«Chropfläärete» in der Pfarrei Huttwil
Kurz vor der ordentlichen Kirchgemeindeversammlung haben sich vergangenen Mittwoch gut dreissig Katholiken im Pfarreisaal eingefunden. Eingeladen hatte der Kirchgemeindepräsident Robert Zemp, welcher letzten Dezember eine Petition mit 27 Unterschriften zugestellt bekam (der UE berichtete).
Die Petitionäre hatten an der letzten Kirchgemeindeversammlung ihrem Ärger über die Organisation des Religionsunterrichtes Luft gemacht und verfassten auf Anraten des Präsidenten Zemp eine Petition. In dieser wurden fünf Forderungen gestellt, etwa dass der Religionsunterricht in Huttwil stattfinden müsse und dass allen Kindern acht Jahre Unterricht möglich sein soll, auch wenn die Jahrgänge zusammengelegt würden.
Kirche mitten in der Veränderung
In einem ersten Teil führte Judith Furrer, Leiterin der Fachstelle Religionspädagogik der katholischen Kantonalkirche, die Überlegungen des Leitbildes der Deutschschweizer Bischöfe aus, welche 2007 das Leitbild «Katechese im Kulturwandel» herausgaben. «Früher wurden in der Familie, im Pfarreileben und im Religionsunterricht der Glauben gelebt, heute ist es oftmals nur noch im Religionsunterricht der Fall und vielen Kindern fehlen positive Erfahrungen ausserhalb des Unterrichtes», stellte Furrer zu Beginn fest. Dazu kämen weitere, tiefgreifende gesellschaftliche Veränderungen wie sprachliche Hürden, zunehmende Individualisierung und die abnehmende Wichtigkeit von Religion. «Die Katechese hat aber zum Ziel, dass wir auch morgen noch gemeinsam feiern können.» Die Katechese sei deshalb ein lebenslanges Glaubenslernen und nicht nur auf den Religionsunterricht reduziert. Damit würde sich auch das Berufsbild der Katecheten ändern, etwa durch zunehmenden Elternkontakt und -beratung. Auch mit dem neuen, kompetenzorientierten Lehrplan, welcher 2017 in allen Deutschschweizern Pfarreien umgesetzt wurde, habe die Professionalität im Religionsunterricht zugenommen: «Katechetinnen sind nicht mehr Hilfskräfte, sondern Angestellte mit Aufgaben über den Religionsunterricht hinaus.»
Bewerbungen blieben aus
In den nächsten Jahren zeichnet sich allerdings ein grosser Mangel an Katechetinnen ein, alleine im Kanton Bern wird knapp die Hälfte der gut 100 Unterrichtenden in den nächsten 15 Jahren pensioniert. Fachkräftemangel ist auch im Oberaargau kein Fremdwort. Auf die letzte Stellenausschreibung sei keine einzige Bewerbung eingegangen, erzählte Esther Rufener, welche das achtköpfige Katechese-Team leitet. «Diese Katechetinnen unterrichten in den vier Pfarreien und die Kinder kommen aus 50 politischen Gemeinden. Da ist es nicht einfach, den Unterricht für alle passend zu organisieren», erklärte Rufener ihre Arbeit. «Die gesellschaftlichen Veränderungen sind in Huttwil schon lange spürbar geworden, immer weniger Kinder besuchen den Religionsunterricht. Und durch den Abbau des Angebotes werden den Eltern Steine in den Weg gelegt, etwa dass Unterrichtsblöcke an Stelle regelmässigen Unterrichts stattfindet», erwiderte Philippe Groux, welcher die Petition mitverfasste und dem Pfarreirat Huttwil angehört. «Wir legen nicht aus bösem Willen Hürden wie eine Mindestklassengrösse von acht Kindern fest», konterte der Pastoralraumleiter Domherr Alex Maier. «Weil oft weniger als acht Kinder den Unterricht besuchen, müssen wir Klassen zusammenlegen.»
Mangelnde Kommunikation
Das Anliegen beider Seiten, den Religionsunterricht attraktiv zu gestalten und in Huttwil zu behalten, wird jedoch zunehmend schwieriger. Für das kommende Schuljahr haben sich von 16 angeschriebenen künftigen Erstklässlern nur vier für den Religionsunterricht angemeldet. «Von acht Familien haben wir keine Rückmeldung bekommen», wusste die Verantwortliche Rufener. Doch die Unterzeichnenden der Petition sehen darin ein Zeichen mangelnder Kommunikation: «Die Pfarrei hat offenbar den Kontakt zu ihren Mitgliedern grösstenteils verloren», so Groux. Auch andere Stimmen wurden laut, etwa dass fremdsprachige Gläubige die Anmeldungen gar nicht verstünden oder dass bei denjenigen, die sich einmal gegen den Religionsunterricht entschieden haben, nicht erneut nachgefragt wird. Der fehlende Kontakt zur Gemeinde habe auch dazu geführt, dass ein Grossteil der Ministranten nicht mehr in den Gottesdiensten mitwirke.
Die Verfasser der Petition, Ludwig Kleiser und Philippe Groux, zeigten sich von den Antworten der Pastoralraumleitung zu ihren Forderungen enttäuscht: «Die Nöte der Gläubigen werden nicht berücksichtigt.» Wie es in Huttwil weitergehen werde? «Es gibt hier noch einen kleinen, harten Kern, der weiterhin Widerstand leisten wird, eine Art gallisches Dorf. Wir erwarten vom Religionsunterricht, dass sich die Kinder am Ende mit den nötigen Kenntnissen frei entscheiden können, Teil der Gemeinde zu sein. In welcher Form dies geschieht, ist für uns nicht entscheidend. Der heutige Unterricht erreicht dieses Ziel aber nicht», bilanzierte der Pfarreirat Groux.
Info: Unterschiedliche Organisation
Anders als die Reformierten Kirchen ist die Katholische Kirche in der Schweiz dual organisiert: Die Kirchgemeinde ist für Finanzen, Gebäude und Anstellungen verantwortlich und die Kirchgemeindeversammlung kann hier mitbestimmen. Die vier Oberaargauer Pfarreien Huttwil, Langenthal, Herzogenbuchsee und Wangen sind Teil der Kirchgemeinde Langenthal. Die Pfarreien hingegen werden vom Pastoralraumteam geleitet, welches beispielsweise den Religionsunterricht organisiert, die Gottesdienste plant und die diakonischen Angebote führt.
Von Patrik Baumann