• Die Neo-Nationalrätin hat nicht ernsthaft mit der Wahl in den Nationalrat gerechnet. Umso grösser ist ihre Freude. · Bild: zvg

22.10.2019
Emmental

Christine Badertscher vertritt neu die Region

Die Region des «Unter-Emmentaler» ist ein guter Spiegel für die ganze Schweiz: Mit Christine Badertscher wurde eine Grüne Politikerin in den Nationalrat gewählt, dafür musste der bisherige Adrian Wüthrich (SP) seinen Platz räumen. «Ich hätte nie damit gerechnet», sagt die Neu-Nationalrätin gegenüber dem «UE».

Kanton Bern · 45 125 Stimmen hat die Madiswilerin Christine Badertscher am Wahlsonntag erhalten. Damit ist sie als Vierte der Liste von den Grünen in den Nationalrat gewählt worden. «Damit hätte ich nie gerechnet. Ich wurde am Samstag noch gefragt, ob ich nervös sei. Meine Antwort war nein. Wieso auch?», sagt Christine Badertscher lachend. Auch den Sonntag selbst habe sie grösstenteils entspannt erlebt. «Wir haben mit drei Sitzen gerechnet. Und als klar wurde, dass Kilian Baumann besser abschneiden wird, war es für mich eigentlich fast schon erledigt.» Erst die bernische Hochrechnung habe sie dann überrascht, diese deutete nämlich an, dass die Grünen sogar vier Sitze für sich gewinnen dürften. «Aber auch da habe ich mir gesagt: Das ist nur eine Hochrechnung. Wirklich stimmen muss das ja gar nicht.»
Der Nervositätspegel stieg damit erst, als die Resultate definitiv verkündet wurden, und der vierte Sitz definitiv war. «Ich habe lange nicht daran geglaubt. Es ist irgendwie alles unglaublich schnell passiert.» Im ersten Moment habe sie es zwar realisiert, dass sie tatsächlich gewählt wurde, so richtig wahrgenommen habe sie es aber doch nicht. «Natürlich habe ich mich riesig gefreut. Heute morgen habe ich dann noch einmal überlegt, wie das Resultat aussieht. Und als mir klar wurde, dass ich abgesehen von Listenstimmen rund 20 000 Stimmen explizit persönlich erhalten habe, habe ich mich schon sehr gefreut.»
Überragend sei vor allem auch das Resultat in Madiswil gewesen, wo sie mit 723 Stimmen sogar mehr Stimmen erzielte als Werner Salzmann. «Das Resultat im Oberaargau freut mich allgemein, aber Madiswil ist für mich natürlich der Wahnsinn.»
Auf ihr neues Mandat freut sie sich zweifellos, immerhin habe sie sich ja auch schon zuvor intensiv mit der Politik befasst. «Ich denke aber, dass es noch ein bisschen anders sein wird, wenn man plötzlich mittendrin ist.» Sie würde sich gerne auch als Brückenbauerin engagieren, damit gerade bei den Grünen auch Landwirtschaftliche Themen anders wahrgenommen werden können.

Wüthrich deutlich abgewählt
Weniger erfreulich war der Wahlsonntag derweil für Adrian Wüthrich. Der Huttwiler sammelte zwar immerhin 40 000 Stimmen, wurde aber dennoch deutlich abgewählt. Zurückzuführen ist dies auf die Stärke der Frauen sowie auf die grüne Welle. Während die Frauenliste der SP ihre drei Sitze halten konnte, haben die Männer gleich zwei von drei verloren. Wüthrich wurde zudem mit 7000 Stimmen Rückstand auf Corrado Pardini nur Dritter auf der Herrenliste der SP. «Ich wusste es schon vor anderthalb Jahren, dass es für die Wiederwahl schwierig werden wird», erklärt Wüthrich, der damals als erster Ersatzmann in den Nationalrat nachrutschen konnte. «Natürlich habe ich für meine Wiederwahl gekämpft, aber die aktuellen Themen ‹Klima›  und ‹Gleichstellung› haben es für mich besonders schwer gemacht.»
Überraschend sei vor allem das Resultat in Bern, dem grössten Wahlkreis, gewesen, wo die SP-Frauen einen Anteil von rund 18 Prozent erhielten, die Männer aber nur deren 8 erreichten. «Dafür war das Resultat in der Region Huttwil sensationell, dort habe ich wahrscheinlich noch gar nie so viele Stimmen erhalten. Auch das Resultat im Oberaargau hat mich gefreut», so Wüthrich weiter. Mit seiner Stimmanzahl sei er eigentlich sogar zufrieden, die Parteikonstellation habe aber nicht für ihn gesprochen. «Natürlich bin ich auch enttäuscht. Ich empfinde dies aber nicht als persönliche Abwahl, es war viel eher allgemein ein Misserfolg für unsere Männerliste.» Politisch will sich der 39-Jährige auch deshalb weiterhin engagieren, dies werde sich wohl aber vermehrt auf den Beruf konzentrieren, politische Mandate hat er ansonsten nämlich abgegeben. «Die letzten anderthalb Jahre waren auch eine grosse Herausforderung, weil ich beruflich bei «Travail­Suisse» nicht reduziert habe. Ich denke, dass nicht zuletzt meine Familie nicht unglücklich ist, wenn sich mein Pensum etwas verkleinert», so der Vater zweier Kinder. Er habe sich aber immer gerne politisch engagiert und werde dies auch künftig tun. Fraglich sei aktuell nur, in welcher Form.

Achtungserfolg für Carole Howald
Damit hat es für den Oberaargau einzig Christine Badertscher in den Nationalrat geschafft. «Das ist eigentlich schade. Ich hätte Freude gehabt, wenn ich mit Adrian Wüthrich den Oberaargau hätte vertreten dürfen», sagt die neu gewählte Nationalrätin. Natürlich freue sie sich, diesen Landesteil ver­treten zu dürfen, zugleich sei es aber erstaunlich, dass sie dies als einzige machen dürfe. «Aber so gehen wir immerhin nicht ganz vergessen», meint sie mit einem Augenzwinkern.
Ein gutes Resultat ist der 26-jährigen Langenthalerin Carole Howald gelungen. Die Kandidierende auf der Liste der Jungfreisinnigen hat übergreifend über die beiden Listen Land und Stadt am meisten Stimmen geholt. «Damit habe ich nicht gerechnet», sagt Carole Howald. «Das ist überwältigend für mich und unglaublich schön. Es gibt mir Kraft, mich weiterhin politisch
zu engagieren und die Werte der Jungfreisinnigen auch in Zukunft zu ver­treten.» Die Curlerin und Langen­thaler Stadträtin erzielte immerhin 1195 Stimmen, was als Achtungserfolg gewertet werden kann. Weniger überzeugend waren derweil diverse Politiker mit Aussenseiterchancen, darunter der Niederbipper Beat Bösiger. Der Gemüseproduzent wurde auf der SVP-Liste nur Vierzehnter.
Ebenfalls nicht geschafft hat es der Langenthaler Unternehmer Michael Schär, er erhielt 19 000 Stimmen und wurde 17. auf der FDP-Liste.
Zu den weiteren regionalen Politikern die als beste Regionale auf ihren Listen nicht gewählt wurden, gehören Huttwils Grossrat Johann Ulrich Grädel (EDU), die Obersteckholzer Grossrätin Monika Gygax-Böninger (BDP) und die Madiswiler Jus-Studentin Sofia Fisch (Juso).

Von Leroy Ryser