Coronavirus schrittweise besser kennengelernt
Thomas Künzi ist einer der Ärzte, die in den letzten Wochen im Langenthaler Spital SRO Corona-Patienten behandelt haben. Der 57-jährige Langenthaler erzählt gegenüber dem «Unter-Emmentaler» vom Lernprozess, den er im Zusammenhang mit dieser Krankheit erlebte.
SRO-Langenthal · Mundschutz überstreifen, gelbes Papiergewand anziehen, Hände desinfizieren, Handschuhe überstreifen, anklopfen und eintreten. Der Aufwand für eine Kontrolle bei einem CoronaPatienten ist für Ärzte und das Pflegepersonal merklich grösser, als beim Besuch eines gewöhnlichen Patienten. Auch sonst hat die Krankheit Covid-19 den Spitalalltag verändert.
Wer nicht stationär behandelt wird – ambulante Patienten, Pflegepersonal und Ärzte – muss ständig eine Maske tragen, die Eingänge werden von Securitas und Zivilschutz kontrolliert, Besuche sind nur noch in Ausnahmefällen zugelassen. Auch Dr. Thomas Künzi sagt: «Das Coronavirus ist quasi ein Dauerthema ohne absehbares Ende.» Vor allem Letzteres belastet viele. Während man bei einer Militärübung bereits im Voraus weiss, wann der nächste Ausgang ansteht, ist beim Coronavirus auch heute noch vieles schleierhaft. «Wir wissen und wussten schon, wie wir in Punkto Spitalhygiene damit umgehen müssen. Die gleichen Verfahrensweisen gibt es auch bei der Bekämpfung der Influenza. Wie wir das Virus aber behandeln, wissen wir weiterhin nicht», sagt der Stellvertretende Chefarzt der medizinischen Klinik und Leiter der Nierenabteilung.
Bis heute würden vor allem Folgen behandelt. Wenn sich beispielsweise Wasser in der Lunge ablagert und die Sauerstoffaufnahme erschwert ist, wird beatmet, damit Zeit für eine mögliche Heilung gewonnen wird. Die Ursachen sind aber weiterhin unbekannt, weshalb auch nicht bekannt ist, wie man gegen diese vorgeht. Klar ist einzig, dass einzelne Bevölkerungsgruppen, mittlerweile bekannt als Risikogruppen, öfter von schweren Folgen betroffen sind als andere.
Höchstens zehn Patienten zeitgleich
Thomas Künzi hatte als betreuender Arzt in den letzten Wochen mehrmals mit solchen Patienten zu tun. Mitte April habe man im Spital Langenthal mit gegen zehn stationär behandelten Patienten den Peak erreicht, seither seien die Fallzahlen rückläufig. Sie widerspiegeln damit auch die schweizweiten Zahlen vom Bundesamt für Gesundheit (BAG). «Bevor ich ein Zimmer mit Covid-19-Patienten betrete, mache ich immer noch rasch eine Kontrolle, ob ich alles richtig angezogen habe», verrät der 57-Jährige. Das habe aber nicht nur mit dem Eigenschutz zu tun, sondern auch mit dem Schutz seiner Mitarbeiter und den weiteren Patienten. Er selbst habe berufsbedingt mit vielen Menschen Kontakt, diese wolle er auch entsprechend schützen, indem er die Abläufe strikt befolgt. Die Gefahren des Coronavirus habe er deshalb durchaus ständig im Hinterkopf, weil dies letztlich auch gegen Fahrlässigkeiten vorbeugen soll.
Angst vor diesen Patientenbesuchen habe er aber nie gehabt. «Ich gehe damit sehr nüchtern um und betrachte es aus einer medizinischen Perspektive.» Tatsächlich habe es aber auch im SRO Personal gegeben, das Bedenken geäussert hat. Eigens dafür wurde denn auch eine Hotline eingerichtet, die zu Beginn rege benutzt wurde. Ausserdem gab es einzelne Mitarbeitende, die aufgrund ihrer Zugehörigkeit zu einer Risikogruppe aus guten Gründen umplatziert wurden.
Ein einmaliger Lernprozess
Viele Bedenken konnten aber auch mit Gesprächen aus dem Weg geräumt werden. Sowieso habe man mit der Zeit immer mehr über das Virus gelernt und erfahren.
«Zu Beginn war nicht klar, dass auch Geschmacksverlust zu den Symptomen zählt. Erstmals davon gehört habe ich selbst von einer Patientin, die darüber klagte. Am gleichen Abend noch habe ich dann auch in einer Fachzeitschrift davon gelesen», erklärt der Langenthaler weiter. Gut eine Woche danach habe das BAG dieses Symptom als eines der Hinweise aufgenommen, die auf eine Covid-19-Erkrankung hindeutet.
Vor allem dies weise auf einen Lernprozess hin, der einmalig sei. Ein Lehrbuch, welches das Vorgehen vorschreibt, sei für einmal eben nicht vorhanden. «Ich arbeite nun schon seit 30 Jahren im Spital und habe schon vieles gesehen. Etwas wirklich Neues wie jetzt das Coronavirus habe ich schon länger nicht mehr erlebt.» Wirklich gelernt habe man in dieser Zeit insbesondere eines: Ein heilendes Medikament fehlt weiterhin. Während zu Beginn noch AIDS-Medikamente helfen sollten oder zwischenzeitlich auch anderen Medikamenten heilende Unterstützung zugesagt wird, ist heute klar, dass ein solches weiterhin nicht bekannt ist.
Besuche eingeschränkt möglich
Gleichwohl werden auch im Langenthaler Spital die Einschränkungen schrittweise gelockert. Besuche werden in aussergewöhnlichen Situationen mittlerweile wieder zugelassen. Das gilt beispielsweise für frischgebackene Väter oder aber für Angehörige eines Menschen in der letzten Lebensphase. Allen anderen Patienten mit nicht lebensbedrohlichen Erkrankungen bleiben Besuche vorerst noch verwehrt. Natürlich gilt gleiches auch rund um den Coronavirus, sagt Thomas Künzi. «Nur wenn die Patienten sterben könnten, lassen wir Angehörige zu.» Jene Besucher werden aber, weil sie aufgrund des Kontaktes zu jenem Patienten oftmals in Quarantäne leben, von anderen Menschen im Spital ferngehalten.
All diese Massnahmen zeigen auch, dass das Spital in Punkto Hygiene das Virus mittlerweile so gut wie nur möglich im Griff hat. Sorgen bereitet derzeit höchstens noch eine drohende zweite Welle. Bisher sei man im SRO noch glimpflich davongekommen, insbesondere auch im Vergleich mit dem Tessin und Norditalien, findet Thomas Künzi. Und: Auch Masken werden weiterhin genügend vorhanden sein, so der Langenthaler Arzt. «Zu Beginn waren noch Befürchtungen vorhanden, aber am 22. Mai dürfen wir mit den ersten Masken aus der Schweiz rechnen.» Und bis dahin werden jene aus China vorerst noch zur Genüge vorhanden sein.
Von Leroy Ryser