• Organisatoren sowie Botschafterinnen und Botschafter auf dem Platz der «Brauschüür» in Zollbrück. · Bild: ljw

05.09.2019
Emmental

Botschafter finden den Weg in die «Brauschüür»

Seit dem 19. August und noch bis morgen Freitag ist das EDA auf einer Tour de Suisse der speziellen Art: Im Rahmen des Projekts «Meet the Ambassadors» besuchen Schweizer Botschafterinnen und Botschafter an elf Tagen ihre Heimatkantone, um dort von ihrer Arbeit im Ausland, respektive im EDA zu erzählen. Am Freitagabend machten einige von ihnen Halt in der «Brauschüür» der Mein Emmental AG in Zollbrück. Das benützten die Organisierenden, um ein Podium mit zwei Botschaftern sowie Eva Jaisli, PB Swiss Tools, Wasen, und dem Unternehmer und «Flyer»-Gründer Kurt Schär, Roggwil, zu organisieren.

 

Zollbrück · Markus Reubi, Familienvater, Rechtswissenschafter mit Weiterbildung als Executive Master of Business Administration in Kanada. Seit 2018 ist er stellvertretender Missionschef auf der Botschaft in Tokio. Gemeinsam mit seinem Berufskollegen aus Brienz, Balz Abplanalp, einstiger Journalist, Gymnasiallehrer und Lobbyist und ebenfalls seit 2018 Botschafter der Schweiz im Sultanat Oman und in der Republik Jemen, stand Reubi in der Zollbrücker «Brauschüür» auf dem Podium.
Die beiden Botschafter wollten Emmentaler Wirtschaftsleuten und Ausland-Interessierten die Funktion und den Alltag eines Botschafters näher bringen. Die knapp dreiwöchige Aktion «Meet the Ambassadors» ist vom Eidgenössischen Departement für äussere Angelegenheiten (EDA) auf Initiative des EDA-Vorstehers Bundesrat Ignazio Cassis initiiert worden.

Die Sorgen der Schweizer
Auf der anderen Seite des Podiums standen Eva Jaisli, CEO PB Swiss Tools in Wasen, und Kurt Schär, Unternehmer, Touristiker und Visionär. Moderiert wurde der Anlass von Michael Fahrni, Geschäftsführer des Swiss Venture Clubs. Schnell wurde beim an sich fröhlichen Treffen klar, dass insbesondere der globale Wandel auf allen Erdteilen beschäftigt. «Die Situation ist anders als vor einem Jahr», stellte etwa Eva Jaisli fest. Die Entwicklungen würden Sorgen bereiten. Die Auftragslage sei im zweiten Quartal 2019 völlig eingebrochen. «Wir leben zurzeit von den guten Monaten.» Dennoch wolle PB Swiss Tools investieren: «Investitionskraft ist elementar.»
Nach schwachen Jahren seien die Tourismuszahlen in den letzten Jahren gestiegen, seien einige Zeit stabil geblieben, stellte Kurt Schär fest. «Doch die Touristenströme sind volatil. Währungsschwankungen beeinflussen sie stark.» Noch aber spreche man in der Schweiz von «Over-Tourismus», insbesondere in Städten wie Luzern oder Interlaken. «Die Anbieter sind nun gefordert, die Perlen herauszuschälen. Mit schönen Ausflugsorten und Betrieben wie Kambly in Trubschachen oder der Schaukäserei in Affoltern besitzt das Emmental zahlreiche solche ‹Perlen›. Sie sind unsere Chance.»
In einer völlig anderen Welt, aber eng mit der Schweiz verbunden, stehen die beiden Botschafter Balz Abplanalp und Markus Reubi.
Während Markus Reubi in Tokio im mit der Schweiz eng befreundeten Japan seine Aufgaben wahrnimmt, steht Balz Abplanalp in Oman auf zwar relativ sicherem Boden, der «sogenannten Schweiz im Mittleren Osten», aber in nächster Nähe eines der tragischsten Kriegsgebiete der Welt. «Was in Jemen geschieht, könnte einem das Herz brechen.»
Die beiden Botschafter bewegen sich in ihren Gastländern gleichermassen zwischen Politik, Wirtschaft und Privatleuten. Sie vertreten, wie alle ihre Kolleginnen und Kollegen, die politischen, wirtschaftlichen, kulturellen und militärischen Interessen der Schweiz in ihrem Gastland.
Die Freihandelsabkommen sind dabei wichtige Themen. Gleichzeitig nehmen sie die Interessen der Schweiz gegenüber und innerhalb von internationalen Organisationen wahr. «Wir vertreten die Schweiz gerne», sagten die beiden einhellig. Die Schweiz gelte als solid, ihre Produkte als qualitativ hochstehend. Hier trafen sich auf dem Podium die Diplomaten und die Wirtschaftsvertretenden. «Es ist wichtig, dass unsere Qualitätsprodukte im Ausland bekannt sind. In neuen Marktgebieten brauchen wir teils die Unterstützung der Botschaften, um das Land kennenzulernen, einzuschätzen, um die wirtschaftlichen Netzwerke zu eruieren», stellte Eva Jaisli fest.
«Gemeinsam waren wir schon oft erfolgreich.» Allerdings gelte es auch, sicherzustellen, ob es sich um Märkte handle, in die es sich zu investieren lohne. Freihandelsabkommen seien das A und O für die Schweizerische Exportwirtschaft. Gefordert sei deshalb die Politik, namentlich der Bundesrat. «Wird bis im Mai 2020 das Institutionelle Rahmenabkommen mit der EU nicht unterzeichnet, können wir unsere Medizinalprodukte nicht mehr absetzen. Wir werden behandelt wie Drittstaaten.»
Ein bedenkliches Szenario. Trotz allem ist die PB Swiss Tools Chefin überzeugt, «dass die Schweiz gute Trümpfe in den Händen hat.» Kurt Schär ging einig mit ihr, dass möglichst gute Rahmenbedingungen für den Export geschaffen werden müssen. Allerdings beginne der Erfolg nicht dort, sondern in den Schweizer Unternehmen, «die sich anstrengen müssen, die selbst Ini-tiative ergreifen, neue Entwicklungen und hochstehende Produkte auf den Markt bringen müssen.»

Trotz oder wegen dem grossen Erfolg nicht bequemer werden
Hier hakten die Botschafter ein. Betrachte er die vielen internationalen Rankings, in welchen die Schweiz fast ausnahmslos obenaus schwinge, freue ihn das, gebe ihm aber auch zu denken, stellte Markus Reubi fest: «Ständiger Erfolg kann dazu verleiten, bequemer zu werden». «Der Erfolg könnte in der nachfolgenden Generation als selbstverständlich erachtet werden», stellte auch Balz Abplanalp fest. «Die Schweizer Wirtschaft und auch die Forschung und Entwicklung dürfen nicht nachlassen, sich anzustrengen. Die andern schlafen nicht.»
Nach einigen Anekdoten von den beiden Botschaftern und auch von Kurt Schär, der unter anderem längere Zeit in China tätig war, leitete Roland Heiniger, Managing Director und Regionalleiter der Bank Vontobel AG sowie Verwaltungsratspräsident Mein Emmental AG, zu Bier und Wurst über.
Viel zu schnell war die Zeit verflossen, die für das Podium zur Verfügung stand – zu spannend waren die Ausführungen der vier Teilnehmenden, die auf so unterschiedlichem Terrain agieren und dennoch allesamt ein Glied in der langen Kette des Schweizer Erfolgs bilden.

Markus Reubi, Diplomat, Tokio/Japan
«Die Schweiz und Japan pflegen ein sehr freundschaftliches, wohlgesinntes Verhältnis. Seit rund zehn Jahren besteht ein Freihandelsabkommen. Dieses möchten wir noch ausbauen. Aber die Schweiz darf den Fortschritt nicht verschlafen. Insbesondere in der Digitalisierung hätte sie noch gros-ses Potential. Wir brauchen den Mut, solche Themen anzugehen. Als Vergleich: In Japan ist für Kinder ab der zweiten Klasse der Programmier-Unterricht obligatorisch. So weit sind wir in der Schweiz noch nicht …

Kurt Schär, Unternehmer, Touristiker und Visionär
«Delegieren an andere Stellen funktioniert nicht. Zuerst muss man selbst initiativ sein, hinter seinen Produkten mit Stolz und Wärme stehen können. Dann kann eine gewisse Unterstützung wertvoll sein. Sprache – wenn es auch nur wenig ist, das Gegenüber wird nie wissen, wieviel man wirklich versteht –, Kochen und Essen sind die beste Diplomatie im Geschäftsleben. Als ich in China tätig war, besuchte ich einen Chinesisch-Kochkurs und in der Migros Clubschule Bern während zwei Jahren einen Chinesisch-Kurs. Das hat sich bewährt.»

Balz Abplanalp, Botschafter in Oman/Jemen
«Die Entwicklungen in der Stras-se von Hormus bereitet uns Sorgen. Sie haben einen grossen Einfluss auf die Handelsströme und damit einen starken Einfluss auf die Weltwirtschaft. Wir hören genau hin, was die Leute vor Ort denken und tun. Abgesehen davon vergeht kein Tag, dass ich nicht mit einer Schweizer Firma in Oman zu tun habe oder umgekehrt mit einer Omanischen, die mit der Schweiz zusammenarbeiten möchte. Es gibt spannende Anfragen. Kein Tag ist wie der andere, es gibt immer wieder unverhoffte Situationen.

Eva Jaisli, PB Swiss Tools, Wasen
«Ich glaube nach wie vor, dass die Schweiz viele Trümpfe in der Hand hat. Wenn wir aber bedenken, dass unser Export nach Deutschland und in die umliegenden EU-Länder das gleiche Volumen aufweist wie derjenige in die USA und nach China zusammen, ist klar, dass wir zur EU Sorge tragen müssen. Wir brauchen die Politik, welche die Rahmenbedingungen schafft, damit wir unsere Produkte absetzen können. Die Währungsproblematik zeichnet sich in einer Schärfe ab, die toxisch wirkt für die Export-
industrie.»

Die Organisatoren: Mein Emmental
Im Emmental eine ehrliche, bodenständige und kreative Bierkultur aufbauen – das war die Idee, als 2010 die Mein Emmental AG gegründet wurde. In der «Brauschüür» werden verschiedene Bierstile mit vielen und ständig neuen Geschmacksrichtungen gebraut. Zudem werden Biere in Wein- und Whiskyfässern weiter ausgereift und veredelt. Die Marke «Mein Emmental» steht als Dachmarke im Mittelpunkt für verschiedene genussvolle und touristische Angebote in der Region. Gestützt wird die Marke von 949 Aktionärinnen und Aktionären. Die «Brauschüür», 2018 liebevoll umgebaut und eröffnet, ist längst zum beliebten Treffpunkt für Bierliebhaberinnen und Bierliebhaber geworden. Es können Brauseminare und Bierdegustationen durchgeführt werden. Interessierte können in Gruppen ihr eigenes Bier brauen und vieles mehr. Nebst Bier gibt es verschiedene Events rund um die «Brauschüür», dies in Zusammenarbeit mit verschiedensten Event-Partnern aus der Region. Gemeinsam wurde so 2018 auch der Werbesong «Mein Emmental» realisiert.
www.mein-emmental; www.brauschüür.ch; www.swiss-venture-club.ch

Der Vernetzer: Swiss Venture Club für Schweizer KMU
Der im 2001 vom bekannten Berner Unternehmer Hans-Ulrich Müller gegründete Swiss Venture Club (SVC) vernetzt Schweizerische KMU. Getreu diesem Motto bietet der SVC seinen Mitgliedern, Partnern und Sponsoren schweizweit die Möglichkeit, sich an zahlreichen Events auszutauschen. Damit bietet der SVC seinen über 3000 KMU-Mitgliedern eines der wichtigsten Netzwerke für Unternehmerinnen und Unternehmer in der Schweiz. Zudem schafft er öffentliche Aufmerksamkeit für ihre Leistungen und begünstigt den Ideenaustausch. Dazu gehört auch die alle zwei Jahre stattfindende Verleihung von Unternehmerpreisen in 7 Wirtschaftsregionen. Beim Prix SVC Espace Mittelland konnte in der Vergangenheit das Emmental verschiedene Preisträger stellen, unter anderem Asic Robotics, Burgdorf, Sieger 2019, Moser-Baer AG, Sumiswald, 2. Rang 2017, Kühni AG, Ramsei, 3. Rang 2017 und, weiter zurück, die Jakob AG, Trubschachen, im 1. Rang 2009 und PB Baumann GmbH Wasen (heute PB Swiss Tools), 2. Rang 2004. Die Mitgliedschaft im SVC ist für offen für Einzelpersonen und Firmen. Der Club will weiterwachsen.

Von Liselotte Jost-Zürcher