem Teller eher gelb und rot, im Herbst dominiert braun.» Nicht zuletzt gehöre Kreativität auch auf die Speisekarte, die in der L’Auberge alle sechs Wochen ausgewechselt wird. «Hier versuchen wir eine Linie zu halten, innerhalb dieser Linie tanzen wir aber auch mal hoch und runter», sagt der Chefkoch, der damit ein breites Publikum ansprechen will.
Routine ist wichtig
Am wichtigsten aber ist Dirk Schied Konstanz. Alleine diese löse eine positive Mundpropaganda aus und bringe Gäste dazu, das Lokal weiterzuempfehlen. Nicht zuletzt ist auch Bescheidenheit wichtig, weil wer abhebt, schneller fällt. «Damit das gelingt, ist Routine ein grosser Bestandteil des Erfolgs», findet der aus Deutschland stammende Schied, deshalb hat er sich einen grossen Erfahrungsschatz mit Know-how aus der ganzen Welt angesammelt.
Von diesem Rucksack profitiert er nun im L’Auberge. Und darüber freuen sich letztlich seine Gäste. «Andern eine Freude machen, das gefällt mir am Koch sein», sagt er selbst.
Bewertungen auf Online-Portalen oder eben 15 Gault-Millau-Punkte sind eine angenehme Bestätigung seiner engagierten Arbeitsweise. «Natürlich ist die Gault-Millau-Auszeichnung fürs ganze Team wichtig», sagt Dirk Schied und hebt die ach so wichtige Zusammenarbeit in der Küche hervor. Trotz Bescheidenheit zähle die Freude über das Erreichte auch für ihn selbst. Dabei hofft er, dass er die 15 Punkte weiterhin mit seiner Bodenständigkeit im Langenthaler L’Auberge vereinen kann.
Von Leroy Ryser