«Dafür habe ich eine Karriere lang gearbeitet»
Interview: Stefan Leuenberger im Gespräch mit Dominique Aegerter, Töffsportler aus Rohrbach. Mit 31 Jahren feiert Rohrbachs Töffheld Dominique Aegerter den ersten Weltmeistertitel seiner Karriere. Im Interview berichtet der glückliche und erleichterte Motorsportler, wie er den Gewinn der Supersport-Weltmeisterschaft erlebte.
Supersport-WM · Töffweltmeister Aegerter – wie klingt das in Ihren Ohren?
Geil, oder nicht (lacht)? Für dies habe ich immer hart trainiert und nie aufgegeben. Ich wollte unbedingt einmal Weltmeister werden. Meiner Familie, allen Wegbegleitern und Sponsoren und insbesondere dem aktuellen Team möchte ich von ganzem Herzen Dankeschön sagen. Sie haben mir ermöglicht, Töffweltmeister zu werden.
Was ging in Ihrem Kopf vor, als der einzige verbliebene Konkurrent um den Weltmeistertitel wenige Sekunden nach dem Start zum drittletzten Saisonrennen unmittelbar vor Ihnen stürzte und so im Titelkampf praktisch ausser Gefecht gesetzt wurde?
Ich habe zwar gesehen, dass Odendaal in den Sturz verwickelt war. Mir war aber nicht klar, wie schnell er wieder auf dem Töff ist und ins Rennen zurückkehrt. Weil ich nichts vom grossen Rückstand wusste, habe ich einfach weitergekämpft, wie wenn er direkt hinter mir fährt.
Der Südafrikaner stürzte später noch einmal – und schied aus. Dies haben Sie vier Runden vor Schluss bei der Start-/Zielpassage von Ihrer Box mit der Tafel «4 Out» mitgeteilt bekommen.
Mir ist eine unglaublich grosse Last von den Schultern gefallen. Die Freude über den geschafften Titel war so enorm gross. Und die letzten Runden waren viel einfacher zu fahren. Ich war auf einmal völlig locker. Der Kampf um den WM-Titel stand in Argentinien – wie auch schon am Rennweekend zuvor – im Mittelpunkt. Ohne diese Konzentration auf die Gesamtwertung denke ich, dass ich sogar um den Rennsieg hätte mitfahren können. Natürlich hat mich der Zwischenfall beim Start etwas zurückgebunden. Doch das Material am Sonntag war super.
Kurz nach Rennende wurden Sie am Streckenrand in ein speziell gefertigtes Weltmeister-Shirt eingekleidet und haben von Ihrem Team einen speziellen WM-Titel-Helm erhalten. Und Sie jubelten bei einem Videoanruf lautstark ins Handy. Wer war am anderen Ende zu sehen?
Es war eine sofortige Schaltung zu meinem Bruder nach Hause. Er konnte wegen der erschwerten Reisemöglichkeiten in Argentinien nicht mit dabei sein.
Wie und wo hat Kevin Aegerter das Rennen verfolgt?
Es haben sich einige Freunde bei ihm daheim getroffen und ein privates kleines Public Viewing durchgeführt.
Als 15-Jähriger haben Sie Ihr erstes Töffrennen auf Weltniveau bestritten. 15 Jahre später sind Sie erstmals Weltmeister. Was bedeutete Ihnen dieser Titel?
Alles. Ich war 1999 einmal Motocross-Schweizermeister 65 ccm. 2006 wurde ich Zweiter in der internationalen Deutschen Meisterschaft 125 ccm. Ab 2006 bin ich dann in verschiedenen Kategorien im Moto-GP-Zirkus gefahren. Zu einem Titel hat es aber nie gereicht. Jetzt bin ich Weltmeister. Dafür habe ich eine Karriere lang gearbeitet.
In der Moto-GP-WM haben Sie in der Moto2-Kategorie sieben Podestplätze, darunter den Sieg 2014 in Deutschland, erreicht. Wo reihen Sie den Supersport-WM-Titel in Ihrem Palmarès ein?
Der Supersport-WM-Titel ist ganz klar mein wertvollster Erfolg meiner Karriere. Und zwar, weil ich über eine ganze Saison hinweg der beste Fahrer dieser Rennklasse war. Ich konnte 14 Podestplätze (darunter zehn Siege) feiern. Es ist nicht so – wie einige Kritiker meinen –, dass einem die Siege in der Supersport-WM geschenkt werden. Es hat dort sicher nicht wie in den Moto-GP-Kategorien 30 ganz starke Fahrer. Aber mindestens 10 Fahrer der Supersport-Kategorie könnten in einem konkurrenzfähigen Team auch in der Moto2-Klasse mithalten.
Hand aufs Herz: Ihnen bedeutet der Supersport-WM-Titel mehr als ein MotoE-Gesamtweltcup-Erfolg, den Sie ja 2021 nur ganz knapp und auf fragwürdige Weise verpasst haben.
Auf jeden Fall, zumal es sich bei der Batterie-Kategorie ja nur um einen Weltcup handelt.
So darf man davon ausgehen, dass Sie 2022 wieder in der Supersport-WM für das Ten Kate Team antreten werden, während das Kapitel MotoE nach den jüngsten Geschehnissen ad acta gelegt werden dürfte?
Never say never. Auf jeden Fall möchte ich 2022 wieder die Supersport-WM fahren, um die Titelverteidigung in Angriff zu nehmen. Betreffend der MotoE-Kategorie laufen Gespräche. Mitentscheidend sind natürlich allfällige Rennüberschneidungen. Tatsache ist, dass bei einer erneuten Saison in beiden Kategorien die Supersport-WM Priorität haben würde.
Ist eine Rückkehr in die prestigeträchtigere Rennklasse «Moto2» undenkbar?
Ich bin schon enttäuscht, dass ich trotz meinen vielen Siegen in der Supersport-WM kein Angebot erhalten habe.
Die beiden letzten Supersport-WM-Rennen in Indonesien können Sie völlig ohne Druck bestreiten, da Sie den Titel vorzeitig im Sack haben. Werden Sie etwas Risiko nehmen, um den Titelgewinn noch mit einem Rennsieg zu krönen?
Ich werde die Rennen völlig befreit fahren können und dementsprechend abliefern.
Die letzten zwei Rennen finden erst am 20./21. November statt. Darum kommen Sie vorher nach Hause. Wann darf Rohrbach die Ankunft seines Weltmeisters erwarten?
Mein Flug landet am Mittwochvormittag um 10.05 Uhr in Zürich.
Ein WM-Titel will gefeiert werden. Was ist geplant?
Die Feierlichkeiten müssen warten. Am Donnerstag fahre ich für eine Woche nach Spanien in die Ferien. Anschliessend gilt der Fokus den beiden letzten WM-Rennen. Den Titel feiere ich dann mit meinen Fans an meiner «Racing-Party» im Campus Perspektiven in Huttwil am 3. Dezember.