Das bange Warten auf baldige Renneinsätze
Shaienne Zehnder, Nachwuchs-Skirennfahrerin aus Walterswil – Die 14-jährige Shaienne Zehnder aus Walterswil ist das grösste Skitalent im «UE»-Gebiet. Wie sie das Coronajahr erlebte und welche Ziele die Schülerin im Winter 2020/21 erreichen will, gab sie dem «UE» preis.
Ski Alpin · «Ich erinnere mich daran, wie für mich das Skifahren auf einen ‹Tätsch› vorbei war», berichtet das grösste regionale Skitalent. «Nach einer Krafttrainingslektion wollten wir gerade nach Engelberg zu einem Interregionalrennen aufbrechen, als die Nachricht reinkam, dass dieses wegen Covid-19 abgesagt ist.» Im Anschluss war es vorbei mit der liebsten Beschäftigung von Shaienne Zehnder. Wegen dem Lockdown war die Skisaison 2019/20 abrupt beendet worden. «Es war schon frustrierend», meint Zehnder. Mit dem Final des Grand-Prix Migros stand Zehnders Saisonhighlight noch bevor. Die junge Walterswilerin hatte sich an einem Ausscheidungsrennen in Adelboden souverän für den Final qualifiziert. «Ich wäre so gerne angetreten.» Kein Wunder, denn Shaienne Zehnder hat das wichtigste Schweizer Skirennen im Nachwuchs bereits viermal gewinnen können, erstmals 2014.
Eines der grössten Talente
Die 14-jährige Walterswilerin gehört seit Jahren zu den grössten Talenten der Skination Schweiz. Wo sie antritt, lässt sie die gleichaltrigen Konkurrentinnen um Sekunden hinter sich. Nicht selten müssen sich sogar die älteren Rennfahrerinnen beugen. Shaienne Zehnder gelingt es an den Rennen auch, schneller Ski zu fahren, als die gleichaltrigen Jungs.
Während den warmen Monaten tangierte Covid-19 das Training der grossen Nachwuchshoffnung kaum. «Ich konnte so viel und oft trainieren, wie nie zuvor. Ich war beispielsweise jeden Tag joggen», sagt Zehnder. «Einzig das Fitnessstudio konnte ich nicht besuchen.» Mit dem Cheftrainer des Verbandes Schneesport Mittelland-Nordwestschweiz (SSM) fand sie dafür eine gute Ersatzlösung. «Frederick Thomas und ich haben daheim das gleiche Fitnessgerät. Online konnten wir so von ihm geleitete Lektionen abhalten», erklärt die trainingsfleissige Sportlerin, die in Bern die Feusi-Sportschule besucht. «Das Maskentragen ist schon nicht komfortabel. Ich habe davon aber zum Glück keine Beschwerden. Ausserdem gehe ich oft ins Freie, um sie abziehen zu können und frische Luft zu schnappen», erzählt das Mitglied des Skiclubs Ahorn-Eriswil.
Noch niemand erkrankt
«Covid-19 macht sich in meiner Schule bemerkbar. Kürzlich fehlten in meiner Klasse alle U15-Spieler des SC Bern, weil sie sich in Quarantäne begeben mussten.» Shaienne Zehnder, das einzige Mädchen in der aus lauter Sportlern bestehenden Sekundarschulklasse, blieb verschont. «Durch das Maskentragen und den genügenden Abstand musste ich nicht auch in die Quarantäne.» Sowieso blieb die junge Walterswilerin bisher verschont. «In meinem ganzen familiären Umfeld ist noch niemand an Covid-19 erkrankt. Dies ist ein grosses Glück. Ich wünsche mir, dass es so bleibt.»
Training auf Schnee der letzten Saison
Bereits im Juli stand Shaienne Zehnder erstmals wieder auf dem Schnee. Und zwar oberhalb von Zermatt auf den speziell für den Leistungssport reservierten Rennpisten auf dem Theodulgletscher direkt neben dem Matterhorn. Doch schon im Herbst konnte Zehnder auch in Adelboden und damit viel näher wieder auf Schnee trainieren. Doch wie ist das möglich, wenn es nicht geschneit hat? «Mittels Snowfarming», freut sich Zehnder. Mit «Schnee von gestern» ist das Skifahren im Berner Oberland vor dem ersten Schneefall möglich. Dabei wurde auf der Tschentenalp Schnee aus der vergangenen Saison konserviert, damit dieser im Oktober zu einer Skipiste präpariert werden konnte. Damit Wärme und Wasser nicht in den Schnee gelangten, wurde das Schneedepot mit Platten und Folien isoliert. Während des Sommers gingen so nur etwa 20 Prozent des Schnees verloren. «Natürlich ist es nicht eine sehr lange Piste. Ein Slalomlauf kann darauf aber ausgeflaggt werden», erklärt Zehnder. Am Dienstag schneite es. An diesem Tag stand Shaienne Zehnder in Adelboden auf den Ski. «Tatsächlich fuhren wir aber immer noch auf dem Schnee vom Vorjahr. In Walterswil hatte es nämlich über Nacht mehr geschneit als in Adelboden», berichtet Zehnder überrascht.
Hoffnung auf baldige Rennen
Momentan dürfte aber nicht der Schnee das Hauptproblem sein, was künftige Rennen betrifft. «Ich hoffe fest, dass wir ganz bald wieder Skirennen fahren dürfen», sagt Zehnder. Wegen den aktuellen Einschränkungen rechnet sie allerdings nicht damit, dass dies in diesem Jahr noch passieren wird. Eine Rückkehr im Januar erwartet sie aber. Und die Walterswilerin hat grosse Ziele. «Ich will unbedingt wieder den Final des Grand Prix Migros erreichen – und wenn möglich gewinnen.» Die nun in der U16-Kategorie fahrende Athletin strebt zudem möglichst viele Einsätze an interregionalen, aber auch nationalen Nachwuchsskirennen an. «Ich will einfach wieder einen Schritt weiter nach vorne machen.»
Geschwister als beste Antreiber
Am meisten gepusht wird sie aus der eigenen Familie. Und zwar nicht durch kontraproduktiven Druck der Eltern, sondern durch Leistung der Geschwister. Zwillingsschwester Leandra hat bei einem absoluten Spitzentag leistungsmässig die Fähigkeit, ihre Schwester zu kitzeln. Und von hinten drückt der zwei Jahre jüngere Bruder Kjetil. «Momentan bin ich sicher schneller als er. Kjetil ist barfuss in eine Bank gerannt und hat sich eine Zehe gebrochen», schmunzelt Shaienne Zehnder. «Aber wenn er dann wieder fit ist, muss ich schon Gas geben, um schneller zu sein.» Das Zehnder-Geschwister-Trio ist eingespielt, hilft sich gegenseitig, trainiert oft zusammen und feiert und geniesst die Erfolge gemeinsam.
Von Stefan Leuenberger