• Madeleine Rickenbacher führt Regie, Ulrich Iseli behält als OK-Präsident den Überblick über die Freilichtspiele. · Bilder: Marianne Ruch

  • Proben: Der «junge» Dällebach Kari begegnet zum ersten Mal seiner Liebe Annemarie.

  • Die Wirtsfrau, Frau Jenny, meint es gut mit Kari und will ihm anstelle von Bier lieber einen Tee servieren. Er solle nicht so viel trinken, der Doktor hätte es auch gesagt.

  • Ihr Wort zählt: Madeleine Rickenbacher.

  • Der Kampf mit dem «Geist» nach einer durchzechten Nacht.

06.05.2022
Oberaargau

«Dällebach Kari» wird auf dem Flüehli lebendig

Eigentlich war das Freilichttheater für 2021 geplant, ganz nach der Tradition, alle sechs Jahre ein Freilichttheater durchzuführen. Schweren Herzens musste das OK der Freilichtspiele Rütschelen die Aufführungen aber wegen Corona um ein Jahr verschieben. Nun ist es aber soweit, und ab dem 15. Juli können 16 Vorstellungen genossen werden. Madeleine Rickenbacher führt Regie beim Freilichttheater «Dällebach Kari» auf dem Flüehli. Sie ist keine Unbekannte, spielte bei allen Inszenierungen seit 1997 mit und ist beim Trägerverein, den Rütscheler Singlüt, seit über 20 Jahren aktives Mitglied.

 

Rütschelen · Vom 15. Juli bis zum 13. August wird es auf dem ansonsten ruhigen Flüehli in Rütschelen turbulenter zu und her gehen. Die fünfte Inszenierung der Freilichtspiele Rütschelen wird die Zuschauer mit dem «Dällebach Kari» in eine andere Zeit, in Tragik und in etwas Trauriges, aber auch in viel Witz und Humor eintauchen lassen. «Ich bin der Meinung, dass er ein sehr tiefgründiger Mensch war, der wohl mit seinen Witzen sein wahres Sein zu schützen versuchte. Ich bin überzeugt, dass es diese Leute auch heute noch gibt, die wie Dällebach Kari im Stillen leiden und ihre Mitmenschen unterhalten, damit sie sich nicht einer Ausgrenzung unterziehen müssen», sagt Regisseurin Madeleine Rickenbacher. Von daher seien die Geschichte und der Inhalt in dem Stück nicht veraltet, sondern aktuell und gegenwärtig. Ulrich Iseli amtete schon bei der letzten Aufführung 2015 als OK-Präsident, bringt so viel Erfahrung mit und weiss, auf was bei einem solchen Projekt geachtet werden muss. Und behält nun auch bei dieser Aufführung die Fäden in der Hand. «Wir haben eine tolle Zusammensetzung im OK, alle helfen mit und kümmern sich um ihre jeweiligen Aufgaben – so macht es Spass», rühmt der 74-Jährige. «Madeleine Ricken-bacher als Regisseurin ist für uns perfekt, sie ist mit Theaterblut ausgestattet», meint er anerkennend.

Fleissig am Proben
Es ist Madeleine Rickenbachers erste Freilichtinszenierung. In anderen Büh-nenstücken hat sie aber viel Erfahrung gesammelt und in Regiekursen viel gelernt. Zudem hilft ihr ihre Schauspielerfahrung. «Es ist schon speziell, jetzt nicht mehr selbst auf der Bühne zu stehen, sondern die Regie zu übernehmen. Aber es ist toll und passt absolut für mich», schwärmt die 49- Jährige. Sicher passt es auch perfekt, da sie mit dem Autor Renato Cavoli, der sein bestehendes Bühnenstück «Dällebach Kari» zum Freilichtspiel umschrieb, eng zusammenarbeitete und ihre Ideen und Vorstellungen mit einfliessen lassen konnte. Die Leseproben begannen bereits im November 2021 und in der ersten Januarwoche konnten die Akteure ihre Rolle schon auswendig. «Eine wahnsinnig tolle Crew, alle sind motiviert und geben ihr Bestes. Ich kann sie nur in den höchsten Tönen loben», freut sich die Regisseurin. Seit dem 21. März wird nun auch jeden Montag- und Mittwochabend auf dem Flüehli in der freien Natur geprobt. Sofern es das Wetter zulässt, findet das Probewochenende am 28. und 29. Mai statt.

Alle sind gleich wichtig
«Für mich sind alle Rollen gleich wichtig. Sei es der Kari, eine kleinere Rolle oder auch die Statisten – es braucht alle für ein gutes Gelingen», sagt die Regisseurin. Zudem ist sie überzeugt: «Es muss etwas von Herzen kommen, wenn wir die Herzen der Zuschauenden berühren wollen.» Und das ist ihr Ziel. Die Menschen mit der Aufführung berühren. Mit der Kulisse wird ein kleiner Teil der Stadt Bern aufs Land geholt. Dies widerspiegelt auch der Scherenschnitt von Ursula Kaufmann, welcher die Stadt Bern zeigt – inmitten wunderschöner Natur auf dem Flüehli mit der prächtigen Sicht auch auf die Jurakette. Wie und was das Freilichttheater genau aufzeigen wird, wird noch nicht verraten – nur so viel: Der Schluss lässt einiges offen und mit dem Lied «Stärn über Bärn» wird das Publikum in die Nacht entlassen werden.

Platz für 370 Besuchende
Die eigens dafür aufgestellte, gedeckte Tribüne wird Platz für 370 Besuchende bieten. «Gedeckt ja, aber wir sind in der Natur, es kann also trotz Sommer kalt oder ein bisschen nass werden», lacht Madeleine Rickenbacher. «Mit ein bisschen Regen können wir Schauspielerinnen und Schauspieler umgehen, aber wenn es zu Naturgewalten kommen sollte, müssen auch wir aufhören», sagt sie. Dafür gibt es für jede der 16 geplanten Vorstellungen jeweils auch ein Verschiebedatum. Im Restaurant-Zelt «zum Kari» können sich die Gäste unter anderem mit der «Gwafför Platte» oder «Vegetarisch, öppis ohni Gnagi» verwöhnen lassen. Bei der «Gasse-Chuchi» kann an Aussenständen auf dem Freilichtgelände der Hunger ebenfalls gestillt werden. Und für den späteren Durst in der Bar wird der «Flüehli-Salong» seine Türen öffnen. Somit wird also auch kulinarisch etwas auf dem Programm stehen.

Rütschelen ist einfach toll
«Die Rütscheler Musik, der Zivilschutz und an die 200 Helfende beteiligen sich an dem Projekt. Es ist fantastisch – alle helfen einfach. Das schmucke Dorf Rütschelen mit seinen knapp 600 Einwohnerinnen und Einwohnern unterstützt uns in allen Belangen, und es ist eine enorme Hilfsbereitschaft spürbar», sagt Ulrich Iseli sichtlich dankbar.
Das Flüehli selbst gehört der Burgergemeinde. Diese stellt das Land auch heuer wieder zur Verfügung. «Wir gehen in ein Stück Natur, machen etwas Grosses dort, aber wir geben alles wieder zurück. Das Flüehli wird nachher wieder instand gestellt und wir tragen Sorge dazu», erklärt Madeleine Rickenbacher.

Einiges auf dem Programm
Die Rütscheler Singlüt, bestehend aus rund 50 Mitgliedern, werden an der Gewerbeausstellung GALA in Langenthal an der Eröffnungsfeier vom 19. Mai einige Lieder zum Besten geben. Zudem wird die Theatergruppe mit einer kleinen Kostprobe des «Dällebach Kari» auf die Aufführungen auf dem Flüehli «gluschtig» machen. Anita Steiner wird an der GALA ihr letztes Konzert dirigieren. Die Dirigentin verlässt den Verein, sehr zum Bedauern aller Singlüt, nach 14 Jahren, um sich ihrer Masterarbeit und vermehrt ihrer neuen Aufgabe als Musik-Fachdidaktikdozentin zu widmen.

Dällebach Kari
Der echte Kari Dällebach wurde am 6. April 1877 als Karl Tellenbach in Walkringen im Emmental geboren. Schon als Kind hatte der Sohn eines Landwirts wegen seiner Hasenscharte, die einen Sprachfehler bewirkte, unter dem Gespött der Leute zu leiden. 1891 trat Kari in Worb eine Coiffeurlehre an und schloss sie 1894 mit Auszeichnung ab.
1896 zog er nach Bern und übernahm am 1. Juli 1900 ein kleines Coiffeurgeschäft an der Neuengasse 6. Dällebach galt ab etwa 1910 als Stadtoriginal. Wegen seiner körperlichen Behinderung und einer glücklosen Liebe entwickelte er sich zum humorigen Eigenbrötler. Nach einer schweren Krankheit beging Dällebach Selbstmord.

Von Marianne Ruch